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Wirtschaft: Mehr Arbeitsplätze erst Ende nächsten Jahres

Wirtschaftssenator Pieroth legt Jahresbericht vor / Finanzminister Waigel Vertragsbruch vorgeworfen BERLIN(alf).In Berlin wird es Ende nächsten Jahres zu einer Trendwende auf dem Arbeitsmarkt kommen.

Wirtschaftssenator Pieroth legt Jahresbericht vor / Finanzminister Waigel Vertragsbruch vorgeworfen

BERLIN(alf).In Berlin wird es Ende nächsten Jahres zu einer Trendwende auf dem Arbeitsmarkt kommen.Nach Einschätzung von Wirtschaftssenator Elmar Pieroth werden erst dann mehr Arbeitsplätze geschaffen als abgebaut.Diese Prognose begründete der Senator am Freitag bei der Vorlage des Wirtschaftsberichts 1997 vor allem mit der schwachen Hauptstadtkonjunktur: Seit 1994 bleibe Berlin hinter der wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik insgesamt zurück.Nachdem im vergangenen Jahr das Berliner Bruttoinlandsprodukt um 0,4 Prozent auf 150 Mrd.DM gesunken war, rechnet Pieroth im laufenden Jahr bestenfalls mit Stagnation.Das Kernproblem der hiesigen Wirtschaft sei die Innovationsschwäche.In einem neu gebildeten Gesprächskreis mit Senatskollegen und Wissenschaftsvertretern will Pieroth Berlin "von der Unternehmerstadt zur Innovationsstadt" umbauen.Die Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft sei "jetzt die Hauptaufgabe" der Standortpolitik."Ich weiß noch nicht wie, aber man muß sie zusammenkriegen", so Pieroth.Der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände, Hartmann Kleiner, erklärte in einer Reaktion auf den Pieroth-Bericht, die Lage in der Industrie bleibe bis zum Jahr 2000 schwierig.Deshalb sei eine weitere Kostenentlastung für die Unternehmen erforderlich. Der Wirtschaftssenator warnte davor, den Strukturwandel durch finanzpolitische Entscheidungen zu gefährden.Insbesondere die Kürzungspläne bei Investitionszuschüssen lehnte Pieroth scharf ab; Bundesfinanzminister Theo Waigel warf er in dem Zusammenhang "Vertragsbruch" vor.Sollte sich Waigel durchsetzen, dann würden in Berlin im laufenden Jahr 30 Mill.DM und im 1998 20 Mill.DM weniger Investitionshilfen gezahlt werden können.Auch der Berliner Anteil an den komplementär zu finanzierenden Investitionszuschüssen sei für das nächste Jahr noch nicht gesichert, "im Moment fehlen 118 Mill.DM", so Pieroth.Anhand des Beispiels Philip Morris erläuterte der Wirtschaftssenator die Bedeutung der Förderung: Ohne einen Investitionszuschuß hätte der US-Konzern keine Rohtabakaufbereitung in seinem Neuköllner Werk für ingesamt 300 Mill.DM eingerichtet.Am kommenden Montag werden sich in Berlin Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt und seine ostdeutschen Ressortkollegen mit dem Thema befassen. Die schwache Berliner Wirtschaftsentwicklung inklusive hoher Arbeitslosigkeit führt der Wirtschaftsbericht vor allem auf den Rückgang im verarbeitenden Gewerbe sowie im Handel zurück.Die Zahl der Erwerbstätigen sank 1996 auf 1,484 Millionen, 1989 hatte es in Berlin noch knapp 1,8 Millionen Erwerbstätige gegeben.In den Berliner Industriebetrieben (mit mehr als 20 Beschäftigten) ging die Mitarbeiterzahl auf 134 000 zurück, 15 000 weniger als noch 1995.Besonders betroffen war die Elektrotechnik, der Maschinen- und Fahrzeugbau sowie die Tabakverarbeitung und das Ernährungsgewerbe.In der Tabakindustrie bespielsweise sank die Beschäftigtenzahl um 22 Prozent auf 3300.Hauptsächlich aufgrund der schwachen Kaufkraft ging der Umsatz im Handel um nominal 1,2 Prozent zurück; mit 113 000 Personen waren 1996 rund 5600 Berliner weniger in den Kaufhäusern der Stadt beschäftigt als 1995. Trotz der tristen Gegenwart, zumal in der Industrie, greift Pieroth zufolge die Wirtschaftspolitik vor allem bei den vier Zukunftsbereichen Medien, Medizintechnik, Umwelt und Verkehrstechnik.Die Ansiedlung der Coca Cola Erfrischungsgetränke AG, sowie die Verlagerung der zentralen Vertriebsabteilung von Daimler-Benz "setzen ein Signal zugunsten Berlins als Sitz von Entscheidungszentralen".Der Produktionsbeginn des Smart-Motors bei Mercedes in Marienfelde, die Beschäftigungssicherung im Berliner Ford-Werk sowie die hohen Auslastungszahlen des BMW-Motorradwerkes in Spandau nannte Pieroth als Beispiele dafür, "daß sich Berlin als Standort hochwertiger industrieller Fertigung behaupten kann". Auch die zahlreichen Existenzgründer machen dem Senator Hoffnung.Im vergangenen Jahr zum Beispiel bedeute der positive Saldo bei den Gewerbeanzeigen rund 10 000 neue Arbeitsplätze.In allen Berliner Gründerzentren arbeiteten inzwischen 8400 Personen.Pieroth kritisierte den Anstieg der vom Land beeinflußten Standortkosten.Beispielsweise drohe aufgrund des Kapitalentzugs bei den Wasserbetrieben nun eine Tariferhöhung um 25 bis 32 Pfennige pro Kubikmeter Wasser.

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