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Wirtschaft: Lust am Zocken: Interview: Kapitalmarkt-Experte Mark Wahrenburg über Sport-Börsen

Herr Wahrenburg, an der Börse haben sich viele Zocker die Finger verbrannt. Verspricht der Wettmarkt höhere Gewinne?

Herr Wahrenburg, an der Börse haben sich viele Zocker die Finger verbrannt. Verspricht der Wettmarkt höhere Gewinne?

Für passionierte Day-Trader wäre es ökonomisch in der Tat sinnvoller, wenn sie an einer funktionierenden Sport-Börse statt am Aktienmarkt handeln würden. An der Börse machen Day-Trader im Durchschnitt nämlich Verluste - selbst wenn sie mal zwischendurch einen richtig guten Tag hatten.

Und beim Wetten ist das anders?

So pauschal lässt sich das nicht sagen. Man kann überall mal den Hauptgewinn ziehen. Aber: An der Börse sind private Anleger vergleichsweise schlecht informiert. Wenn die kleinen Day-Trader anfangen, mit Insidern oder Profis zu handeln, ziehen sie den Kürzeren. Das heißt, der Aktienhandel führt zu hohen Kosten für die, die sich nicht zu den wenigen Insidern zählen dürfen. Auf dem Sportmarkt ist das nicht der Fall.

Börsen, an denen man mit Geld auf "Aktien" von Fußballclubs oder Formel-Eins-Piloten setzen kann, sind in Deutschland verboten.

Das ist meines Erachtens nur eine Frage der Zeit. Blitztrade, das Unternehmen, das ich gegründet habe und an dem ich beteiligt bin, veranstaltet bereits in den Bereichen Sport- und Entertainment Fun-Börsen im Internet auf Basis virtueller "Aktien". Die Nachfrage ist enorm: An der von mir und Jörg Bochow, heute Blitztrade-Geschäftsführer, im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Universität Witten-Herdecke zur Fußball-WM 1998 veranstalteten Börse haben 50 000 Menschen teilgenommen. Die Umsätze lagen deutlich über dem Volumen des gesamten deutschen Aktienmarktes.

Ist der Sportmarkt nicht genauso unübersichtlich wie der Aktienhandel?

Ich glaube, beide Märkte sind ungefähr gleich kompliziert. Aber auf den Sportmärkten gibt es weniger Profis, die die Gewinne abschöpfen. An Aktienmärkten zahlt die große Masse dafür, dass eine kleine Gruppe ihr Wissen ausnutzt.

Warum können die Menschen trotzdem die Finger nicht vom Spekulieren lassen?

Weil Spekulieren Spaß macht. Börsen und Wettspiele sind nicht zuletzt Unterhaltungsprodukte, die aus diesem Grund nachgefragt werden. Die nach wie vor hohen Umsätze am Aktienmarkt zeigen, dass die Anleger enttäuscht über ihre Vermögensverluste sind, dass sie aber weiterhin munter ihre Portfolios umschichten.

Ziemlich dumm, oder?

Klar. Finanzprofessoren predigen, dass häufiges Umschichten die Rendite verschlechtert. Aber die Anleger tun es trotzdem, weil sie offenkundig ein Vergnügen daran finden.

Macht Ihnen dieser Spieltrieb keine Sorgen?

Ich persönlich kann mir in der Tat einen schöneren Zeitvertreib als Day-Trading vorstellen. Aber wenn man schon der Spekulationslust nachgeben will, dann sollte man es zukünftig besser auf transparenten Sportmärkten tun. Der Unterschied zur Börse ist, dass man bei einer Sportwette über einen längeren Zeitraum gut unterhalten wird. An der Börse müssen Anleger permanent Nachrichten verstehen und verarbeiten, und am Ende verlieren sie doch. Beim Sportwetten schauen sie sich ganz entspannt ein Pferderennen oder Fußballspiel an.

Sie würden das Glücksspiel der, ökonomisch betrachtet, perfekten Börse vorziehen?

Wetten sind ökonomisch gesehen nichts anderes als Termingeschäfte. Und der Handel mit Termingeschäften ist im Vergleich zum Aktienhandel kostengünstig, weil in der Abwicklung keine Wertpapiere verbucht werden müssen. Es gibt Finanzprodukte, die vor zehn Jahren noch als Glücksspiel galten. Nehmen sie Umweltkatastrophen: Sie können darauf wetten, dass ein Orkan über die US-Westküste fegt. Solche Geschäfte werden an der Terminbörse in Chicago gehandelt. Ein riesiger Markt, auf dem sich Versicherungen ihr Risiko abnehmen lassen.

Werden wir künftig alle möglichen Sportwetten an Börsenmärkten handeln können?

Wenn die Wetten über Börsen abgeschlossen werden sollen, muss der Markt ausreichende Liquidität, also genug Teilnehmer haben. Das ist bei Sportarten der Fall, die die größte Aufmerksamkeit im Fernsehen erreichen: Fußball, Formel Eins, Tennis vielleicht. Leichtathletik ist schon schwieriger.

Wie stehen die Chancen, dass der Staat sein Monopol lockert?

Rund um Deutschland hat sich bereits ein Markt für kommerzielle Sportwetten aufgetan. Über das Internet sind Angebote auch in Deutschland verfügbar. Wenn der Staat eine Entwicklung - etwa beim Glücksspiel - schon nicht verhindern kann, wird er über ein marktgerechtes Sportwettenangebot befinden müssen, in dem auch Aspekte des Jugendschutzes und der Suchtvermeidung berücksichtigt werden können.

Herr Wahrenburg[an der Börse haben sich viel]

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