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Wirtschaft: Mehr als ein Schulterklopfen für ratsuchendeExistenzgründer

Vier Industrie- und Handelskammern in Berlin und Brandenburg mühen sich umden Aufbau OstVON GABRIELE LÜKEDie Länder Berlin und Brandenburg konkurrieren zwar alsWirtschaftsstandorte.Aber die Industrie- und Handelskammern setzen aufPragmatismus.

Vier Industrie- und Handelskammern in Berlin und Brandenburg mühen sich umden Aufbau OstVON GABRIELE LÜKE

Die Länder Berlin und Brandenburg konkurrieren zwar alsWirtschaftsstandorte.Aber die Industrie- und Handelskammern setzen aufPragmatismus."Deutschland war offiziell noch gar nicht wiedervereinigt, dahaben unsere Kammern schon über beide Ohren in Arbeit gesteckt." BerndSchenke ist stolz auf den zügigen Aufbau der drei brandenburgischenIndustrie- und Handelskammern in Potsdam, Frankfurt/Oder und Cottbus."Zuunseren wesentlichsten Aufgaben gehörte von Anfang an dieExistenzgründungsberatung", erzählt der Sprecher der IHK Potsdam.Schon1991 habe allein seine Kammer fast 4 000 Existenzgründern zur Seitegestanden.Heute gehören rund 100 000 Mitglieder zu den drei brandenburgischenKammern."Vor allem der Einzelhandel und die Dienstleister sowie das Hotel-und Gaststättengewerbe machen einen Großteil unserer Klientel aus." Was demLand und damit den Kammern aber fehle, sei generell die VerarbeitendeIndustrie.Eine große Palette der verschiedensten Dienstleistungen bieten dieIndustrieund Handelskammern ihren Mitgliedern.Neben der Existenzgründungwird dabei auch die Existenzsicherung immer wichtiger.So helfen alle dreiKammern zum Beispiel seit 1996 an einem Runden Tisch mit der DeutschenAusgleichsbank Unternehmen mit wirtschaftlichen Problemen.WeitereSchwerpunkte "ostdeutscher Kammerarbeit": Hilfen durch den Dschungel derverschiendensten Förderanträge und Instanzen und die ohnehin klassischeKammeraufgabe, die Organisation betrieblicher Aus- und Weiterbildung.Kooperation ist dabei für die Kammern eines Landes per se kein Fremdwort.Alle Bundesländer haben ihre IHK-Bezirke in Landesarbeitsgemeinschaftenzusammengefaßt.So auch das Land Brandenburg.Dabei erledigt jede Kammerdie ein oder andere Aufgabe in Federführung: Potsdam ist zum Beispiel dieAus- und Weiterbildungsexpertin und gleichzeitig für dieÖffentlichkeitsarbeit der Landesarbeitsgemeinschaft zuständig.Frankfurt/Oder zeichnet für den Außenhandel verantwortlich und Cottbus fürdie Umwelt.Gilt es gegenüber der Politik gemeinsam aufzutreten,Stellungnahmen zu verfassen, erläutert Elvira Minack, Sprecherin der IHKFrankfurt/Oder, übernimmt die thematisch federführende Kammer dieRepräsentation nach außen, fungiert als Sprecherin.Gemeinsam aktiv sindBrandenburgs Kammern außerdem im Technologie- und Innovationssektor: Alledrei gehören mit dem Land Brandenburg zu den Gesellschaftern derTechnologie-und Innovationsagentur T.IN.A, die die Arbeit der Technologie-und Gründerzentren koordiniert.Doch geht im Fall Brandenburg die Kooperationsbereitschaft der Kammernfaktisch über die Landesgrenze hinweg, denn auch mit der IHK Berlin bestehteine eingespielte Kooperation.Gemeinsam geben die vier Kammern etwa einengemeinsamen Konjunkturreport heraus, treffen sich jedes Jahr im Februar zurgemeinsamen Zuliefer-Börse, auf der große und kleine Unternehmen zurZusammenarbeit angeregt werden sollen, erarbeiten Stellungnahmen zu Fragen,die beide Länder betreffen - wie jüngst zum Ausbau der Havel.Probleme bei der Zusammenarbeit sehen die Kammern nicht."Berlin undBrandenburg mögen zwar als Wirtschaftsstandorte konkurrieren", meintIHK-Berlin-Sprecher Egbert Steinke, das tangiere aber die Kooperationnicht.Über die Ziele der Kammerarbeit oder bei Stellungnahmen zuSachfragen bestehe in der Regel Konsens.Nichtsdestoweniger beobachten dieBrandenburger mit Interesse und ärgern sich die Berliner, wenn - gernzitiertes Beispiel - Berliner Unternehmen wegen der Fördergelder undniedrigerer Löhne in den sogenannten Brandenburger Speckgürtel abwandern.Die IHK Berlin ist die größte der vier.Zu ihr gehören rund 126 000Mitglieder.Händler und Dienstleister sind ihre wichtigste Klientel.Die wirtschaftliche Lage der Hauptstadt schätzt die Berliner Kammer äußerstpessimistisch ein.In ihrem neuesten Jahresbericht konstatiert sie einenachrangige Position Berlins im Wachstsumsvergleich mit anderen deutschenWirtschaftsstandorten und beklagt zahlreiche Betriebsschließungen undVerlagerungen, hohe Arbeitslosigkeit, Probleme im Baugewerbe, Handel,Verkehrsgewerbe, Gaststättenund Hotelgewerbe.Berlin befinde sich, heißt eszusammenfassend, in einer radikalen Anpassungsphase von existenzbedrohendemAusmaß für viele Betriebe.Kein Wunder also, daß die IHK ihren Beratungsservice für mittelständischeUnternehmen verstärkt hat.Seit 1996 gibt es gemeinsam mit der DeutschenAusgleichsbank einen Runden Tisch speziell zur Beratung existenzgefährdetermittelständischer Unternehmen.Wichtige Dienstleistungen der Berliner Kammer sind neben derExistenzsicherung auch Existenzgründungsberatungen.Per Saldo haben seit1990 rund 60 000 Existenzgründungen in Berlin stattgefunden, erläutertKammersprecher Egbert Steinke: "Zwar stark, aber nicht hauptsächlich imOstteil der Stadt." Neue Beratungsdienstleistungen der Kammern, diezunehmend an Nachfrage gewinnen, sind die Europawährung und das Öko-Auditfür Unternehmen.Die IHK Cottbus verzeichnet rund 30 000 Mitglieder.Kammersprecherin AntjeMahn betont, daß für ihre Kammer nicht nur Handel und Dienstleistung vonBedeutung sind, sondern vor allem auch und immer noch der Bergbau- undEnergiebereich.Denn schon vor der Wende hat das Lausitzer Braunkohlerevierdie Region geprägt.Im Frühjahr 1997 beklagt der Konjunkturbericht der Kammer, sei mit einerspürbaren Erholung der wirtschaftlichen Lage nicht zu rechnen.DasBaugewerbe rechne mit einer weiteren Verschlechterung seiner Lage, dieDienstleister erwarten Umsatzrückgänge.Einzelhandel, verarbeitendesGewerbe und Verkehrsgewerbe schätzen ihre Lage immerhin als stabil ein.Zu den wichtigsten Dienstleistungen gehöre auch in Cottbus dieExistenzgründungs- und -sicherungsberatung, erklärt Jochen Brückmann,Referent für Dienstleistung und Handel der IHK: Ein Service- undBeratungs-Centrum Cottbus (SBC) soll Unternehmen bei der Markterschließungund aktuellen Management-Fragen unterstützen.Unternehmen mitwirtschaftlichen Problemen können sich seit 1996 an den Runden Tisch mitder Deutschen Ausgleichsbank setzen.Einhergehend mit der Federführung inSachen Umwelt für die Landesarbeitsgemeinschaft, gehört auch dieÖko-Audit-Beratung für Unternehmen zu den zahlreichen Kammeraufgaben.Die IHK Frankfurt/Oder hat rund 27 000 Mitglieder.Vor der Wende warOstbrandenburg neben der Landwirtschaft zum Beispiel geprägt von derStahlproduktion in Eisenhüttenstadt, der Papierproduktion in Schwedt oderder Mikroelektronik in Frankfurt/Oder.Nach der Wende abgespeckt tragendiese Produktionsbereiche auch heute noch zum Bruttosozialprodukt desKammerbezirks bei.Mehr als die Hälfte der Kammermitglieder sind allerdingsDienstleister und Händler.Der Konjunkturbericht faßt zusammen: "Die Wirtschaft hier ist inschwierigem Fahrwasser." Im Bauhauptgewerbe zeichne sich einBeschäftigungseinbruch ab, im Einzelhandel halte der Umsatzrückgang an, dasDienstleistungsgewerbe befürchte eine konjunkturelle Abschwächung.Silberstreifen am Horizont und Optimismus aber konstatiert der Bericht fürdas Verarbeitende Gewerbe, den Großhandel und das Verkehrsgewerbe.Wesentliche Dienstleistungen der IHK Frankfurt/Oder, wie bei den anderenauch, sind Beratungen im Existenzgründungs- und Sicherungsbereich.Und auchin Frankfurt gibt es seit 1996 einen Runden Tisch mit der DeutschenAusgleichsbank für Unternehmen, die in Liquiditätsengpässe geraten sind."Immer gefragter sind auch Rechtsberatungen im Bereich Arbeits-,Wettbewerbs-, Vertrags- und Gesellschaftsrecht", erklärt Oliver Falk,Kammer-Referent für Volkswirtschaft.Da bei RechtsstreitigkeitenUnternehmen auch immer häufiger nach einer außergerichtlichen Einigungstreben, habe die Kammer zudem ein Schiedsgericht eingerichtet.DieFederführung im Bereich Außenhandel in der Landesarbeitsgemeinschaft bringtdarüber hinaus zum Beispiel ein alle zwei Jahre in Frankfurt/Oderstattfindendes internationales Unternehmertreffen mit sich.Die IHK Potsdam, ansässig in Brandenburgs Landeshauptstadt, hat rund 43 000Mitglieder und ist damit die mitgliederstärkste der drei Kammern desLandes.Früher war die Struktur des Kammerbezirks zum großen Teil von derLandwirtschaft beeinflußt.Die Industrie war zum Beispiel geprägt vonStahl, Maschinenbau, Elektronik, Fahrzeugbau.Heute dominieren auch im Potsdamer Bezirk Handel und Dienstleistung.Industriell lebe der Stahl weiter: Sprecher Schenke verweist unter anderemauf den Stahlstandort Hennigsdorf, den nach der Wende der italienischeRiva-Konzern übernommen hat.Schenke betont auch die Verkehrtechnik beiAdtranz oder die Medienwirtschaft in Babelsberg.Insgesamt schätzt die IHKPotsdam die Wirtschaftslage vorsichtig ein: Die stürmische Phase derWirtschaftsentwicklung sei vorbei.In vielen Bereichen sei Stagnation zuverzeichnen.Es fehlen leistungsstarke Großunternehmen, heißt es imKonjunkturbericht.Bauhauptgewerbe, Verkehrsgewerbe, Handel, Hotel- undGaststättengewerbe verzeichnen eine Geschäftslage zwischen düster,problematisch und angespannt.Verarbeitendes Gewerbe und Dienstleistungsind wenigstens nicht im Abwärtstrend, so Schenke.Die Dienstleistungen, die in Potsdam vor allem nachgefragt werden, liegenim Bereich von Existenzgründungs- und Aufbauberatungen, wie bei allenKammern.Auch hier gibt es seit 1996 einen Runden Tisch mit der DeutschenAusgleichsbank "für Unternehmen, die rosa oder schwach graue Zahlenschreiben".Ansonsten sind von der IHK Potsdam besonders Stellungnahmengefragt - "für alle Anträge auf Fördergelder." Durch die Federführung imAus- und Weiterbildungsbereich ist Potsdam zudem etwa mit der Endfassungvon Prüfungsrichtlinien oder - befördert durch den MedienstandortBabelsberg - der Entwicklung neuer Medienberufe beschäftigt.Zu erreichen sind die Kammern unter folgenden Telefonnummern: Berlin:030/31510-0, Cottbus: 0355 / 365-0, Frankfurt/Oder: 0335/5621-0 undPotsdam: 0331/2786-0.

GABRIELE LÜKE

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