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Wirtschaft: Massenauflauf im Netz

Hochschulen bieten auf Internet-Plattformen Gratis-Kurse an, für die man nicht in den Hörsaal muss. Zu diesen „Massive Open Online Courses“ gehören Videovorlesungen, Übungen, Diskussionen, Selbsttests, Animationen und Foren.

Der Vorlesungssaal ist bis auf den letzten Platz belegt. Die Seminare finden zu den unpassendsten Zeiten statt. Hohe Gebühren fallen für die Kurse an. Lernwillige, für die ein Studium deshalb bisher kein Thema war, sollen jetzt mit virtuellen Massenkursen, sogenannte „MOOCs“ (Englisch für „Massive Open Online Courses“) an die Universitäten gelockt werden.

Die Idee zu den „MOOCs“ kommt aus den USA. Elite-Universitäten wie Harvard oder Berkley haben sich mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) zusammengetan und lehren gemeinsam auf der Internet-Plattform „edX“. Auch asiatische und australische Hochschulen sind dabei. Die renommierten US-Lehranstalten loben den Trend als „Zukunft des Online-Lernens“ und läuten gar die digitale Bildungsrevolution ein.

In Deutschland nahm das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam vor rund einem Jahr diesen Trend auf – mit der Plattform OpenHPI. Mehr als 50 000 Online-Lerner aus der ganzen Welt loggen sich regelmäßig für die sechswöchigen Gratis-Kurse dort ein. Studiert wird in englischer oder deutscher Sprache. Bei deutschsprachigen Angeboten greifen die Teilnehmer zu fast 90 Prozent von Deutschland aus auf die Plattform zu. Bei den englischen Angeboten kommen die Studenten aus den USA, Russland, Großbritannien oder Spanien.

Einige der Kurse richten sich an ein breites Publikum. Darin geht es um Grundlagen der Informationstechnologie – etwa die Funktionsweise des Internets, den Aufbau und die Verwendung von Datenbanken oder Sicherheit in der Informationstechnologie. Sowohl in der realen als in der virtuellen Welt ist das Studium am Hasso-Plattner-Institut aber hauptsächlich etwas für Spezialisten. Es geht um neueste Webtechnologien, um Datenbanken, um die technische Funktionsweise des Internets. Die Potsdamer Schmiede gilt als Pionier beim E-Learning. Online gibt es Vorlesungen, Übungen, Diskussionen im Forum, Selbsttests, Videos und Animationen.

Im ersten MOOC-Kurs, der im September 2012 startete, ging es auf Englisch um „In-Memory Data Management“. Instutsstifter Hasso Plattner leitete ihn persönlich. Darin geht es um die Anwendung neuester Hard- und Software. Insgesamt meldeten sich mehr als 1300 Lernende für den Kurs an, rund 2000 schafften es, das entsprechende Zertifikat zu erwerben. Zurzeit wird der Kurs erneut angeboten.

In jeder Kurswoche müssen die Teilnehmer eine Übungsaufgabe lösen, die benotet wird. Am Ende der Kurse steht jeweils eine Abschlussprüfung. Für beides müssen sich die Kursteilnehmer im System mit Namen und Passwort einloggen. Wer bei den Hausarbeiten und der Abschlussprüfung mehr als 50 Prozent der Höchstpunktezahl erreicht, erhält am Ende ein Zertifikat. Wer das nicht schafft, aber auf die Hälfte der Kursunterlagen zugegriffen hat, bekommt immerhin noch eine Teilnahmebestätigung.

Der typische Nutzer der offenen kostenlosen IT-Kurse ist zwischen 30 und 40 Jahre alt, männlich und arbeitet seit mehr als zehn Jahren in einem technischen Beruf. Der älteste registrierte Nutzer bisher ist 80 Jahre alt, die jüngste Teilnehmerin 16 Jahre alt. Am besten ausgelastet ist die Plattform abends. Beliebtester Tag ist der Montag. Im Durchschnitt bleiben die Studenten eine halbe Stunde eingeloggt.

„MOOCs sind ein Beitrag zum komfortablen lebenslangen Lernen von Berufstätigen“, sagt Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts. Meinel sieht das Angebot auch als Chance für ältere Arbeitnehmer, sich weiterzubilden. In der Altersgruppe 40 Jahre und älter, gibt es nicht nur die meisten „aktiven Teilnehmer“, sondern auch die Zahl der Zertifikatsabsolventen ist dort besonders hoch. Als „aktive Nutzer“ gelten bei openHPI die eingeschriebenen Teilnehmer, die Hausaufgaben abgeben und sich an Diskussionen im Forum beteiligen. Die Abbrecherquote ist zudem gering. Wer nach der ersten von sechs Lernwochen die Hausaufgaben einreicht, zieht den Kurs zu 75 Prozent bis zum Schluss durch. Wer einen Kurs verpasst hat, findet alle Vorlesungen im Archiv wieder.

Fast 3000 Diskussionsbeiträge pro Kurs registrieren die Professoren der Online-Angebote. „Sie sind das Herzstück und machen unsere Kurse zum Lern-Erlebnis“, sagt Institutsdirektor Meinel. Künftig will er den Studierenden mehr spielerische Elemente anbieten, um den Lernstoff besser zu verstehen. Vor allem wollen sie die Motivation der Studenten erhöhen. Die Macher planen Bewertungen für die Forumsbeiträge oder Auszeichnungen für besonders starke Beteiligung bei den Diskussionen. Denn bei aller Flexibilität fehlt bei den Online-Kursen für die Masse der Druck der Mitstudenten. Letztlich bewegt sich jeder doch allein im virtuellen Raum. (Mitarbeit: dma)

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