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Die „6 Wunderkinder“. In einem Büro in Mitte hat das Webunternehmen erfolgreiche Apps entwickelt. Foto: dpa

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Start-Ups: Made in Berlin

Junge Internetfirmen schießen hier seit ein paar Jahren aus dem Boden. Doch um erfolgreich zu sein und auch Geld zu verdienen, brauchen Gründer mehr als nur eine gute Idee. Was Experten raten

Berlin ist vorne dabei, wenn es um neue Geschäftsideen fürs Internet geht. Webfirmen sind hier in den letzten Jahren aus dem Boden geschossen – und nicht wenige haben es schon nach kurzer Zeit zu etwas gebracht. Das IT-Unternehmen 6 Wunderkinder zum Beispiel, das in seinem Büro in Mitte das Softwareprogramm Wunderlist entwickelt hat, das sich als App auf iPad, iPhone oder PC herunterladen lässt. Mit der Software kann man übersichtlich den Tagesablauf planen, von Terminen im Job bis zum Freunde anrufen. 1,1 Millionen Nutzer hat das Start-up schon für sich gewonnen.

Zu den vielversprechenden Gründungen gehört auch Mag10, die IT-Plattform für Publikationen auf Tablet-Computern, die Software-Werkzeuge für iPad-Magazine zur Verfügung stellt. In Berlin ist ResearchGate entstanden, ein soziales Netzwerk für Wissenschaftler aller Fachgebiete, das inzwischen mehr als eine Millionen Nutzer hat. Und aus Berlin kommt Soundgate, das Portal, das beim Start im Jahr 2007 Musikern dazu dienen sollte ihre Aufnahmen auszutauschen, mittlerweile aber zur Plattform wurde, auf der Musik allen zur Verfügung gestellt werden kann. Die Seite zählt drei Millionen Nutzer.

„Die High-Tech-Branche in Berlin wächst dynamisch“, sagt Sylvius Bardt, Berliner Sprecher des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom). Für die gesamte Branche der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) gebe es seit dem Jahr 2000 „eine ganz starke Zunahme“, so Bardt. Das Medienboard Berlin-Brandenburg kam allein für die Entwicklung von Internetunternehmen auf eine vergleichsweise hohe Zahl: Mit 128 Neugründungen in den vergangenen drei Jahren seien nirgendwo in Deutschland mehr Webfirmen als in Berlin gegründet worden.

Doch auch wenn der Markt noch immer einige Lücken bietet. Wer sich mit IT-Services, Social Media-Ideen, E-Commerce oder als Software-Anbieter in Berlin behaupten will, braucht mehr als ein gutes Projekt. „Die Idee macht nur ein Prozent eines möglichen Erfolgs aus“, sagt der Schwede Henrik Berggren, der in Berlin das Portal Readmill, ein soziales Netzwerk für Leser von E-Books, aufbaut. Die restlichen 99 Prozent entfielen darauf, wie man diese Ideen umsetze.

Ganz wichtig ist für Gründer auch die Orientierung am Markt. „Es macht keinen Sinn, ein Produkt zu entwickeln, wenn es dafür keine Abnehmer gibt“, sagt Tobias Kollmann, der an der Universität Duisburg-Essen den bundesweit einzigen Lehrstuhl für E-Business und E-Entrepreneurship inne hat. Bevor man ein Produkt auf den Markt bringe, müsse man herausfinden, ob es dort eine Chance hat – und ob nicht die Konkurrenz schneller sei. „Der IT-Sektor ändert sich rasant, da arbeiten oft noch einige andere Entwicklerteams am gleichen Thema“, sagt Kollmann. Über Trends in den USA, die sich regional verwerten lassen, oder IT-Ideen, von denen man sich besser verabschieden sollte, weil sie in den USA schon am Laufen sind und über Kapitalgeber finanziert werden, kann man sich auf Plattformen wie www.techcrunch.com informieren.

Neben der guten Idee hängt der Erfolg eines Unternehmens auch vom Führungsteam ab. Nur IT-Entwickler im Management zu haben, reicht nicht aus. „Sie brauchen auch Experten für Marketing, Finanzen und betriebswirtschaftliche Abläufe, um etwa realistische Ziele im Businessplan zu formulieren“, sagt der E-Business-Experte Kollmann. Neben den unterschiedlichen fachlichen Qualifikationen kommt es darauf an, das man menschlich zusammenpasst, sich aufeinander verlassen kann und die gleichen Ziele verfolgt.

Entscheidend für den Geschäftsdurchbruch ist auch die Auswahl der Beschäftigten, sagt Gunnar Berning. Er ist Geschäftsführer von Twago, einem IT-Unternehmen, das über eine Homepage weltweit Dienstleistungen wie das Design von Webseiten, Softwareprogrammierung oder Übersetzungen vermittelt. „Wir wollen Mitarbeiter, die wie kleine Unternehmer denken“, sagt Berning.

„Wir wollen das beste Team“, so formuliert Geschäftsführer Christian Reber von 6 Wunderkinder seinen Anspruch an die Mitarbeiter. Exzellente Entwickler, Designer oder Systemadministratoren zu finden, ist in Berlin aber schwer, heißt es beim Bitkom-Verband mit Verweis auf eine eigene Studie, laut der fast jedes zweite IT-Unternehmen Fachkräftemangel als bremsenden Faktor für die Geschäftstätigkeit nennt.

„Wenn wir Mitarbeiter anwerben wollen, ist der Standort Berlin immer ein sehr großer Pluspunkt für uns“, sagt dagegen Readmill-Gründer Berggren. Das multikulturelle Flair, die Clubs und Bars, günstige Mieten und Lebenshaltung hätten Berlin in der IT-Szene einen hervorragenden Ruf beschert, der Kreative aus aller Welt anlocke. „Berlin gilt nach Silicon Valley als IT-Standort Nummer zwei in der Welt“, sagt Twago-Chef Berning.

Auch feste Kontakte zu einem auf IT- und Internet-Recht spezialisierten Anwalt sind wichtig – und das nicht nur, wenn es bei der Gründung um die Rechtsform für das Unternehmen geht.

Auch das Urheberrecht spielt für Gründer eine entscheidende Rolle. „Urheberrecht ist wichtig, weil in der IT nichts passiert, was nicht urheberrechtlich relevant ist: Immer wird etwas vervielfältigt und fast immer werden Texte, Bilder, Software oder Videos der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Dabei muss man wissen, was erlaubt ist. Denn gerichtliche Auseinandersetzungen sind teuer, können lange dauern und bergen immer die Gefahr, dass sie mit einer Abmahnung ohne Vorwarnung, gleichsam aus dem Nichts beginnen und dann sehr schnelle Reaktionen verlangen.“

Auch wer mit seinem Angebot nicht auf Firmen, sondern zum Beispiel mit dem Vertrieb von Produkten oder Dienstleistungen Verbraucher anspricht, sollte einen Anwalt kennen, rät Nikolaus Forgo, Juraprofessor am Institut für Rechtsinformatik der Universität Hannover. „Denn dann greifen verbraucherschutzrechtliche Regelungen wie Informationspflichten oder Widerspruchsbelehrungen, die sehr kompliziert sind“, sagt er. Für die Gründer heißt es also, sich das rechtliche Grundlagen-Know-how anzueignen – oder eine juristische Fachkraft ins Boot zu holen.

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