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Machtwechsel bei VW: Rätselraten über Hintergründe

Nach dem überraschend angekündigten Abgang von Volkswagen-Chef Bernd Pischetsrieder wird heftig über die Hintergründe spekuliert. Die Börse reagierte nervös auf den angekündigten Wechsel an der VW-Spitze.

Frankfurt/Main - Weder Volkswagen noch die VW-Tochter Audi, deren derzeitiger Chef Martin Winterkorn das Steuer in Wolfsburg übernehmen soll, wollten sich zu den Ursachen des Wechsels äußern. Analysten nannten eine ganze Reihe von Gründen für den Abgang, etwa Streit über den Einstieg beim Lastwagenbauer MAN oder das Ringen um den Einfluss von Großaktionär Porsche. Einigkeit herrschte darüber, dass Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch die Ablösung initiiert habe. Die Börse reagierte nervös auf den Führungswechsel.

Citigroup-Analyst John Lawson erklärte, als Grund für den Wechsel kämen eine einfache Meinungsverschiedenheit über den Einstieg bei MAN in Frage. Auch Pischetsrieders Versuche, den Einfluss des neuen Großaktionärs Porsche zu begrenzen, könnten hinter dem Wechsel stehen. "Der Zeitpunkt für die Ablösung Pischetsrieders ist der denkbar überraschendste, zumal Pischetsrieder in den letzten Monaten mit dem neuen Tarifvertrag, dem Abbau von fast 20.000 Stellen und dem Einstieg bei MAN einiges bewirkt hat", sagte Nord-LB-Analyst Frank Schwoppe. Der Aufsichtsrat hatte Anfang Mai Pischetsrieders Vertrag nach langem Machtkampf mit Oberkontrolleur Piëch bis 2012 verlängert. Die vorzeitige Ablöse dürfte den Konzern einen zweistelligen Millionenbetrag kosten, sagte Schwoppe.

Einfluss von Porsche wird zunehmen

Der Porsche-Enkel und Pischetsrieders Vorgänger Piëch habe sich mit Winterkorn seinen Wunschkandidaten an die Spitze von Europas größtem Autobauer geholt, erklärte der Nord-LB-Analyst. Der Sportwagenbauer könnte demnach mittel- bis langfristig an einer Übernahme von VW interessiert sein. "Der Einfluss von Porsche wird bei Volkswagen in jedem Fall zunehmen." Auch die Analysten von Goldman Sachs hielten es für denkbar, dass sich Porsche unter dem Einfluss von Piëch den Wolfsburger Konzern ganz einverleiben könnte. Immerhin habe Porsche vor wenigen Tagen angekündigt, seinen gut 21-prozentigen Anteil an VW möglicherweise auf bis zu knapp 30 Prozent aufstocken zu wollen.

"Das wäre reichlich unlogisch", befand dagegen Citigroup-Analyst Lawson mit Blick auf das VW-Gesetz, das keinem Anleger mehr als 20 Prozent der Stimmen erlaubt, egal, wie viele Aktien er hält. Brüssel ist die Regelung ein Dorn im Auge. Doch selbst bei einer Entscheidung könnte es Jahre dauern, bis das Gesetz in Deutschland geändert werde, betonte Lawson.

Investoren und Börse reagieren nervös

Der Machtkampf, dem Pischetsrieder jetzt offenbar zum Opfer gefallen sei, könne das Management destabilisieren, befürchtete der Citigroup-Analyst. Sowohl die Gelddisziplin von Finanzchef Hans Dieter Pötsch als auch die Produktionseinsparungen von VW-Markenchef Wolfgang Bernhard könnten in Gefahr sein. "Die Investoren werden fürchten, dass ihr Schreckgespenst Piëch wieder zurück an der Macht ist."

Die Börse reagierte nervös auf den angekündigten Abgang von Pischetsrieder. Der Kurs der VW-Aktie zog zu Handelsbeginn in Frankfurt am Main zunächst um knapp zwei Prozent an, drehte dann aber ins Minus und notierte gegen Nachmittag (13.30 Uhr) knapp unter 80 Euro - einem Minus von 1,6 Prozent. (tso/ddp)

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