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Wirtschaft: Mannesmann war der ungeschlagene Spitzenreiter im November - Das deutsche Börsenbarometer notiert so hoch wie seit 16 Monaten nicht mehr

Ohne Zweifel wird das Geschäft mit Aktien und Renten immer hektischer. An modernen Computerbörsen ist mittlerweile der Handel fast rund um die Uhr möglich.

Ohne Zweifel wird das Geschäft mit Aktien und Renten immer hektischer. An modernen Computerbörsen ist mittlerweile der Handel fast rund um die Uhr möglich. Dennoch gibt es auch in solchen Umbruchphasen bei den Börsianern Traditionen, an denen sie festhalten. Dazu gehört zum Beispiel, dass es Händler und Makler in der Vorweihnachtszeit nach Möglichkeit etwas ruhiger angehen lassen und den Blick auf das Jahresende richten.

Vor dem anstehenden Bilanzstichtag und der damit verbundenen Inventur will jeder seine Handelsbestände auf ein Minimum zurückfahren. Und die befürchteten Computerprobleme zum Jahreswechsel sind für viele ein zusätzliches Argument, ihre Bücher möglichst früh zu schließen und eine vorläufige Bilanz zu ziehen.

Was die Entwicklung des Deutschen Aktienindex Dax angeht, kann sich die bislang durchaus sehen lassen. Wenn nicht noch etwas unvorhergesehenes passiert, wird am Jahresende locker ein zweistelliges Prozentplus herausspringen, das auf höchst traditionelle Weise zustande gekommen ist: Auf einen guten Start und ein freundliches Frühjahr folgten schwache Sommermonate, was vor allem diejenigen Anleger bestätigt hat, die ihr Depot nach dem Motto "Sell in may an go away" managen.

Der Herbst war bekanntlich unruhig und es folgt ein aller Voraussicht nach versöhnlicher Jahresabschluss. Der November zumindest hat dafür eine solide Vorlage geliefert. Bei rund 5900 Punkten notierte das deutsche Börsenbarometer am letzten Dienstag - das entspricht einem stolzen Monatsplus von rund sieben Prozent. Zeitweise lag der Index in den Tagen zuvor schon über der magischen 6000erMarke. Doch neben Tradition hat bei Börsianern auch Psychologie ihren Platz: Viele Anleger nutzen die vermeintlich günstige Gelegenheit und machten Kasse. Verteidigen konnte der Dax deshalb seinen neuen Kursgipfel nicht. Dennoch darf man nicht übersehen: Er notiert so hoch wie seit 16 Monaten nicht mehr.

Sollten die Prognosen vieler Banken und Investmenthäuser zutreffen, dass im Januar die Liquidität, die in diesen Tagen vom Markt abgezogen wird, wieder zurückkehrt, wird der Dax wohl die 6000er Marke endgültig knacken. Dann dürften sogar die alten Rekordstände von rund 6300 Punkte wackeln. Das wird er allerdings wohl nur dann schaffen, wenn die 30 im Dax enthaltenen Titel etwas stärker als bisher an einem Strang ziehen. "Die Hausse bei den Technologie- und Telekommunikationstiteln überzeichnet die Indexentwicklung", rückt Achim Matzke, Analyst bei der Commerzbank, die Verhältnisse im Dax etwas zurecht. "Der Gesamtmarkt ist dem Anstieg nicht in dem Maße gefolgt." Auch die Analysten der Berenberg Bank mahnen in ihrer Marktbetrachtung: "Will der Dax noch in diesem Jahr unser Kursziel von 6100 Punkten erreichen, müsste der Kursauftrieb auf eine breitere Basis gestellt werden." In der Tat weisen die Einzelergebnisse der Dax-Mitglieder im November extreme Unterschiede auf.

Top-Performer waren - wie nicht anders zu erwarten - die Aktien von Mannesmann. Im Zuge der erwarteten Übernahmeofferte des britischen Konkurrenten Vodafone Airtouch legte das Papier des Düsseldorfer Konzerns satte 44 Prozent zu. Ob damit das Ende der Fahnenstange erreicht ist, bleibt fraglich, denn solange Vodafone noch kein offizielles Angebot auf den Tisch gelegt hat, sind Spekulationen Tür und Tor geöffnet. Für die Experten von ABN Amro zum Beispiel ebnet die Unterstützung der Mannesmann-Großaktionäre den Weg für weitere Kurssteigerungen. Schließlich scheinen sie von einem höheren Wert "ihres" Unternehmens überzeugt.

Neben der Spekulation um die Mannesmann-Aktien beherrschte den Börsenmonat November ein zweites Thema: Die Finanzkrise bei Holzmann. Angesichts der drohenden Pleite des Baukonzerns stürzte der Aktienkurs zunächst ins Bodenlose. Dann intervenierte Bundeskanzler Schröder und im Jubelrausch der Rettung stieg der Kurs genauso raketenhaft von zwölf Euro auf über 72 Euro. Keine schlechte Rendite für zwei Tage - aber eine hochriskante, denn es hätte nicht viel gefehlt und der Holzmann-Vorstand hätte den Gang zum Konkursrichter antreten müssen. Analysten halten sich derzeit mit Einschätzungen zurück. "Da kann man nur falsch liegen", heißt es hinter vorgehaltener Hand. Ohnehin gehört Holzmann als MDax-Wert zu den Aktien aus der "zweiten Reihe", von denen nur ausgesuchte Werte auf der Beobachtungsliste der Experten stehen.

Im Windschatten von Mannesmann konnten sich auch die Anteile der Deutschen Telekom mit einem Zuwachs von über 31 Prozent überraschend gut in Szene setzen. Die zu Anfang dieser Woche vorgelegten Neun-Monats-Zahlen lagen zwar im Rahmen der allgemeinen Erwartungen. Doch gerade das stimmt die meisten Analysten optimistisch. James Golob von Goldman Sachs zum Beispiel wertet das als Zeichen dafür, dass der Vorstand "alles unter Kontrolle hat". Er billigt dem Wert ebenso wie seine Kollegen von Morgan Stanley Dean Witter und Credit Suisse First Boston weiterhin ein überdurchschnittliches Kurspotenzial zu.

Auf den Plätzen im November folgen Fresenius Medical Care (plus 24,3 Prozent), die von der Einigung mit den US-Kartellbehörden profitierten, und Siemens. Der Kurszuwachs von 17 Prozent beim Münchner Elektroriesen nimmt sich zwar vergleichsweise bescheiden aus. Entscheidend dabei ist allerdings die langfristige Aufwärtsentwicklung. Siemens ist in diesem Jahr eines der besten Investments an der deutschen Börse überhaupt. Seit Jahresanfang hat sich der Wert der Aktie fast verdoppelt. Kein Wunder, denn der von Siemens-Chef Heinrich von Pierer eingeschlagene Kurs zahlt sich nun auch in Mark und Pfennig aus. Nach dem katastrophalen Ergebnis im letzten Jahr erzielte Siemens im Geschäftsjahr 1998/99 einen neuen Rekordgewinn. Das Papier wird deshalb wohl auch in den nächsten Monaten zu den Favoriten der Anleger gehören.

Davon sind die Automobiltitel derzeit weit entfernt. Im November ist das Trio Daimler, BMW und VW komplett unter die Räder gekommen. Am härtesten erwischt hat es dabei VW mit einem Minus von 17 Prozent. Nach den neuesten Verkaufsstatistiken wird immer klarer, dass die Autokonjunktur etwa an Schwung verliert. Viele Analysten revidieren deshalb ihre Gewinnschätzungen für das nächste Jahr.

"Bei Volkswagen rechne ich im Geschäftsjahr 2000 nur noch mit vier Euro," sagt etwa Hans Schollbach, Analyst beim Bankhaus Sal. Oppenheim. Zuvor war er noch von 5,50 Euro ausgegangen. Schlechter als Volkswagen schnitt im November nur Karstadt ab. Nachdem das Unternehmen bekanntgegeben hatte, seine ehrgeizigen Ergebnisziele nicht erreichen zu können, wurde es an der Börse fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Das wiederum ist ein Bruch mit Börsentraditionen. Denn in der Vorweihnachtszeit sind Einzelhandelsaktien traditionell immer Renner.

Peter Hein

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