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Wirtschaft: „Man kann Unternehmen auch totsparen“

Burkhard Schwenker, Chef der Beratungsfirma Roland Berger, über ineffiziente Verwaltung, neues Wachstum und die Arroganz von Beratern

Herr Schwenker, warum sitzt der neue Chef der Unternehmensberatung Roland Berger in Hamburg und nicht in der Münchener Zentrale?

Warum sollte er? Wir sind ein internationales Unternehmen: Ob mein Büro in Hamburg, München, London oder Paris liegt, ist für unser Geschäft kaum von Bedeutung. Wichtig ist: Ständig unterwegs zu sein, um sich mit Klienten und Mitarbeitern auszutauschen.

Vielleicht ist es auch besser, wenn der neue Mann an der Spitze nicht direkt unter den Augen der grauen Eminenz Roland Berger arbeitet?

Die graue Eminenz, wie Sie sagen, ist mindestens genau so viel unterwegs wie ich. Selbst in München, wo ich übrigens seit vier Jahren ein Büro habe, würden wir uns eher zufällig begegnen.

Firmengründer Berger gibt dem Unternehmen nicht nur seinen Namen, er hat es auch über Jahrzehnte geprägt. Sie treten ein schweres Erbe an.

Kein Erbe, sondern eine Verpflichtung – nämlich die Verpflichtung, die Firma erfolgreich weiterzuführen. Im Übrigen haben wir diesen Wechsel seit fünf Jahren vorbereitet. Eine Aufgabenteilung im operativen Geschäft haben wir seitdem also erprobt.

Sie haben aber besondere Verabredungen mit Roland Berger getroffen, um sich nicht in die Quere zu kommen?

Pflichten und Rechte von Aufsichtsrat und Management sind bei uns klar geregelt. Die Arbeitsteilung zwischen mir als Sprecher der Geschäftsführung und Roland Berger als Aufsichtsratsvorsitzendem funktioniert: Wir verfolgen die gleichen strategischen Ziele im Beratungsgeschäft und teilen die Sicht, wie man ein global tätiges Unternehmen mit 1700 Mitarbeitern führt. Zusätzlicher Absprachen bedarf es also nicht.

Sind Köpfe im Beratungsgeschäft wichtig?

Für die Öffentlichkeit spielen Persönlichkeiten eine Rolle, denn für viele Menschen ist unser Geschäft sehr abstrakt. Personifizierung ist hier also von Bedeutung. Für unsere Klienten stellt sich die Frage ohnehin nicht. Sie arbeiten nicht mit einer anonymen Beratungstruppe von Roland Berger, sondern mit einem Team, das sie meist seit Jahren kennen.

Roland Berger war immer ein politischer Ratgeber. Wollen Sie in seine Fußstapfen treten?

Herr Berger ist ein exzellenter Politikberater. Das wird er sicher auch in Zukunft sein. Warum sollte ich gerade auf diesem Gebiet in Konkurrenz treten? Es gibt genug andere Möglichkeiten, um sich zu profilieren.

Zum Beispiel?

Beispielsweise mit der erfolgreichen Weiterentwicklung unserer Firma, neuen Beratungsthemen, aber auch neuen Modellen und innovativen Lösungsansätzen für unsere Kunden.

Steigt Roland Berger aus der Politikberatung aus?

Natürlich nicht, wir beraten öffentliche Verwaltungen und Institutionen schon seit Jahren. Zurzeit wird viel über die Rolle des Staates diskutiert, über Steuern, Subventionsabbau und weniger Bürokratie. Im Kern geht es darum, sich zu einem fairen Wettbewerb zu bekennen. Grundsätzlich stellt sich doch die Frage, welche Leistungen der Staat selbst erbringen muss und welche er Privaten übertragen kann. Die Effizienz der Verwaltung ließe sich nach unseren Erfahrungen deutlich steigern.

Was hätten wir davon?

Wenn alle Möglichkeiten konsequent ausgeschöpft würden, könnte die öffentliche Verwaltung zur Hälfte privatisiert werden, ohne ihre hoheitlichen Aufgaben zu vernachlässigen. Damit ließen sich 15 bis 20 Prozent der Kosten sparen. Eine Modernisierung der Verwaltung hätte jedoch noch einen weiteren Vorteil. Staatliche Dienstleistung würde effizienter und effektiver und damit die gesamte Volkswirtschaft wettbewerbsfähiger.

Schwimmbäder, Abfallbeseitigung oder Verkehrsbetriebe werden doch schon privatisiert.

Aber es bieten sich noch ganz andere Möglichkeiten. Private Unternehmen erzielen beispielsweise auch durch die Vergabe administrativer Dienstleistungen, wie zum Beispiel der Gehaltsabrechnung, Bauleistungen, Gebäudemanagement, Kostenvorteile von teilweise mehr als 20 Prozent. Warum sollte das im öffentlichen Dienst nicht ebenfalls funktionieren?

Der Staat sollte also privatisieren, was das Zeug hält?

Es geht nicht nur um Privatisierung, sondern vor allem um die Frage, wer die Aufgaben durchführt, auch unter der Verantwortung des Staates. Wenn ein Teil der öffentlichen Dienstleistungen an Private abgegeben wird, entsteht zusätzlicher Wettbewerb und der Druck auf staatliche Stellen, effizienter zu arbeiten, steigt. Wenn die öffentliche Verwaltung in Konkurrenz zur Privatwirtschaft treten würde, könnte dies ganz erheblich zur Lösung der heutigen Finanzprobleme beitragen.

Sind Berater schlauer als Manager?

Nein, die Anforderungen sind unterschiedlich. Vorstände stehen im Tagesgeschäft, kennen alle Details ihrer Branche. Berater bringen Erfahrungen aus anderen Geschäften mit und den Blick von außen, mit dem sich Probleme oft leichter strukturieren lassen.

Das Image der Unternehmensberater ist oft nicht gut. Sie gelten als Besserwisser in blauen Nadelstreifen.

Ein überholtes Klischee, das vielleicht früher gestimmt haben mag. Beraterteams gingen in die Firmen, machten ein paar Interviews, verschwanden wieder und legten irgendwann ein Konzept vor. Diese Form von Beratung existiert nicht mehr: Heute arbeiten die Teams eng mit den Klienten zusammen. Berater müssen nicht nur umfassendes Fachwissen, sondern auch soziale Kompetenz mitbringen. Niemand kann sich Arroganz leisten. Bei dem einen oder anderen Juniorberater, der gerade mit Bestnoten von den Hochschulen kommt und ein hartes Auswahlverfahren bestanden hat, mögen solche Tendenzen bestehen. Aber das lässt sich in persönlichen Gesprächen schnell klären.

Welcher Trend ist gerade „in“ bei den deutschen Unternehmen?

Es gibt keine eindeutigen Modewellen, wie beispielsweise breite Diversifizierung oder Konzentration auf Kerngeschäfte. Über Strategiefragen entscheidet jedes Unternehmen heute individuell. Einen Trend habe ich aber festgestellt: Die Unternehmen suchen wieder Konzepte für neues Wachstum ...

... nachdem sie lange Zeit nur Jobs gestrichen haben.

Die Welle der Kapazitätsanpassung und Restrukturierung liegt weitgehend hinter uns. Allen ist klar, dass Kostensenkung seine Grenzen hat.

Und diese Grenzen sind jetzt erreicht?

Man kann Unternehmen auch totsparen. Aber eine gute Restrukturierung bietet immer auch Perspektiven für neues Wachstum.

Der nächste Aufschwung findet ohne Ältere statt. Sechzig Prozent der deutschen Firmen beschäftigen niemanden, der älter als 50 ist.

Die Bestimmungen zum Kündigungsschutz führen leider oft zu solchen Ergebnissen. Den Unternehmen bleibt häufig keine andere Wahl, als sich von fähigen und erfahrenen Mitarbeitern zu trennen.

Haben die Unternehmen denn keine gesellschaftliche Verantwortung?

Doch – und die meisten Manager sind sich dessen bewusst. Aber das heißt auch: Nur wettbewerbsfähige Unternehmen führen zu einer wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft. Je besser unsere Unternehmen im internationalen Vergleich abschneiden, desto mehr können sie in Arbeitsplätze und in Forschung und Entwicklung in Deutschland investieren. Damit steigt das Steueraufkommen und sinkt die Arbeitslosigkeit. Eine funktionierende und wachsende Wirtschaft ist Voraussetzung zur Lösung unserer Arbeitsmarkt und finanzpolitischen Probleme.

Das gilt auch dann, wenn die Unternehmen in wachsendem Ausmaß komplette Bereiche ins Ausland verlagern?

Kein Unternehmen entscheidet leichtfertig darüber, Standorte zu verlagern. Es geht immer darum, sich im weltweiten Wettbewerb behaupten zu können. So müssen manchmal betriebswirtschaftliche Entscheidungen zum Nachteil des Standortes Deutschland getroffen werden, denn in globalen Geschäften entscheiden globale Kostenvorteile. Ich sehe vielmehr die Politik gefordert. Sie muss die richtigen Rahmenbedingungen in Deutschland setzen und alles tun, um die Unternehmen im Land zu halten – und ausländische Investoren anzuziehen.

Das Gespräch führte Dieter Fockenbrock .

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