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Wirtschaft: Mehdorns Börsenpläne sind geplatzt

Aufsichtsrat der Bahn: 2006 ist kein realistischer Zeitpunkt mehr/Gewerkschaft fordert „sanfteres Sanierungstempo“

Berlin - Die umstrittenen Börsenpläne von Bahnchef Hartmut Mehdorn sind vom Aufsichtsrat des Konzerns vorerst gestoppt worden. Michael Frenzel, Chef des Kontrollgremiums, teilte am Mittwoch mit, er habe sich mit der Bundesregierung und dem Bahnvorstand darüber verständigt, „den ursprünglich vorgesehenen Zeitplan für den Börsengang der Bahn neu zu definieren“. Eine Börsennotierung vor der Sommerpause 2006 erscheine „angesichts der derzeitigen Rahmenbedingungen nicht realistisch“. Die Bahn wollte die Entscheidung nicht kommentieren. Das sei Angelegenheit des Aufsichtsrats, hieß es. Michael Klein, Sprecher der Eisenbahnergewerkschaft Transnet, forderte „ein sanfteres Sanierungstempo“. Der Druck auf die Beschäftigten müsse nachlassen.

Eine teilweise Privatisierung der bundeseigenen Deutschen Bahn ist seit Beginn der großen Bahnreform im Jahr 1994 das Ziel der Verkehrspolitik. Allerdings war kein fester Zeitpunkt vorgegeben worden. Bahnchef Mehdorn hatte jedoch den Zeitpunkt 2006 stark forciert. Denn im Herbst 2006 sind die nächsten Bundestagswahlen. Wird die Teilprivatisierung nicht vorher verwirklicht, ist nicht absehbar, wann sie dann möglich sein wird. Über den Schritt muss der Bundestag letztlich entscheiden.

Doch in den vergangenen Monaten ist Mehdorn immer wieder vorgeworfen worden, zu sehr das Ziel Börsengang zu verfolgen – und dabei die Kunden, die Beschäftigten und wichtige Investitionen aus dem Auge zu verlieren. Besonders laut wurden die Vorwürfe in den vergangenen Tagen, weil die Bahn vor Weihnachten ihre Ticketpreise deutlich anheben will. Zuletzt hatte Transnet-Chef Norbert Hansen in einem Brief an Aufsichtsratschef Frenzel gefordert, 2006 als Ziel aufzugeben. Begründung: Zurzeit herrsche große Unruhe bei den Beschäftigten. In den kommenden Wochen ist auch eine neue Runde bei den laufenden Tarifverhandlungen bei der Bahn geplant.

Albert Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, sagte dem Tagesspiegel: „Ich freue mich, dass nunmehr die Bahn und die Bundesregierung begriffen haben, dass sich der Bundestag von niemandem unter Zeitdruck setzen lässt.“ Überhaupt sei 2006 „unsinnig“ gewesen. Der große Zeitdruck habe letztlich dazu geführt, „dass das Projekt in den Sand gesetzt worden ist“. Dafür trage der Vorstand die Verantwortung. Jetzt müsse wieder der Fahrgast in den Mittelpunkt gestellt werden, sagte Schmidt, „und nicht illusionäre Bilanzziele“.

An seinem Sanierungskurs will Mehdorn allerdings festhalten. Das hatte er noch am Mittwochnachmittag auf einer Transnet-Tagung betont. Auch Frenzel teilte mit, „an dem Ziel der Kapitalmarktfähigkeit der Bahn wird festgehalten“. Und ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums sagte dem Tagesspiegel, ein Börsengang sei weiterhin möglich, „wenn das Unternehmen seine Hausaufgaben gemacht hat“. Das sei der Fall, sobald die Bahn wieder in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt sei. Daneben sei das Jahr 2006 nie vom Ministerium vorgegeben worden, sagte der Sprecher. „Das ist eine Zahl, die immer von Herrn Mehdorn gesetzt wurde.“

Mit der Verschiebung des Zeitpunkts ist allerdings noch nicht die Diskussion über die Privatisierung beendet. Laut Aufsichtsratschef Frenzel werde immer noch bevorzugt, die Bahn zusammen mit dem Schienennetz an die Börse zu bringen. Doch genau dagegen sprechen sich die meisten Verkehrspolitiker im Bundestag aus.

Am Mittwoch stellten auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erste Ergebnisse einer Studie zur Bahnprivatisierung vor. Die Spitzenverbände der Wirtschaft unterstützen zwar prinzipiell Mehdorns Börsenpläne. Allerdings forderten sie, das Schienennetz müsse als eigenes Unternehmen aus dem Konzern genommen werden. Nur so werde es mehr Wettbewerb und Verkehr auf der Schiene geben. Zurzeit schrecke Konkurrenten der Bahn schon oft allein die theoretische Möglichkeit ab, von der Infrastrukturtochter der Bahn nicht fair behandelt zu werden. Der Forderung nach einer Trennung von Netz und Betrieb schloss sich auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) an.

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