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Wirtschaft: Manager in Handschellen

Einen 78-Jährigen, der sich freiwillig der Polizei stellt, morgens um sechs Uhr in seinem Haus in Handschellen zu legen, ist wohl etwas übertrieben. Doch die Festnahmen von John Rigas, ehemals Chef der US-Kabelnetzfirma Adelphia, seiner zwei Söhne und zweier weiterer Manager waren ein öffentlichkeitswirksames Schauspiel.

Einen 78-Jährigen, der sich freiwillig der Polizei stellt, morgens um sechs Uhr in seinem Haus in Handschellen zu legen, ist wohl etwas übertrieben. Doch die Festnahmen von John Rigas, ehemals Chef der US-Kabelnetzfirma Adelphia, seiner zwei Söhne und zweier weiterer Manager waren ein öffentlichkeitswirksames Schauspiel. Endlich, nach Monaten skandalöser Enthüllungen und politischer Rhetorik, macht die Regierung ihre Arbeit und zieht die verantwortlichen Personen zur Rechenschaft. Der Anblick einstmals mächtiger Männer, denen Polizisten die Krawatten, Gürtel und Schnürsenkel abnehmen, stellt eine stärkere Abschreckung gegen betrügerische Machenschaften dar als alles, was jetzt im US-Kongress beschlossen wurde. Die meisten Wirtschaftsführer freilich sind keine Gauner, und sie verstehen, dass freie Märkte und Eigentumsrechte ohne Gesetze nicht funktionieren. Und ehrliche Geschäftsleute wollen, dass Betrüger bestraft werden. Denn sie wissen, dass auch der Markt nur auf Vertrauen aufbaut. Diese kapitalistische Wahrheit ging zuletzt in verallgemeinernden Anschuldigungen unter. Nun ist Adelphia nicht mit Enron vergleichbar. Der Anklageschrift zufolge hat die Rigas-Familie das Unternehmen „massiv ausgeplündert und als persönliches Sparschwein missbraucht". Doch hatten die Manager, die nicht zur Rigas-Familie gehörten, laut Anklage davon keine Kenntnis. Es geht also im Fall Adelphia nicht um unternehmensweiten Betrug, sondern um kriminelle Handlungen einer Familie. Falsch ist daher auch die Entscheidung der US-Börsenaufsicht, eine zivilrechtliche Bestrafung von Adelphia anzustreben. Denn die nicht in den Skandal verwickelten Angestellten haben – wie die Aktionäre – nichts Böses getan. Das Gleiche gilt für Worldcom, den gestrauchelten Telekommunikationskonzern, dem angeblich eine Anklage durch das US-Justizministerium bevorsteht. Wenn einzelne Manager betrügen, müssen sie angeklagt werden. Doch wenn das gesamte Unternehmen vor Gericht gestellt wird, trifft man nicht die Schuldigen. Man bestraft vielmehr die Angestellten, die sich um eine Fortführung des Geschäftes bemühen, die um ihre Kredite bangenden Gläubiger und im Fall Worldcom auch die Millionen Kunden, die sich nach einem neuen Dienstleister umsehen müssen.

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