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Träumer. Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber (rechts) debattierte in Hamburg mit James F. Albaugh von Boeing (Mitte) und David L. Joyce von General Electric.

© dpa

Luftfahrt: Flugzeugindustrie: Jedes Kilo zählt

Die Flugzeugindustrie träumt vom sparsamen und sauberen Fliegen, ihre Manager stehen sich dabei aber selbst im Weg.

Während der Diskussion in dem zugigen Riesenhangar flattert eine Taube dicht unterm Hallendach über die Köpfe des Publikums hinweg. Da fragt der Lufthansa-Chef die Industriebosse auf dem Podium: „Warum machen wir es nicht wie die Vögel? Bei Gegenwind geben die richtig Gas, bei Rückenwind aber lassen die sich treiben. Warum müssen wir denn immer mit gleich viel Power fliegen?“ Wolfgang Mayrhuber fordert von seinen Lieferanten nicht weniger, als dass sie beim Flugzeugbau nochmal ganz neu nachdenken. Die aber denken gar nicht daran.

Im Hangar 4 der Lufthansa Technik AG am Flughafen Hamburg kam es unlängst zu einem kleinen, aber hochkarätig besetzten Gipfel der Flugzeugindustrie: Lufthansa feierte die Lieferung des ersten Düsenflugzeugs vor 50 Jahren, einer Boeing 707, und lud zum Jubiläum die Chefs des Flugzeugbauers Boeing und der drei führenden Triebwerkshersteller zu einer öffentlichen Diskussion ein. Die Manager nahmen unter der Tragfläche eines Jumbojets Platz und spürten einer Frage nach: Wie wird die Menschheit in den Jahren 2020 bis 2050 fliegen?

Es ging auch um grundsätzliche Dinge: Muss ein Flugzeug aussehen wie eine Zigarre mit Flügeln? Warum sitzen die Passagiere nicht gleich auf oder in den Tragflächen, in einer fliegenden Flunder? Könnte man künftig nicht Biosprit statt Kerosin tanken, oder die Triebwerke gar mit Strom aus Solarmodulen oder einer Brennstoffzelle speisen?

Beim Wort „Brennstoffzelle“ wird es dem Ersten zu bunt: „Warum wollt ihr, dass wir noch mehr Milliarden in die Forschung pumpen? Das würde uns finanziell ruinieren, wobei unklar wäre, ob wir den einen ganz großen Technologieschritt schaffen“, sagt David L. Joyce, Chef der Triebwerkssparte von General Electric (GE). Schon heute investieren Triebwerksbauer wie GE, Pratt & Whitney, Rolls-Royce und MTU aus Deutschland gemeinsam rund 40 Milliarden Euro jährlich in die Forschung. Zunächst sollte man die „tiefhängenden Äpfel pflücken“, fährt Joyce fort. Die Flugleitzentralen sollten ihre Arbeit optimieren, Lufträume zusammenlegen, damit keine Umwege geflogen werden müssten.

Die Fluggesellschaften sind für rund zwei Prozent des klimaschädlichen Kohlendioxidausstoßes weltweit verantwortlich. „Nur“ zwei Prozent, betonen alle Redner in Hamburg. Gemessen daran stehe man zu Unrecht im Fokus der Klimadebatte. Das sei „vor allem ein Kommunikationsproblem“, sagt Mayrhuber. Er rechnet im Gegenzug vor, dass die Lufthansa-Flotte inklusive aller Tochtergesellschaften im Schnitt 4,29 Liter Kerosin pro Passagier und 100 Kilometer verbrennt. Man habe schon die Drei-Liter-Marke im Blick, je mehr Flieger gegen aktuelle Typen ausgetauscht werden. In der Autobranche spricht man schon seit vielen Jahren vom Drei-Liter-Auto, im Schnitt verbrauchen Pkw aber noch knapp sieben.

Stinker. Flugzeuge, hier ein Airbus A 340, werden immer sparsamer. Doch ihre Zahl steigt insgesamt an.
Stinker. Flugzeuge, hier ein Airbus A 340, werden immer sparsamer. Doch ihre Zahl steigt insgesamt an.

© Hady Khandani / vario images

Mayrhuber und Co. lieben diesen Vergleich der Verkehrsmittel. Doch er hinkt gewaltig. Schließlich würde niemand mit dem Auto 8000 Kilometer zur Expo nach Schanghai fahren oder zur Fußball-WM nach Südafrika. Gäbe es kein Flugzeug, bliebe man daheim.

Doch Fliegen wird immer billiger, also fliegen wir immer mehr. Die Luftfahrt ist ohne Zweifel ein Segen für die Kultur und wirtschaftliche Entwicklung, ein integraler Bestandteil der Globalisierung. Der Preis für diese Mobilität ist, dass die endlichen Ressourcen fossiler Rohstoffe weiter ausgebeutet werden: Ein einziger Flug im Jahr ruiniert die persönliche Klimabilanz eines jeden Menschen. Er könnte den Rest des Jahres kalt duschen, auf elektrisches Licht verzichten und täglich die 20 Kilometer zur Arbeit radeln – er hätte mit dem einen Flug trotzdem deutlich mehr Kohlendioxid (CO2) produziert, als es nach Expertenansicht erlaubt wäre, soll der Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur begrenzt bleiben.

Vor dem Hintergrund haben die IATA, das ist der Weltverband der Fluggesellschaften, die Flugzeugbauer wie auch die Triebwerkshersteller in den vergangenen fünf Jahren mehr oder minder ambitionierte Programme aufgesetzt, mit denen sie den Treibstoffverbrauch drastisch senken wollen. Moderne Flieger mit modernen Triebwerken stoßen schon heute deutlich weniger Schadstoffe aus. Lufthansa etwa konnte den durchschnittlichen Ausstoß je Flieger seit Anfang der 90er Jahre um fast 40 Prozent senken. Klingt gut, dennoch verbrennt die Flotte der größten Gesellschaft Europas heute insgesamt mehr Sprit, da die Transportleistung seit 1991 um das zweieinhalbfache stieg.

Im Jahr 2050, so eine Vision der IATA könne man CO2-neutral fliegen. Wie das? Ingenieuren gehen davon aus, dass die oberflächliche Konstruktion des Flugzeugrumpfes und der Tragflächen für rund 30 Prozent des Treibstoffverbrauches verantwortlich sind, die der Triebwerke macht weitere 40 Prozent aus. Die verbleibenden 30 Prozent des Verbrauches lassen sich über Systeme im Flugzeug beeinflussen: Die Konstruktion der Klimaanlage zum Beispiel, die Lage von Gewichten spielt eine Rolle. Viele Sparwege beginnen beim Gewicht. So tüfteln Triebwerksbauer daran, Metalle durch Verbundstoffe zu ersetzen, was kompliziert ist, da diese vor Temperaturen um die 1500 Grad geschützt werden müssen. Womit? Keramik? Jedes Kilo zählt.

Ein Teil dieser Entwicklung wird übrigens in der Region Berlin vorangetrieben: So hat Rolls-Royce vor zwei Wochen erst in Dahlewitz südlich der Hauptstadt das konzerngrößte Entwicklungszentrum eröffnet, mit einer gigantischen Vakuumkammer zum Test neuer Triebwerke. An der TU-Berlin gibt es den Fachbereich Luftfahrtantriebe, wo man sich mit Effizienzfragen beschäftigt. Und auf der Luftfahrtshow ILA, die am 8. Juni in Schönefeld beginnt, wollen Fraunhofer-Forscher ihre jüngsten Spritsparpläne präsentieren.

Ganz ohne Energiezufuhr aber geht es nicht. Daher arbeiten die Airlines auch daran, den rohölbasierten Treibstoff Kerosin durch Biosprit zu ersetzen, der aus Pflanzen gewonnen wird, die beim Wachsen ja CO2 in Sauerstoff (O2) wandeln. Dazu zwingt die Industrie nicht das grüne Gewissen, zumal die Biospritproduktion umstritten ist, da sie dem Lebensmittelanbau Konkurrenz machen kann. Vielmehr ziehen die Airlines Lehren aus dem Sommer 2008, als Rohöl 147 Dollar je Barrel kostete. Derzeit liegt der Kurs bei 70 Dollar, die Produktion alternativer Treibstoffe rentiert sich ab einem Barrelpreis von etwa 90. Lufthansa hat jetzt Serientests mit Biosprit gestartet – das wäre vor drei Jahren noch undenkbar gewesen, sagt Mayrhuber in Hamburg.

Paradoxerweise scheint die simpelste Möglichkeit, sauberer zu fliegen, die schwierigste zu sein: Langsam fliegen. Das spart nachweislich am meisten. So machen es auch die Vögel, wie Mayrhuber doch gesagt hat.

Nach der Veranstaltung steht James F. Albaugh, Chef der Boeing-Verkehrsflugzeugsparte, allein am Rande und winkt ab: „Wir sagen den Airlines nicht, wie sie unsere Flugzeuge zu fliegen haben. Aber ich sage es mal so: Wir haben in den vergangenen Jahren von denen keine Signale bekommen, dass wir langsamere Maschinen bauen sollen.“

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