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Mein ERSTES Geld (139): Vom Fließband in die Ferien

Ich habe ein besonderes Verhältnis zu Feuerlöschern. Das hat damals in der Hauptschule sogar meine Kunstlehrerin in Rage gebracht.

Ich habe ein besonderes Verhältnis zu Feuerlöschern. Das hat damals in der Hauptschule sogar meine Kunstlehrerin in Rage gebracht. In der neunten Klasse ist sie mit uns in die Staatsgalerie Stuttgart gefahren. Jeder sollte sich ein Bild aussuchen und abmalen. Ich habe das ein bisschen freier ausgelegt und statt der alten Meister einen Feuerlöscher gemalt, der an der Wand hing. Das setzte ein mittelgroßes Donnerwetter. Meine Beziehung zu Feuerlöschern blieb trotzdem eng, ich hatte „beruflich“ mit ihnen zu tun. Immer in den Schulferien habe ich mein Geld in einer Feuerlöscher-Fabrik verdient, in der auch mein Vater als sogenannter Gastarbeiter beschäftigt war. Damals noch mit langen Haaren ging ich in den Schichtdienst am Fließband. Ich habe Rohre auf ihre Dichtigkeit geprüft. Stundenlang musste ich den immer gleichen Handgriff machen: Das Rohr auf eine Art Ventil setzen, festhalten und mit der anderen Hand die Hydraulik betätigen. Den ersten Lohn habe ich für einen Urlaub gespart. Der Job war einfach, aber auch sehr anstrengend, weil man bei aller Monotonie nie die Konzentration verlieren durfte. Einmal und nie wieder ist mir das passiert. Da schoss dann ein Rohr unkontrolliert durch die Luft. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Im Nachhinein war diese Arbeit eine prägende Erfahrung. Ich wollte mehr lernen und auf das Gymnasium wechseln, wofür ich als Hauptschüler damals belächelt wurde. Später habe ich das Fachabitur gemacht und Sozialpädagogik studiert. Meinen Vater haben Feuerlöscher das ganze berufliche Leben beschäftigt. Heute noch, Jahre nach der Pensionierung, schaut er jeden Feuerlöscher kurz an, wenn er an einem vorbeigeht und prüft, ob er auch von der „richtigen“ Marke ist.

Aufgezeichnet von Laura Gitschier

Der Diplom-Sozialpädagoge Cem Özdemir wurde 1965 in Bad Urach als Sohn türkischer Einwanderer geboren. Seit 1981 ist er Mitglied der Grünen. Özdemir ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Cem Özdemir Parteichef von Bündnis 90, Die Grünen

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