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Wirtschaft: Mehr Mut zum Kürzen!

Steigt die Mehrwertsteuer, stellen die Politiker sofort allle Sparbemühungen ein Von Rolf Peffekoven

Das öffentliche Etatdefizit dürfte 2005 etwa 80 Milliarden Euro erreichen. Es ist ein überwiegend strukturelles Defizit und hat mit der schwachen Konjunktur nichts zu tun. Es muss, weil es hohe Zinslasten bedeutet und die finanzpolitischen Spielräume einengt, abgebaut werden. Dazu gibt es zwei Wege: geringere Ausgaben oder höhere Steuern. Erlöse aus Privatisierungen wirken nur einmal und sind ungeeignet. Dabei wird immer wieder eine höhere Mehrwertsteuer ins Spiel gebracht – für Ausgabenkürzungen fehlt den Politikern offenbar der Mut.

Auf den ersten Blick bietet diese Lösung Vorteile: Mit der Mehrwertsteuer nimmt der Staat nach der Einkommensteuer am meisten ein. Eine Erhöhung um vier Prozentpunkte würde etwa 30 Milliarden Euro bringen. Die Einhaltung der DreiProzent-Grenze beim Staatsdefizit könnte gesichert werden. Widerstand vom Bundesrat wäre kaum zu erwarten.

Dennoch wäre eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zum Stopfen von Etatlöchern falsch. Am momentan geringen Wachstum ist gerade der schwache private Konsum schuld. Würde die Mehrwertsteuer um vier Prozentpunkte angehoben, würden die Preise – bei vollständiger Überwälzung – um 3,5 Prozent steigen. Das würde nur zu weiterer Konsumzurückhaltung führen. Wer wenig verdient oder eine Familie mit Kindern hat, wäre von den Preiserhöhungen relativ stark getroffen.

Noch wichtiger ist aber, dass die Konsolidierung nicht über höhere Steuern, sondern über Ausgabenkürzungen geschehen muss. Würde jetzt die Mehrwertsteuer massiv erhöht, wäre zugleich jeder Druck zum Sparen und zum Subventionsabbau weg. Eine höhere Mehrwertsteuer schafft zudem Anreize, in die Schattenwirtschaft auszuweichen. Anders wäre es, wenn mit den Mehreinnahmen Steuer- und Sozialsysteme reformiert würden. Niedrigere Einkommensteuersätze und Sozialbeiträge werden Wachstum und Beschäftigung bringen. Dazu ist aber viel Geld nötig, das man an anderer Stelle einsparen sollte. Angesichts der nötigen Beträge wird man an einer höheren Mehrwertsteuer kaum vorbeikommen.

Damit geht es am Ende um die Umgestaltung des Steuersystems, die nichts mit aktuellen Budgetnöten zu tun hat. Vieles spricht dafür, das Gewicht indirekter Steuern (vor allem der Mehrwertsteuer) zu erhöhen und das direkter Steuern und Abgaben (vor allem Einkommensteuer und Sozialbeiträge) zu senken. Dafür muss es schon vor der Wahl Konzepte geben. In einem Programm, das eine Steuerreform mit Senkungen der Einkommensteuer und eine Gesundheitsprämie mit Sozialausgleich vorsieht, kann auch eine Mehrwertsteuererhöhung ihren Platz haben. Steuererhöhungen zum Stopfen von Löchern sollten dagegen kein Thema sein.

Rolf Peffekoven ist Direktor des Instituts für Finanzwissenschaft an der Universität Mainz und Berater von Bundesfinanzminister Hans Eichel.

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