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Wirtschaft: Lufthansa-Aufsichtsräte haben es gut

Freiflüge erster Klasse – so attraktive Sachleistungen sind die Ausnahme

Berlin/Düsseldorf - Kaum ein Dax- Konzern bietet seinen Aufsichtsräten ähnlich attraktive Zusatzleistungen wie die Deutsche Lufthansa mit ihren Freiflügen. Für die ganz überwiegende Mehrheit der großen deutschen Aktiengesellschaften laufen politische Forderungen nach einer gesetzlichen Begrenzung solcher „Sonderdeputate“ damit ins Leere: Bis auf wenige Ausnahmen gewähren diese ihren Aufsichtsräten allein finanzielle Vergütungen. Das ergab eine „Handelsblatt“-Umfrage unter den im Deutschen Aktienindex (Dax) gelisteten Unternehmen.

Demnach können zwar etwa Aufsichtsräte von Autoherstellern Neuwagen zu ähnlichen Vorzugskonditionen kaufen oder leasen wie deren Beschäftigte. Doch bietet ansonsten weder die Metro AG ihren Aufsehern einen Einkäuferausweis für die Cash-&-Carry-Märkte, noch bekommen etwa Aufseher der Deutschen Post AG Gratisbriefmarken, so die Auskunft der Unternehmen. Und auch bei Allianz und Postbank erhalten Aufsichtsräte nach Angaben ihrer Sprecher keine Mitarbeiterrabatte beim Abschluss von Versicherungen oder Bausparverträgen – außer denjenigen, die auch im Hauptberuf dort arbeiten und deswegen Anspruch auf solche Rabatte haben.

Der Wirbel um den Freiflug von Verdi-Chef Frank Bsirske hatte Vertreter der großen Koalition veranlasst, neben einer Begrenzung von Managergehältern auch über strengere Regeln für Aufsichtsratsvergütungen nachzudenken. Bsirske war in die Kritik geraten, weil er für einen Trip nach Los Angeles einen ihm als Lufthansa-Aufsichtsrat zustehenden Freiflug nutzte. Nach Attacken aus der Politik und kritischen Kommentaren von Gewerkschaften entschloss er sich, die Kosten nachträglich selbst zu übernehmen.

Bsirske werden zwar keine formalen Verfehlungen zur Last gelegt. Jenseits des Einzelfalls rückt damit aber die Frage in den Blick, ob attraktive Sachleistungen wie Freiflüge womöglich generell die Unabhängigkeit von Aufsichtsräten beeinträchtigen, die den Vorstand kontrollieren sollen. Erst recht kritisch wäre es, wenn solche Sachleistungen den Aufsehern – anders als die monetäre Vergütung – sogar ohne Mitwirkung der Hauptversammlung zugeteilt würden.

Die Lufthansa selbst sieht jedoch auch im Fall der Freiflüge keinen Korrekturbedarf. Regeln und Praxis stünden in Einklang mit dem Corporate-Governance-Kodex, betonte ein Sprecher. So gebe es einen Grundsatzbeschluss der Hauptversammlung über vergünstigte Beförderungsbedingungen für Aufsichtsräte. Details zur Umsetzung dieses Beschlusses würden allerdings nicht veröffentlicht.

Auch einfache Lufthansa-Beschäftigte können prinzipiell Freiflüge nutzen – sie kommen aber nur mit, wenn der Platz in der Maschine sonst frei bliebe. Die Aufsichtsräte sind demgegenüber besser gestellt – sie werden nicht als „nachrangige Passagiere“ behandelt, können also auch feste Plätze gratis buchen. In der Praxis scheint die Mehrheit der Lufthansa-Aufseher dennoch nur begrenzten Wert auf die Option zu legen: Alle 20 zusammen flogen nach Firmenangaben 2007 für weniger als 89 000 Euro, 2006 belief sich der Posten auf 77 000 Euro. Daran gemessen fiele eine einzelne Reise wie die von Bsirske zum Schalterpreis von 21 000 Euro recht stark ins Gewicht.

Nach Auffassung von Roland Köstler, Mitbestimmungsexperte der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung, ist das Wichtigste bei solchen Sachleistungen, dass sie „sauber geregelt und transparent sind“ und außerdem in „angemessenem“ Verhältnis zur eigentlichen Vergütung stehen. Das sei nach seinem Eindruck in aller Regel der Fall. Beim monetären Teil der Vergütung rangierte die Lufthansa lange im unteren Bereich der Dax-Skala. Ein erhöhter Anteil der variablen Vergütung hievte ihren Chefaufseher Jürgen Weber indes im vergangenen Jahr mit 450 000 Euro unter die Top fünf der bestbezahlten Aufsichtsräte.

Freilich liegt es nach Ansicht von Praktikern auch im Marketinginteresse der Unternehmen, dass die Aufseher – immerhin oft wichtige Multiplikatoren – eigene Produkte nutzen. Dieses ist aber naturgemäß je nach Produkt unterschiedlich ausgeprägt: Für die Lufthansa wäre es unschön, wenn ihre Aufseher laufend in Flugzeugen der Konkurrenz zu sehen wären. Auch VW sieht es lieber, wenn die eigenen Aufsichtsräte nicht BMW oder Mercedes fahren. Finanzprodukte entfalten dagegen keine solche Außenwirkung. HB

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