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Wirtschaft: Mehr als nur kleine Geschenke

Bei Siemens soll viel mehr Geld in schwarze Kassen geflossen sein als bekannt/ Ermittlungen auch in der Schweiz und Österreich

München / Berlin - Die Korruptionsvorwürfe gegen Manager von Siemens kommen für Insider nicht überraschend. „In Vertriebskreisen weiß man, dass ohne Bestechung gar nichts läuft, wenn man im Ausland an lukrative Aufträge kommen will“, sagte ein Siemens-Betriebsrat dem Tagesspiegel am Montag. Das gelte vor allem für Projektgeschäfte in südamerikanischen und arabischen Ländern sowie in Russland. Mit kleinen Geschenken und Gefälligkeiten komme man dort nicht weiter. „Oft müssen schon Millionenbeträge fließen, damit man den Zuschlag bekommt“, sagte der Betriebsrat. Die ermittelnden Münchner Staatsanwälte gehen inzwischen davon aus, dass es in der Affäre um deutlich mehr Geld geht als zunächst gedacht. „Es besteht der Verdacht, dass Gelder von mehr als 20 Millionen Euro ins Ausland geschleust wurden“, sagte Oberstaatsanwalt Anton Winkler dem Tagesspiegel.

In der vergangenen Woche hatten 250 Beamte und 23 Staatsanwälte Büros und Wohnungen von Siemens-Mitarbeitern in München und Erlangen durchsucht. Die Behörden ermitteln wegen des Verdachts der Untreue. Sie prüfen, ob Gelder für Schmiergeldzahlungen über Tarnfirmen und Gesellschaften in Steuerparadiesen außerhalb Europas auf Konten in der Schweiz und Liechtenstein geschleust wurden. Betroffen ist der Festnetzbereich der früheren Kommunikationssparte. Bereits seit 2005 läuft in der Schweiz ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche gegen ehemalige Siemens-Mitarbeiter. Ermittlungen gab es offenbar auch in Italien und Österreich.

„Wir arbeiten mit den Behörden in der Schweiz und Italien zusammen“, sagte Oberstaatsanwalt Winkler. In Österreich habe es ein Rechtshilfeersuchen gegeben. In den nächsten Tagen werde ein im österreichischen Wels verhafteter ehemaliger Siemens-Mitarbeiter nach Deutschland überstellt. Winkler bestätigte, dass auch das Büro von Vorstandschef Klaus Kleinfeld durchsucht wurde, er sei aber nur Zeuge. Kleinfeld verantwortete im Jahr 2004 die Kommunikationssparte im Zentralvorstand. Winkler sagte, die Ermittlungen beträfen den Zeitraum ab 2002. Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ gibt es Hinweise darauf, dass seit den 90er Jahren mehr als 100 Millionen Euro über Auslandskonten in schwarze Kassen geflossen seien sollen.

Wie der Siemens-Betriebsrat dem Tagesspiegel weiter sagte, seien Schmiergelder im Ausland nicht nur in der Kommunikationssparte ein Thema, sondern auch in anderen Siemens-Konzernbereichen. So stehen beispielsweise auch Mitarbeiter der Energiesparte Power Generation im Verdacht, Bestechungsgelder für Großaufträge in Osteuropa gezahlt zu haben. „Der Druck des Zentralvorstands auf die Bereichsvorstände, möglichst viel Umsatz zu machen und die Renditeziele zu erreichen, ist riesengroß“, sagte der Betriebsrat. So sei es zu erklären, dass Mitarbeiter in Führungspositionen das Risiko der Bestechung eingingen – obwohl sie sich bei Siemens schriftlich dazu verpflichten müssten, ein solches Verhalten zu unterlassen. „Als einfacher Mitarbeiter ist man schon überrascht, mit welchen Mitteln da gearbeitet wird“, sagte der Betriebsrat. Siemens-Chef Kleinfeld hatte allen elf Konzernsparten Renditeziele vorgegeben, die sie bis Frühjahr 2007 erreichen müssen. Erst fünf sind schon so weit.

Der frühere Konzernbetriebsratschef und Aufsichtsratsmitglied Georg Nassauer sagte jedoch dem Tagesspiegel, „der Betriebsrat hat sich nicht mit dem Thema Korruption im Ausland beschäftigt, weil es dazu seitens der Mitarbeiter keinen Anlass gab.“ Er gehe davon aus, „dass es kaum Mitwisser gab“. Wenn es Länder gebe, wo man nur mit Hilfe von Schmiergeldern Geschäfte machen könne, dann sollte man in diesen Ländern auf Geschäfte verzichten.

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