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Wirtschaft: Mauern statt Markt

Politiker pflegen einen neuen Protektionismus

So richtig aus der Mode war er nie, schon gar nicht in Paris. Aber auch in Rom zeigt man ihn gern, in Washington ohnehin, in Madrid ist man stolz auf ihn, selbst im kleinen Luxemburg trägt man ihn ohne Scheu: Protektionismus ist wieder en vogue.

Die neue Welle von Fusionen und Übernahmen lässt Manager von mehr Einfluss träumen – und Politiker um ihre Macht fürchten. Schon warnen Ökonomen vor den Schäden der neuen Abschottung. Anlässe haben sie reichlich: Frankreich fädelte die Fusion seiner Energieversorger Gaz de France und Suez ein, als letzterer ins Visier der italienischen Enel geraten war. Italien selbst tüftelt an einem Gesetz, das den Aufkauf heimischer Firmen durch Ausländer erschweren soll. Die USA verhinderten den Einstieg eines arabischen Investors bei amerikanischen Hafenbetreibern und zuvor den Kauf der Ölfirma Unocal durch Chinesen. Spanien sucht nach Wegen, die heimische Endesa vor dem Zugriff der deutschen Eon zu bewahren. Und als bekannt wurde, dass der indische Stahlkonzern Mittal nach der luxemburgischen Arcelor greift, pochte Premier Jean-Claude Juncker auf eine „nicht minder feindlichen Reaktion“.

Die beschleunigte Globalisierung schürt die Angst in den Industriestaaten, im Wettbewerb mit anderen Staaten zurückzufallen und die Kontrolle über prestigeträchtige Branchen zu verlieren. Vor allem Europa, das noch in den 90er Jahren den Freihandel und die Einheitswährung pries, scheint sich in einen Zollverein zurückzuentwickeln. Die Nationalstaaten schaffen lieber namhafte Firmen innerhalb der eigenen Landesgrenzen. „Die Förderung nationaler Champions greift wie ein Flächenbrand um sich“, sagt Kartellamtspräsident Ulf Böge.

Womöglich bremst die Kleinstaaterei die wirtschaftliche Dynamik. „Es geht auf jeden Fall um verpasste Chancen“, warnt Holger Schmieding, Europa-Chefökonom der Bank of America. „Würden sich die Regierungen weniger protektionistisch gebärden, gäbe es für die Verbraucher billigere Produkte und Dienstleistungen.“ Es könne sogar noch schlimmer kommen, fürchtet er. Schließlich türmten die USA ein Leistungsbilanzdefizit auf, das auf den Zustrom ausländischen Kapitals angewiesen sei. Versiegt der, könnte der Dollar in Turbulenzen geraten. Hier sieht Schmieding Gefahr für die Weltwirtschaft. „Sollten die USA ein Bekenntnis gegen grenzüberschreitende Fusionen ablegen, gerät der US-Dollar in Gefahr – das würde auch Deutschland in Mitleidenschaft ziehen.“

Auch Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, sieht „Katastrophen und Unfreiheit heraufziehen, wenn der Protektionismus wie nach 1914 Urstände feiert“. Erklärten die USA ausländische Investoren für unerwünscht, „sagen diese womöglich, dann wollen wir auch eure Währung nicht mehr“. Das Ergebnis könnten steigende Zinsen, eine schwächere Konjunktur und noch mehr Protektionismus sein. „So weit darf es nicht kommen“, warnt Walter.

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