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Wirtschaft: Maastricht hat auch Berlin fest im Griff

Die Haushaltsmisere bringt die Haupstadt in die Klemme / Berlin trägt die rote LaterneVON ULRICH ZAWATKA-GERLACHDer Versuch von Bundesfinanzminister Theo Waigel, sich mit den Ländern auf ein Regelwerk zur Einhaltung der Maastrichter Verschuldungskriterien zu einigen, hängt über Berlin wie ein Damoklesschwert.Denn auch bei der Defizitquote ­ dem Anteil des Haushaltsdefizits am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ­ trägt die Bundeshauptstadt die "rote Laterne": sie betrug 1996 rund sieben Prozent.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Haushaltsmisere bringt die Haupstadt in die Klemme / Berlin trägt die rote LaterneVON ULRICH ZAWATKA-GERLACH

Der Versuch von Bundesfinanzminister Theo Waigel, sich mit den Ländern auf ein Regelwerk zur Einhaltung der Maastrichter Verschuldungskriterien zu einigen, hängt über Berlin wie ein Damoklesschwert.Denn auch bei der Defizitquote ­ dem Anteil des Haushaltsdefizits am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ­ trägt die Bundeshauptstadt die "rote Laterne": sie betrug 1996 rund sieben Prozent.Zum Vergleich: Baden-Württemberg lag bei 0,7 und Bayern bei 0,9 Prozent.Der Maastrichter Vertrag von 1992 setzt eine Obergrenze von 3,0 Prozent fest; jede Überschreitung dieser Defizitquote soll für die Teilnehmerstaaten an der Währungsunion zu empfindlichen Sanktionen führen. Grundsätzlich sind auch die Bundesländer zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien verpflichtet; ob und wie sie eingebunden werden, steht in den Sternen.Die Länderfinanzminister wollen sich, so wird im Büro der Fachministerkonferenz bestätigt, bis Oktober auf einen Gesetz- oder Staatsvertragsentwurf einigen.Berlin hat also eine Galgenfrist.Folgte man bisherigen Vorschlägen aus Bayern, müßte die hochverschuldete Bundeshauptstadt Geldbußen in Milliardenhöhe abdrücken. Vorläufig aber können sich weder der Bund mit den Ländern noch die Länder untereinander auf Kriterien für die Verteilung der Defizitquote einigen.Nicht nur wegen dieser unklaren Situation, auch wegen der dramatischen Konsequenzen des Maastricht-Vertrages für Berlin verzichteten der Senat und die Regierungsparteien CDU und SPD bisher darauf, daß Thema öffentlich zu diskutieren."Es gibt keine festgelegte Position", heißt es in der Finanzverwaltung.Berlin beharre aber auf einer Regelung, die die Finanz- und Wirtschaftsschwäche des Stadtstaates berücksichtige. Der Vorschlag des Bundesfinanzministers, der seit geraumer Zeit vorliegt: Bund und Länder sollten sich das "maximal zulässige Defizit" im Verhältnis 1 : 1 teilen.Grundlage für die Defizit-Aufteilung zwischen den Bundesländern sollte entweder die Einwohnerzahl sein ­ oder die durchschnittlichen Haushaltsdefizite der Länder in einer mehrjährigen Referenzperiode.Die zweite Variante könnte einer "Überforderung finanzschwacher Länder vorbeugen".Besondere Problemlagen einzelner Gebietskörperschaften, so das Bundesfinanzministerium, sollten außerdem durch eine Ausnahmeklausel berücksichtigt werden."Die Ausnahmetatbestände umfassen Zinsbelastungen, Haushaltsnotlagen und eine Konjunkturgutschrift für den Bund". Auf eine 1 : 1-Verteilung wollen sich die Länder aber nicht einlassen, weil dies ihrer Meinung nach den Bund bevorteile.Für die Defizitverteilung zwischen den Ländern wird auf Ebene der Finanzministerkonferenz ein bunter Katalog von Kriterien diskutiert.Die Haushaltsexpertin von Bündnis 90/Grüne, die jetzt in Berlin die Diskussion über die Maastricht-Kriterien eröffnete, warnte vor einer Regelung, die nur die Einwohnerzahl oder das Bruttoinlandsprodukt berücksichtige. Ein Beispiel: Bei einer Berechnung nach dem BIP-Anteil hätte Berlin 1996 lediglich ein Haushaltsdefizit von 2,25 Mrd.DM vorweisen dürfen.Tatsächlich lag das Gesamtdefizit bei 10,2 Mrd.DM.Schreyer forderte den Senat auf, den Vorschlag des Bundes zu unterstützen, daß "zumindest für eine Übergangszeit die horizontale Aufteilung der Defizitquote nach den tatsächlichen Defizitanteilen der Länder in einem Referenzzeitraum erfolgt". Bei Überschreiten der 3,0-Grenze sieht der EU-Stabilitätspakt Sanktionen in Form einer Zwangseinlage bzw.einer Geldbuße vor; und zwar in Höhe von 0,2 Prozent des Bruttoinlandproduktes zuzüglich einem Zehntel der Überschreitung der Defizit-Obergrenze.Die Sockelsanktion müsse der Bund übernehmen, der Restbetrag solle von den Bundesländern gemeinsam getragen werden, fordert Schreyer.Eine solche Regelung erfordere "bundesstaatliche Solidarität"; gleichzeitig werde Berlin durch EU-Recht gezwungen, das eigene Haushaltsdefizit zu reduzieren. Nach einem Szenario der Finanzverwaltung würde das Haushaltsdefizit in Berlin "ohne Umsetzung weiterer Konsolidierungsmaßnahmen" im Jahr 2005 auf 16,7 Mrd.DM steigen.Die Kreditschulden des Landes beliefen sich dann auf 148 Mrd.DM und erreichten fast das Volumen des Bruttoinlandsprodukts.Allein die Kreditzinsen und Wohnungsbaudarlehen würden den Etat mit 13,5 Mrd.DM belasten.

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