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Wirtschaft: Malaysia ist in Südostasien noch ein Sonderfall

Die geringe Außenverschuldung hat bislang ein Eingreifen des IWF verhindert / Doch die Regierung zeigt mangelnden ReformwillenVON VON KARL KRÄNZLE KUALA LUMPUR.Der malaysische Ministerpräsident Mohamad Mahathir erhielt diese Woche Schützenhilfe von Weltbank-Präsident James Wolfensohn.

Die geringe Außenverschuldung hat bislang ein Eingreifen des IWF verhindert / Doch die Regierung zeigt mangelnden ReformwillenVON VON KARL KRÄNZLE KUALA LUMPUR.Der malaysische Ministerpräsident Mohamad Mahathir erhielt diese Woche Schützenhilfe von Weltbank-Präsident James Wolfensohn.Malaysia sei durchaus in der Lage, die im Vergleich zu Südkorea, Thailand und Indonesien niedrigere Außenschuld zu bedienen, sagte er in Kuala Lumpur.Wenn die Asienkrise einmal durchgestanden sei, werde Malaysia zu den stärksten Volkswirtschaften in der asiatisch-pazifischen Region gehören.Mahathir selbst hat das in den vergangenen Monaten bereits mehrmals beteuert.Er habe seit dem Beginn der Krise noch keine einzige schlaflose Nacht verbracht, sagt er mit Vorliebe, wenn es darum geht, nervöse Investoren und die verunsicherte Bevölkerung zu beruhigen.Wolfensohn dürfte mit seinem Lob dasselbe bezweckt haben.Die Börse reagierte denn auch mit einem spektakulären Feuerwerk. Malaysia ist die einzige gewichtige Volkswirtschaft in Südostasien, die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) bislang keine Kredithilfe in Anspruch nehmen mußte.Das schließt nicht aus, daß auch dieses Land sich eines Tages gezwungen sehen könnte, den IWF um Hilfe zu bitten.Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gilt das zwar als unwahrscheinlich.Unter Ökonomen herrscht die Überzeugung vor, daß Malaysia mit der Krise fertig werde, ohne daß die erforderlichen Reformen vom IWF erzwungen werden müssen.Die Überzeugung ist aber nicht über alle Zweifel erhaben.Malaysia ist nach wie vor weit entfernt von einer wirklichen Beruhigung am Devisen- und Aktienmarkt.Die Investoren und große Teile der Bevölkerung glauben einfach nicht, daß das Schlimmste durchgestanden ist. Daß Malaysia in mancher Beziehung besser dasteht als seine Nachbarn, ist unbestritten.Das gilt insbesondere in Bezug auf die Außenverschuldung, die Währungsreserven und das Defizit in der Leistungsbilanz.Gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP) beträgt die Außenverschuldung 31 Prozent - in Thailand sind es 51 Prozent.Die Währungsreserven von gut 60 Mrd.Ringgit (knapp 30 Mrd.DM) reichen aus, um für dreieinhalb Monate die Importe zahlen zu können.Wünschenswert wären Reserven, die für fünf Monate ausreichen, doch sind sie nach wie vor bedeutend größer als jene in Thailand, Indonesien und Südkorea. Als akzeptabel gilt auch das Leistungsbilanzdefizit, das dank der kräftig anziehenden Exporte in diesem Jahr voraussichtlich auf unter ein Prozent des BIP sinken wird.Darüber hinaus ist es seit der Rezession in den 80er Jahren zu einer teilweisen Sanierung der Staatsfinanzen gekommen.Stabiler als in Thailand, Indonesien und Südkorea ist auch das Bankensystem; just da drohen nun aber die größten Gefahren, und zwar aus dem einfachen Grund, daß die Deflation am Immobilienmarkt, die in Thailand bereits vor einem Jahr begonnen hat, nun auch in Malaysia spürbar wird. Da die Fundamentaldaten in einem so positiven Kontrast zu den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen der am Tropf des IWF hängenden Nachbarn stehen, leuchtet es auf den ersten Blick nicht ein, daß auch der Ringgit und die Börse - nach Tokio und Hongkong die drittgrößte in Asien - nun einen Schwächeanfall nach dem andern erleiden.Eine Erklärung liegt darin, daß Malaysia in einem direkten Wettbewerbsverhältnis zu Thailand steht.Beide Länder exportieren im großen und ganzen dieselben Güter.Nachdem der Thai-Baht über 50 Prozent seines Außenwerts verlor, verstärkte das gezwungenermaßen den Druck auf die malaiische Währung. Die Hauptursache der Währungskrise und Börsenschwäche in Malaysia liegt jedoch in der hartnäckigen, an Starrsinn grenzenden Weigerung, die Probleme anzuerkennen.Die Regierung war nicht willens, auf die Bremse zu treten, die stark überhitzte Konjunktur abzukühlen und das Wachstumstempo zu verlangsamen.Die Wirtschaft im allgemeinen und der Immobilienbereich im besonderen wurden weiterhin üppig mit Krediten versorgt.Zwischen Juni 1995 und Ende Dezember 1997 wuchs die Geldmenge im Schnitt 25 Prozent pro Jahr.Erst im Dezember hat Finanzminister und Vizepremier Ibrahim den geldpolitischen Kurs endlich korrigiert - zu spät und auch nicht mit der gebotenen Härte.Die Zinsen sind immer noch zu tief, und daher kommt es zu keiner Erholung des Ringgit. In Indonesien, Thailand und Südkorea sind die in Dollar verschuldeten Unternehmen gezwungen, die Rupiah, den Baht und den Won gegen die US-Valuta zu wechseln, um die Schulden tilgen zu können, weshalb die betreffenden Währungen unter fortgesetztem Abgabedruck stehen.In Malaysia ist das weniger der Fall, da die Außenverschuldung geringer ist.Auslöser des fortgesetzten Kapitalabflusses war die allzu üppige Kreditversorgung.Seit dem Jahreswechsel hat die Vertrauenskrise erstmals auf breitere Bevölkerungsschichen übergegriffen. Mahathir sagt, er bete zu Gott, das Land nicht dem IWF ausliefern zu müssen, und er erläßt Appelle, die einer patriotischen Mobilmachung gleichkommen.Der Patriotismus hat jedoch seine Grenzen.Ein Sprecher der Regierungspartei Umno gab dieser Tage unumwunden zu, Millionen von Ringgit würden jeden Tag von Sparkonten bei malaysischen Banken abgehoben und in Fremdwährung bei ausländischen Instituten angelegt.Darauf warnte er: "Dieser Mangel an Vertrauen behindert die Revitalisierung der Wirtschaft." Ökonomen schätzen bereits, daß die Fremdwährungseinlagen in den letzten Wochen auf 20 Mrd.Ringgit angeschwollen sind.

KARL KRÄNZLE

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