zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Megahochzeit deutscher Banken erwartet

Fusionsgerüchte reißen trotz aller Dementis nicht ab / Will Deutsche Bank die Dresdner übernehmen?VON HOLGER STROM FRANKFURT.

Fusionsgerüchte reißen trotz aller Dementis nicht ab / Will Deutsche Bank die Dresdner übernehmen?VON HOLGER STROM FRANKFURT.Für Manfred Weber ist die Zukunft klar vorgezeichnet.Im nächsten Jahrtausend, so meint der Geschäftsführende Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Banken, werde es in Deutschland nur noch eine kleine Gruppe weltweit operierender Großbanken und einige Spezialinstitute geben."Die bisherigen Fusionen sind erst der Anfang", glaubt Weber. Tatsächlich erhielten die Gerüchte um eine bevorstehende Mega-Hochzeit im deutschen Bankgewerbe am Freitag neue Nahrung: An der Frankfurter Börse wurde ausgestreut, daß die Deutsche Bank ein konkretes Übernahmeangebot für Deutschlands drittgrößtes Geldhaus, die Commerzbank gemacht habe.Danach wolle der Marktführer 90 DM pro Commerzbank-Aktie zahlen, so der Wertpapieranalyst der Frankfurter Volksbank, Thomas Fleischmann.Dies würde einem Gesamtvolumen von rund 36 Mrd.DM entsprechen.Der Kurs der Commerzbank-Aktie stieg daraufhin um mehr als drei DM auf 75,59 DM. Verbands-Chef Weber glaubt, daß die Einführung des Euro zum 1.Januar 1999 den Wettbewerbsdruck noch erhöhen werde.Und das könne der Konzentrationswelle einen zusätzlichen Schub geben.Durch den Euro würde für die deutschen Kreditinstitute der Wettbewerbsvorteil der harten D-Mark entfallen.Diesen "Bonus" müßten sie sich nach 1999 mit einem hoffentlich ebenso starken Euro mit allen anderen Instituten in der EU teilen. Hier allerdings sieht der Hauptgeschäftsführer des Verbandes öffentlicher Banken, Bernd Lüthje, auch später noch gute Chancen für die deutschen Banken."Sie werden die Gewinner im Euro-Land sein", meint Lüthje.Vor allem das deutsche Universalbanksystem und die breite Palette des Angebots werde sich vorteilhaft auf ihre Wettbewerbssituation in Europa auswirken."Es kann bei allen Fusionsbestrebungen nicht allein darum gehen, mehr Größe zu erreichen", warnt Lüthje.Vielmehr müsse hinter Zusammenschlüssen auch eine gemeinsame Strategie stehen.Die fehlt dem Verbandsvertreter beispielsweise bei der geplanten Zusammenschluß der beiden schweizerischen Banken UBS Schweizerische Bankgesellschaft und SBV Schweizerischer Bankverein.Durch die Fusion entsteht zwar mit einer Bilanzsumme von 600 Mill.Dollar die zweitgrößte Bank der Welt (hinter der Bank of Tokyo-Mitsubishi), doch hinter die erhofften "deutlichen Ertragssprünge" machen viele Analysten große Fragezeichen. Bei den Börsianern jedoch hat die Ankündigung aus Zürich die Phantasie kräftig angeregt.Nichts wird mehr ausgeschlossen.Immer mehr Marktbeobachter glauben, daß die deutschen Großbanken mit spektakulären Übernahmeplänen auftrumpfen werden.Dabei gilt auch die Nummer eins, die Deutsche Bank, als immer noch nicht groß genug.Regelmäßig, am liebsten vor Wochenenden, tauchen daher Gerüchte auf, daß die Deutsche Bank das deutsche Privatkundengeschäft der amerikanischen Citibank kaufen wolle.Regelmäßig werden solche Überlegungen von Deutscher und Citibank einstimmig dementiert.Auch die Commerzbank gilt schon seit langer Zeit als heißer Übernahmekandidat.Vorstands-Chef Martin Kohlhaussen sieht die Spekulationen aber mit Gelassenheit - immerhin haben sie den Aktienkurs seines Instituts in den letzten Monaten deutlich beflügelt.Der Vorstandssprecher der "gelben Bank" ist trotz aller Gerüchte sicher, daß sein Institut auch "auf Dauer" selbständig bleiben wird."Wenn wir uns auf einige Geschäftsfelder konzentrieren und dabei erfolgreich sind, brauchen wir keine Partner", meint Kohlhaussen.Und der ständig steigende Börsenwert der Bank macht eine Übernahme gegen den Willen der Commerzbank aus seiner Sicht beinahe unmöglich. Ob die Dresdner Bank ein Interesse daran haben könnte, mit der Commerzbank zusammenzugehen, ist derzeit schwer abzuschätzen.Die Bank mit dem "grünen Band der Sympathie" hat im Augenblick viel mehr mit sich selbst zu tun, als daß sie sich um mögliche Übernahmen kümmern könnte.Im Gegenteil, sie muß sogar aufpassen, daß sie nicht zum Spielball des Großaktionärs Allianz wird.Nach der Fusion der Bayerischen Vereinsbank und Hypobank halten es Analysten für nicht ausgeschlossen, daß Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle auch die Dresdner Bank in einen allumfassenden Finanzkonzern einspannen könnte. Doch nicht nur im privaten Geldgewerbe sind die Strategieplaner eifrig auf der Suche nach neuen Konstellationen.Auch im öffentlich-rechtlichen Bankensektor gibt es eine Fülle von Kooperations- und Konzentrationsüberlegungen.So wollen die Bankgesellschaft Bank und die Norddeutsche Landesbank zusammengehen.Auch die Landesbanken von Hamburg und Kiel haben sich auf eine gemeinsame Zukunft geeinigt.Die Sparkassenorganisation insgesamt denkt an ein gemeinsames Spitzeninstitut durch Zusammenlegung der Deka-Bank und der Deutschen Girozentrale DGZ.Und der Chef der mächtigen Westdeutschen Landesbank, Friedel Neuber, ist nicht nur ständig auf der Suche nach neuen Industriebeteiligungen, sondern versucht auch, andere Landesbanken zumindest als Kooperationspartner auf allen möglichen Gebieten zu finden. Auch in den anderen europäischen Ländern dreht sich das Fusionskarussel kräftig.Nirgendwo jedoch, so meinen Analysten, ist der Druck zur Konzentration so groß wie in Deutschland.Obwohl hierzulande die Zahl der Kreditinstitute seit Beginn der sechziger Jahre von mehr als 12 000 auf 3600 geschrumpft ist, gilt Deutschland mit mehr als 48 000 Zweigstellen immer noch als "overbanked".Nirgendwo sonst ist die Bankenlandschaft so zersplittert.Die fünf größten privaten Geldhäuser - Deutsche, Dresdner, Commerzbank und die beiden bayerischen Institute - können gerade knapp 14 Prozent der Kundengelder auf sich vereinigen.Rund 40 Prozent aller Kundeneinlagen sind bei den 615 öffentlich-rechtlichen Sparkassen und dazugehörigen Landesbanken geparkt, die 2569 Volks- und Raiffeisenbanken verwalten ein Fünftel. Auch ohne weitere Fusionen steht den deutschen Banken ein radikaler Umwandlungsprozeß bevor.Durch die fortschreitende Technisierung, Home- und Computerbanking und die Internationalisierung wird sich die Struktur der Bankenlandschaft in den nächsten zehn Jahren dramatisch verändern.Der Bankexperte der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), Klaus Carlin, befürchtet, daß dadurch jeder siebte Arbeitsplatz in der Branche auf dem Spiel steht.Anders als für Aktionäre seien Bankenfusionen für die Arbeitnehmer eine Katastrophe, warnt der Gewerkschafter.

HOLGER STROM

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false