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EZB-Präsident Mario Draghi hat nichts gegen einen schwachen Euro..

© Boris Roessler/dpa

Mario Draghi verteilt Geschenke: Was der Anleihekauf der EZB für Anleger bedeutet

Die Europäische Zentralbank pumpt seit dieser Woche über Anleihekäufe Milliarden in den Markt. Wie Anleger, Sparer und Kreditnehmer davon profitieren.

Seit Montag regnet es Geld an den Finanzmärkten: Die Europäische Zentralbank (EZB) und die angeschlossenen nationalen Notenbanken drucken nun jeden Monat 60 Milliarden Euro frisches Geld und kaufen damit Banken und anderen professionellen Investoren Staatsanleihen der Euro-Zone, Schuldpapiere öffentlicher Institutionen, verbriefte Kredite und Pfandbriefe ab. Bis September 2016 werden die Notenbanken etwa 1,14 Billionen Euro ausgeben. Das Ziel: Die Banken sollen das freie Geld als Kredite an Verbraucher und Unternehmer ausreichen oder auch Aktien kaufen. Damit sollen Investitionen angekurbelt und neue Jobs geschaffen werden. Gleichzeitig will die EZB mit ihrem Kaufprogramm eine Deflation verhindern. Was bedeutet der Geldregen aus dem Frankfurter Euro-Tower nun für Anleger, Sparer oder Immobilienkäufer?

ANLEIHEN

Anleger konnten schon vor dem Start beobachten, wie sich die Käufe von Anleihen auswirken: Die ohnehin niedrigen Renditen purzeln auf breiter Front weiter. Denn bei hoher Nachfrage steigen die Kurse der Anleihen, während die Zinskupons fest bleiben.

Gerade mal 0,23 Prozent warfen etwa deutsche zehnjährige Bundesanleihen am Mittwoch noch ab, kurzfristig waren sie sogar unter 0,2 Prozent gefallen. Vor einem Jahr waren es noch 1,6 Prozent. Für Anleihen bis zu sieben Jahren müssen Anleger zuzahlen: Die Renditen liegen bei minus 0,04 Prozent, zweijährige Bundesanleihen werfen sogar nur minus 0,23 Prozent ab. Insgesamt rentieren aktuell etwa 80 der 346 Anleihen im Bloomberg Eurozone Sovereign Bond Index, der Staatsanleihen aus der ganzen Euro-Zone widerspiegelt, im Minus. In Frankreich werfen bereits knapp 60 Prozent aller Staatsanleihen nur noch negative Renditen ab.

Die EZB kauft im großen Stil Anleihen.
Die EZB kauft im großen Stil Anleihen.

© dpa

Die meisten Marktbeobachter und Volkswirte glauben: Das Tief ist hier längst nicht erreicht. „Die EZB hat das Preisziel vorgegeben“, sagt der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier. Sie wolle Anleihen kaufen mit Laufzeiten zwischen zwei und 30 Jahren und einer Rendite, die nicht unter minus 0,2 Prozent liege. Damit ist laut Bielmeier für Profi-Investoren klar: „Die Renditen werden auf breiter Front rasch in diese Richtung sinken, während die Kurse weiter steigen.“ Die größten Chancen sieht Bielmeier in portugiesischen Anleihen, die „von dem EZB-Paket wohl am stärkten profitieren werden“.

Weitere Kursgewinne seien jedoch bei allen Staatsanleihen wahrscheinlich. Auch die BNP Paribas sieht die Kurse „noch nicht ausgereizt“, weil die EZB wohl aggressive Preise bieten müsse, um überhaupt an Anleihen zu kommen. Viele Banken und Versicherungen – sie halten gegenwärtig zusammen etwa 46 Prozent der ausstehenden Staatsanleihen im Umfang von 6200 Milliarden Euro – wollten jedoch überhaupt nicht an die EZB verkaufen, weil sie noch ältere Anleihen mit etwas höheren Kupons hielten und selbst ausgereichte Kredite niedrige Renditen böten, so Bielmeier. Die BNP sieht deshalb auch ein Risiko, dass die Geldschwemme der EZB nicht die erwünschte Wirkung haben könnte. In den USA hat das Kaufprogramm der Notenbank, das von 2008 bis 2014 lief und 4000 Milliarden Dollar in die Märkte spülte, die Renditen zunächst explodieren lassen, von 2,2 auf 3,8 Prozent für zehnjährige Staatspapiere.

AKTIEN

Sinken die Renditen der Anleihemärkte weiter, werden Investoren mit frischen Geldern zunehmend ausweichen müssen, um überhaupt Geld zu verdienen. Der Dax hat dies bereits seit Wochen vorweggenommen: Binnen drei Monaten legte der Deutsche Aktienindex mehr als 17 Prozent zu und markiert laufend neue Allzeithochs. Die meisten Analysten glauben, dass sich dieses Szenario zunächst fortsetzen könnte. Denn während in Europa Milliarden in die Finanzkreisläufe geschüttet werden, stehen die USA vor einer Zinswende. Dies würde den Zinsvorteil des Dollar weiter stärken und Geld in US-Staatsanleihen („Treasuries“) locken, die US-Unternehmen jedoch etwas bremsen, zumal sie ohnehin bereits unter der Stärke des Dollars leiden.

An der Börse in Frankfurt erleben die Händler immer neue Rekorde.
An der Börse in Frankfurt erleben die Händler immer neue Rekorde.

© dpa

Für den Euro bedeutet das umgekehrt: der Absturz könnte weitergehen. In den vergangenen zwölf Monaten hat die europäische Währung gegenüber dem Dollar bereits 23 Prozent an Wert verloren, notiert nach etwa 1,38 Dollar vor einem Jahr inzwischen bei 1,06 Dollar. Die Geldschwemme der EZB könnte den Trend weiter verstärken, sodass viele Analysten in Kürze eine Euro-Dollar-Relation von eins zu eins, die „Parität“, kommen sehen.

Vor allem im Euro-Stoxx 50 beziehungsweise den Aktienmärkten der schwächeren Länder sehen die Auguren die größten Chancen. Der Dax ist laut DZ Banker Bielmeier indes bereits „mitten in einer Blase“. Im historischen Vergleich seien die Bewertungen derzeit schon sehr hoch. Dennoch könnten die Gewinne weiterlaufen, weil Alternativen fehlten.

KREDITE UND IMMOBILIEN

Auch Kreditnehmer und Immobilienkäufer können vorerst weiter mit sehr guten Konditionen rechnen. Wer für eine Immobilie eine Hypothek mit zehn Jahren Laufzeit sucht, erhält das Geld bei guter Bonität für 1,1 bis 1,5 Prozent Zinsen. Auch Laufzeiten von 20 Jahren bieten manche Banken und Vermittler bereits unter zwei Prozent an. Da die Sätze von Hypotheken an den langfristigen Zinssätzen von Anleihen hängen, spricht dank des Kaufprogramms der EZB derzeit wenig dafür, dass die Sätze bald wieder drehen. Robert Halver, Kapitalmarktstratege der Baader Bank, glaubt, dass die Sätze sogar weiter fallen könnten. An negative Zinsen für Baugeld, also eine Art Geschenk fürs Bauen und Kaufen, wie sie in Dänemark vereinzelt schon geboten werden, glaubt Halver jedoch nicht.

Wenig Freude werden hingegen Sparer haben, die nur auf Festgelder, Tagesgelder oder Sparbriefe setzen. Denn vorerst besteht kaum Aussicht auf ein Ende des Zinstals. Allerdings bietet immer noch eine ganze Reihe von Banken neuen Kunden Sätze von mehr als einem Prozent für Festgelder oder auch für Tagesgelder. Experten raten davon ab, das Ersparte zu lange in zu niedrigen Zinssätzen zu binden.

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