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Arbeitskampf. Lufthansa-Piloten demonstrieren in Frankfurt am Main.

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Lufthansa-Streik: Chaos an den Flughäfen bleibt aus

Die Lufthansa-Piloten sind im Ausstand - und deutsche Passagiere zeigen sich davon wenig beeindruckt. Noch ist keine Einigung des Tarifstreits in Sicht. Was am ersten Streiktag bis zum Nachmittag geschah, können Sie an dieser Stelle nachlesen.

Im Arbeitskampf fordern die Piloten nicht mehr Gehalt, sondern eine gleichbleibend gute Übergangsversorgung, nach der sie mit 55 Jahren ausscheiden können. Die Lufthansa will diese Altersgrenze auf 63 Jahre anheben. Zu viel, finden 5400 Piloten von Lufthansa und Germanwings. Sie gehen für drei Tage in den Streik. Betroffen sind davon etwa 4000 Flüge, die gestrichen werden müssen - und 425.000 Passagiere. Was am ersten Streiktag bis zum Nachmittag geschah, können Sie hier nachlesen.

+++ Piloten demonstrieren am Frankfurter Flughafen +++

Hunderte Piloten gehen am Mittwoch vor der Lufthansa-Basis am Frankfurter Flughafen auf die Straße. „Lieber würde ich heute im Airbus sitzen und nach San Francisco fliegen, statt hier dumm mit einem Schild zu stehen“, sagt Benjamin Sindram. Doch der Lufthansa-Copilot, ist an diesem Mittwoch nach Frankfurt gekommen, um für seine Rechte im Alter zu kämpfen. Sindram ist 36 Jahre alt, seit 13 Jahren arbeitet der Niederländer für die Lufthansa. Bis zum Kapitän hat er noch ein paar Jahre. „Ich sehe, dass viele ältere Kollegen sehr fit sind“, sagt er. Andere würden lieber vorzeitig in den Ruhestand gehen. Man könne das Älterwerden lange Zeit mit Erfahrung ausgleichen. „Aber ich möchte später einmal selbst entscheiden können, ob ich mich noch fit genug fühle, meine Passagiere zu fliegen“, sagt er, „aber die Lufthansa will mir das wegnehmen.“

Vor dem Frankfurter Flughafen stehen die Taxifahrer in langen Reihen und warten vergeblich auf die gewohnten Fahrgäste. „Wir haben massive Einbrüche“, sagt einer. „Ich bin sauer bis zum Anschlag.“ Taxifahrer bekämen nicht einmal Mindestlohn, deshalb habe er kein Verständnis für die Forderungen der Piloten, sagt der 63-Jährige.

+++ Nahles kündigt Gesetz zur Tarifeinheit an +++

Vor dem Hintergrund des Pilotenstreiks bei der Lufthansa hat Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit noch in diesem Jahr angekündigt. Eine Arbeitsgruppe verschiedener Ministerien arbeite an einer verfassungssicheren Lösung, sagte Nahles am Mittwoch bei der Vorstellung ihres Gesetzespakets zum Mindestlohn und zur Stärkung der Tarifautonomie. “Wir brauchen Solidarität, was die Tarifeinheit angeht“, sagte Nahles. “Ich möchte, dass stärkere Beschäftigte den schwächeren Beschäftigten eines Betriebes oder eines Konzerns ihre Kraft auch mit leihen und nicht nur die Stärkeren für sich die tarifvertraglich besten Lösungen suchen.“ Mit einer gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit will die große Koalition sicherstellen, dass in einem Konzern nicht unterschiedliche Gewerkschaften verschiedene Tarifverträge für einzelne Berufsgruppen abschließen - und somit womöglich ein Unternehmen ständig Arbeitskämpfen ausgesetzt sein könnte. Damit soll das Prinzip “ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ gelten.

Eine Lösung ist heikel, da die Koalitionsfreiheit im Grundgesetz geschützt ist. Verdi etwa lehnt die Tarifeinheit trotz der Konkurrenz zu Cockpit ab. Nahles sicherte zu: “Eine Änderung des Streikrechts steht gar nicht zur Diskussion.“

+++ Bahn hat bislang keine Zusatzzüge eingesetzt +++

Die Deutsche Bahn teilt am Mittag mit, dass sie bislang wegen des Pilotenstreiks noch keine Zusatzzüge einsetzen musste. „Die Meldungen von den Bahnhöfen zeigen, dass wir mit den Regelzügen gut hinkommen“, sagte ein Bahnsprecher. Die Bahn rechnet während des dreitägigen Streiks mit täglich maximal 20.000 Fahrgästen zusätzlich. An einem Durchschnittstag befördert sie sonst 370.000 Reisende. Die Bahn steht nach eigenen Angaben stündlich in Kontakt mit Lufthansa und deren Tochter Germanwings, um von den Unternehmen die aktuellen Umbuchungszahlen zu erhalten. Rund 15 IC- und ICE-Züge stünden an acht Orten in Deutschland bereit, um bei Bedarf losfahren zu können. Am Freitag erwartet die Bahn mehr Fahrgäste als am Mittwoch und Donnerstag. Dann würden voraussichtlich alle Reservezüge eingesetzt, sagte der Sprecher.

+++ Die Hotline der Lufthansa ist zusammengebrochen +++

An den Flug- und Bahnhöfen ist es ruhig, dafür kämpft die Lufthansa an einer anderen Front: Bei der Telefonhotline der Fluglinie rufen am Mittwochvormittag so viele Leute an, dass die Verbindung zusammenbricht. Dabei hatte die Fluggesellschaft auf ihrer Homepage selbst dazu aufgerufen, diesen Service zu nutzen. Lufthansa-Kunden werden sich weiterhin auf lange Wartezeiten bei der Hotline einstellen müssen: "Wir haben die Kapazität schon bis zum Anschlag hochgefahren", sagte ein Sprecher der Fluggesellschaft auf Nachfrage. Im Vorfeld der Streiks hatte die Lufthansa bereits 200.000 Emails und SMS an Kunden versendet.

+++ Am Frankfurter Flughafen hat Fraport Feldbetten aufgestellt +++

"Keine besonderen Vorkommnisse" meldet der Flughafenbetreiber Fraport um 10.00 Uhr vom Frankfurter Flughafen. Fraport hatte im Vorfeld des Streiks im Transitbereich 450 Feldbetten für gestrandete Reisende aufgestellt und Versorgungsstationen eingerichtet. Dort gibt es Snacks und Getränke. Für Passagiere mit kleinen Kindern stellt der Flughafenbetreiber außerdem einen Familienbereich zur Verfügung Indes hat die Lufthansa den voraussichtlichen Schaden des Pilotenstreiks beziffert: Die Airline rechnet mit einem hohen, zweistelligen Millionenbetrag.

+++ Ausländische Fluggäste sind vom Streik überrascht +++

In Tegel geht der Betrieb abgesehen von den gestrichenen Flügen seinen gewohnten Gang. Von den deutschen Fluggästen wird kaum einer kalt vom Streik erwischt, die Passagiere sind auf mögliche Unwägbarkeiten vorbereitet. Komplizierter gestaltet sich die Angelegenheit dagegen für so manchen Gast aus dem Ausland. Die Spanierin Laura Muriel zum Beispiel hat nicht mitbekommen, dass die Lufthansa-Piloten streiken. Die 24-Jährige, die in Berlin einen Freund besucht hat, wollte heute mit der Kranich-Airline von Tegel über Frankfurt nach Bilbao und von dort weiter nach Sevilla fliegen. Doch wegen des Streiks kann die Reise in dieser Form nicht stattfinden: Auf die Schnelle fand sich für Muriel kein Ersatzflug am geplanten Tag. Die Spanierin hat sich nun entschieden, noch ein paar Tage in Berlin dranzuhängen. Die Heimreise nach Spanien will sie nun erst am Samstag antreten.

+++ Am Hauptbahnhof ist die Lage ruhig +++

Keine Warteschlangen vor den Ticketschaltern, von Chaos keine Spur: Um 8.40 Uhr ist die Lage am Hauptbahnhof entspannt. Offenbar sind in Berlin nur wenige Lufthansa-Passagiere auf die Bahn umgestiegen. Wie einer Geschäftsmann, der heute eigentlich um kurz nach sieben von Tegel nach Frankfurt am Main fliegen wollte. Wegen des Streiks hat er sich um 8.22 Uhr am Hauptbahnhof in den Zug nach Basel gesetzt, der auch in Frankfurt hält. Sein Problem: Durch die Fahrt mit der Bahn ist der Mann erst vier Stunden später als geplant am Ziel. "Das ist nicht dramatisch, aber sehr ärgerlich", sagt er. "Weil ich später ankomme, musste ich alle meine Termine an diesem Tag nach hinten schieben."

+++ Gähnende Leere in Berlin-Tegel +++

Am Lufthansa-Gate in Berlin-Tegel herrscht gähnende Leere. Nur eine Reisende ist da und erkundigt sich nach Alternativen für den Flug nach Frankfurt, der eigentlich für zehn Uhr geplant war. Das Bodenpersonal verweist sie auf die Bahn. Und sagt dann: Möglicherweise geht der Flug ja doch. Sie soll um neun Uhr noch einmal nachfragen.

+++ Berlin: Züge nach Stuttgart und Hamburg voller als sonst +++

Der Zug um 6.08 Uhr vom Berliner Hauptbahnhof nach Stuttgart war wegen des Lufthansa-Streiks voller als sonst, und auch in den Zügen nach Hamburg fahren am Mittwochmorgen mehr Fahrgäste mit. Der Grund dafür ist die Aktion Flugticket gegen Bahnticket tauschen, sagt man im Reisezentrum.

Union fordert Änderung des Streikrechts

+++ "Streik ist absolut unverantwortlich" +++

Der Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), sagte der „Bild", der Streik sei „absolut unverantwortlich“. Er bringe die Lufthansa in ernste Schwierigkeiten und nehme eine halbe Million Fluggäste als Geiseln. „Bei Leuten, die in einigen Fällen so viel verdienen wie die Kanzlerin, habe ich dafür wenig Verständnis“, sagte Fuchs.
Klaus Barthel, Chef des SPD-Arbeitnehmerflügels, kritisierte in der Zeitung, „dass Minigewerkschaften die Interessen weniger auf Kosten vieler vertreten“. Bereits am Dienstag hatte Arnold Vaatz (CDU), ebenfalls Vizechef der Unionsbundestagsfraktion, Änderungen im Streikrecht ins Gespräch gebracht. Dies forderte am Mittwoch auch der Generalsekreär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger. „Die massive Erpressbarkeit der gesamten Wirtschaft durch Streiks an Schaltstellen der Infrastruktur ist so nicht mehr hinnehmbar“, sagte er dem Portal „Handelsblatt Online“. Nun müssten „die notwendigen Konsequenzen gezogen werden“.

+++ Verkehrsminister Dobrindt findet Streik auch nicht gut +++

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die Lufthansa und die Pilotengewerkschaft Cockpit zu einer schnellen Einigung im Tarifstreit aufgerufen. "Jeder Tag mit Streik schränkt die Mobilität hunderttausender Menschen ein. Das heißt, eine schnelle Lösung des Konflikts ist geboten und ist auch im Interesse der Tarifparteien", sagte er "Bild". Dobrindt appellierte an das Verantwortungsbewusstsein beider Seiten: "Tarifautonomie und Streikrecht sind ein hohes Gut. Das bedingt auch ein hohes Verantwortungsbewusstsein eines jeden Tarifpartners."

+++ Seit Mitternacht wird gestreikt +++

Stillstand bei der Lufthansa: Die meisten Piloten haben ihre Arbeit niedergelegt. Wie ein Sprecher der Pilotengewerkschaft „Vereinigung Cockpit“ mitteilte, begann der Streik um Mitternacht. Drei Tage lang soll der Flugbetrieb der Lufthansa bestreikt werden. Die Pilotengewerkschaft hatte dazu aufgerufen. Zudem wollen die Piloten am Vormittag am Frankfurter Flughafen für ihre Anliegen demonstrieren.

Lufthansa hat auf die umfassende Streikdrohung der rund 5400 Kapitäne und Co-Piloten reagiert und den größten Teil ihres Flugprogramms bis inklusive Freitag abgesagt. Rund 425 000 Passagiere sind von den von den etwa 3800 Flugstreichungen betroffen. Ein großer Teil davon sollte auf andere Verkehrsmittel oder Termine umgebucht werden.
Auch bei der Lufthansa-Tochter Germanwings fallen mehr als die Hälfte der 1332 geplanten Flüge aus. Der verbleibende Rest wird von der nicht bestreikten Gesellschaft Eurowings geflogen. (dpa)

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