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Wirtschaft: Mehr als ein Vergnügen

Die Freizeitparks in Deutschland profitieren vom Trend zum Heimat-Urlaub. Mit neuen Ideen und Events versuchen sie, die Kunden an sich zu binden

Die Visionärsqualitäten des Kanzlers werden oft angezweifelt. Zu Unrecht, wie sich jetzt zeigt. Schon vor Jahren hat er mit seiner damaligen Freundin einen Kurztrip zum Heidepark Soltau gemacht, und mit der Absage seines Italien-Urlaubs in diesem Juli hat er endgültig untermauert: Es ist wieder schick, seine Ferien in der Heimat zu verbringen. Die Gewinner dieses Phänomens stehen jetzt schon fest: Es sind die knapp 70 deutschen Freizeit- und Vergnügungsparks.

Kein Wunder, dass Antje Möller dem Kanzler dankbar ist. „Wir profitieren natürlich davon, dass die Menschen momentan statt der teuren Auslandsreise lieber einen Heimaturlaub machen“, sagt die Sprecherin von Warner Bros. Movie World. Um einmal den Eiffelturm oder die Freiheitsstatue zu sehen, muss man auch nicht um die ganze Welt reisen, sondern nur nach Bottrop, Brühl (Phantasialand), Sierksdorf (Hansa-Park) oder Soltau. Im Europa-Park Rust, dem größten deutschen Vergnügungspark, wird gerade ein Hotel im Stil des Colosseums für 40 Millionen Euro gebaut. „Wir wollen uns zu einem Reiseziel entwickeln, wo man drei, vier Tage bleibt“, sagt Jürgen Mack, einer der Geschäftsführer des Europa-Parks. Zusatzangebote wie ein Wasserpark sollen die Kundschaft in den Park locken – und sie dort halten.

Die meisten der deutschlandweit jährlich 19 Millionen Besucher tragen nur einmal alle zwölf Monate zum Marktvolumen von 400 Millionen Euro bei, weil das Haushaltsbudget für solche Unternehmungen klar abgesteckt ist. „Neuerdings bringen viele sogar ihre eigene Verpflegung mit“, sagt Möller von der Movie World. Bei Eintrittspreisen von rund 25 Euro pro Erwachsenem (zu denen mancherorts allerdings auch schon Zwölfjährige zählen) und 20 Euro pro Kind ist das nachvollziehbar.

Karten zum Sonderpreis

In der Movie World in Bottrop bietet man deshalb – und wegen der wirtschaftlichen Lage – jeden Monat einer anderen Kundengruppe verbilligte Karten an. Mal sind wie im August Einwohner bestimmter Städte in Nordrhein-Westfalen dran, mal erhalten Rentner Rabatte. Überhaupt kümmern sich viele Vergnügungsparks inzwischen rührend um Senioren, obwohl die Zielklientel eigentlich Kinder und Jugendliche sind. Die Freizeitindustrie kann sich den demografischen Entwicklungen nicht entziehen. Der Trend geht zur Familientauglichkeit, außerdem kann man nicht jedes Jahr eine Achterbahn für 15 Millionen Euro aufstellen. Das jährliche Pfahlhocken in Soltau können sich auch Opa und Opa ansehen, ohne sich der Gravitationskraft auszuliefern. Im vergangenen Jahr hockte der Pole Daniel Baraniuk 196 Tage auf dem Pflock. Sein Lohn: 20000 Euro und ein Eintrag ins „Guinnessbuch der Rekorde“.

Das Ausharren auf den Pfählen – seit 28. April hocken sie wieder – ist nur ein Beispiel für die vielen Sonderveranstaltungen, die fast jeder Park inzwischen anbietet. Der bloße Besuch im Vergnügungsland ist schon längst nicht mehr Ereignis genug. „Fahrgeschäfte sind das Kerngeschäft, die Eventgeschichte hat sich jedoch zu einer festen Größe entwickelt“, sagt Martina Evers vom Europa-Park. Dort kann man mit dem früheren Nationalspieler Michael Rummenigge kicken, im Heidepark Soltau ein Nena-Konzert besuchen, es gibt Beach-Partys, brasilianische Nächte, Halloween-Wochen, sogar „Gay-Days“. „Mit diesen Events lassen sich die unterschiedlichsten Publikumsschichten erschließen“, sagt Ulrich Müller-Oltay, vom Verband Deutscher Freizeitunternehmen. Wie zum Beispiel auch Manager: In praktisch allen Freizeitparks können trockene Konferenzen durch das unterhaltsame Ambiente aufgepeppt werden. „Confertainment“ nennt sich das dann.

„Kreativität ist gefragt“, erzählt Klaus Müller, Pressesprecher des Heideparks Soltau. „Wir treffen uns einmal die Woche, um an Innovationen zu tüfteln.“ Der Konkurrenzdruck ist hoch, die Wiederholungsbesucher (von den Parks mit 60 bis 70 Prozent aller Gäste beziffert) wollen sich schließlich nicht langweilen. Pro Saison werden in Soltau mindestens fünf bis sieben Millionen Euro für neue Attraktionen ausgegeben. „Wir brauchen jedes Jahr etwas Neues“, sagt Müller, und Kollegin Evers pflichtet ihm bei: „Wenn fünf Jahre lang nichts passiert, haben Sie die Leute verloren.“

Parkfinder im Netz:

www.parkscout.de

Christian Hönicke

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