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Wirtschaft: Magdeburg von der innovativen Seite

MAGDEBURG .Es sieht aus wie ein Plastikpräsent, wie sie Tag für Tag zu Hunderttausenden den Besitzer wechseln.

MAGDEBURG .Es sieht aus wie ein Plastikpräsent, wie sie Tag für Tag zu Hunderttausenden den Besitzer wechseln.Und das ist es auch: Eines der offiziellen Besucherpräsente der Stadt Magdeburg.Aber die Nachbildung des berühmten Magdeburger Halbkugelversuches, mit dem Otto von Guericke im Jahre 1657 die Existenz des Luftdrucks nachgewiesen hat, ist aus einem ganz besonderen Stoff."Dieser Kunststoff ist auf Stärkebasis hergestellt und läßt sich vollständig kompostieren", sagt Peter Transfeld.Er ist Geschäftsführer des IGZ Narossa, dem europaweit ersten Innovations- und Gründerzentrum für nachwachsende Rohstoffe, das gerade in Magdeburg seine Pforten geöffnet hat.Nawaros sollte das Zentrum ursprüngluch heißen - wie das Kürzel, das sich für nachwachsende Rohstoffe eingebürgert hat.Doch diesen Begriff hat sich eine Fachzeitschrift bereits markenrechtlich schützen lassen.Narossa heißt das europaweit bislang einmalige Zentrum nun, und dieser Begriff steht für Nachwachsende Rohstoffe in Sachsen-Anhalt.

Wissenschaftler und Existenzgründer sollen in dem postmodernen Neubau Antworten auf viele Fragen finden.Wie macht man aus Mais die Innenverkleidung eines BMW? Wie kann aus Kartoffelstärke ein Einwegrasierer werden? Und welche Maschinen braucht man eigentlich dafür? Das sind nur einige der vielen Fragen, auf die aus dem neuen Zentrum in Magdeburg Antworten kommen sollen.

Transfeld kennt sich bei den nachwachsenden Rohstoffen aus.Denn die Geschäftsführung des IGZ Narossa besorgt der umtriebige Mann nur nebenher.Hauptamtlich ist er geschäftsführender Gesellschafter der ÖHMI Forschung und Ingenieur GmbH, einer Firma, die im Managment Buy Out aus dem einstigen Forschungs- und Entwicklungsbereich des DDR-Kominates Öl und Margarine hervorgegangen ist."Vor der Wende haben wir uns damit beschäftigt, wie man aus Raps eine gute Margarine herstellen kann", erzählt Transfeld."Das hat aber nach der Wende keinen Menschen mehr interessiert." Um wirtschaftlich zu überleben, mußten er und seine Mitarbeiter sich anderen Aufgaben zuwenden.Inzwischen sind sie im Analytik-, Forschungs- und Entwicklungsbereich weltweit tätig, aber nach wie vor auch in Magdeburg."Und wir überlegen auch, was man statt Margarine aus Raps noch herstellen kann", meint Transfeld."Wenn man Rapsöl richtig modifiziert, bekommt man einen hervorragenden Klebstoff", erzählt der Narossa-Chef."Fügt man entsprechend modifizierte Stärke hinzu, hat man einen sehr guten und ökologisch einwandfreien Kunststoff." Wenn man den mit Fasern, zum Beispiel aus Hanf, verstärken würde, erhielte man einen ausgezeichneten Verbundwerkstoff, der gleichartigen Produkten aus fossilen Rohstoffen in nichts nachstehen würde.Allerdings, so räumt auch Transfeld ein, sei es mit dem Kunststoff aus Öl und Stärke so wie mit fast allen Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen.Sie sind deutlich teurer als ihre Pendants, die auf Erdölbasis produziert werden."Das wird aber nicht auf Dauer so bleiben", betont Transfeld und bemüht sich gar nicht erst, auf die Endlichkeit der Erdölreserven zu verweisen."Das Argument kennt schließlich jeder", sagt er.Für Transfeld aber geht der Trend aus ganz anderen Gründen mittelfristig in eine andere Richtung.Bislang würde der Preis eines Produktes stets nur anhand der reinen Herstellungskosten gebildet.Das werde nicht so bleiben."Die Abfallgesetzgebung wird immer restriktiver werden", ist er sich sicher."Die Altautoverordnung ist nur der Anfang." Und wenn die Entsorgungskosten in den Preis eines Produktes einfließen, dann wird sein Öko-Kunststoff dem Erdölprodukt gegenüber plötzlich konkurrenzfähig, ist Transfeld überzeugt.

Und nicht nur er.Mit bereits acht Existenzgründern, die eine Idee, ein neues Produkt oder ein Verarbeitungsverfahren bis zur Marktreife weiterentwickeln wollen, ist sein IGZ Narossa mit seinen 1300 Quadratmetern Nutzfläche schon zur Hälfte vermietet.Und es gibt bereits genug Optionen weiterer Firmen, sagt er."Im Februar sind wir schon zu 90 Prozent belegt", freut er sich.

Die Impulse aus dem Brutkasten für High-Tech-Öko-Produkte kommen auch dem Maschinenbau der Magdeburger Region zugute."Hier werden ja nicht nur neue Produkte entwickelt", sagt Transfeld.Um Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen verarbeiten zu können, brauche man auch andere Maschinen als bisher zur Verarbeitung fossiler Kunststoffe.Auch sie würden im IGZ Narossa entwickelt.

Aber nicht nur für den Maschinenbau soll sein Haus Impulsgeber für den Strukturwandel sein."Schauen Sie in die Landwirtschaft", sagt er."Wir haben hier mit den großen Betriebsstrukturen und der hervorragenden Bodengüte beste Voraussetzungen für den Pflanzenanbau." Die würden ja auch genutzt."Aber dann kommen die Weiterverarbeiter aus anderen Bundesländern, holen den Rohstoff Pflanze in Sachsen-Anhalt ab und liefern dafür Fertigprodukte zurück", wettert Transfeld."Geld mit der Veredelung und Verarbeitung der Feldfrucht wird woanders verdient." Das soll sich ändern.Nicht zuletzt durch sein IGZ.Und für Flächen in diesem Zentrum ist die Nachfrage bereits so groß, daß Transfeld schon mit dem Gedanken an ein Narossa Zwei schwanger geht.

EBERHARD LÖBLICH

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