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Bill Gates

© dpa

Microsoft: Bye-bye, Bill

Der Gründer von Microsoft tritt von der großen Bühne ab – auf der wichtigsten Konsumelektronik-Messe in Las Vegas. Bereits im Laufe diesen Jahres will Gates bei Microsoft seine letzten aktiven Posten räumen.

Immer wieder wippt der 29-Jährige beim Interview auf seinem Stuhl mit dem Oberkörper hin und her. Der junge Mann versprüht eine Art Sendungsbewusstsein, gepaart mit einem unbändigen, fast mit Händen zu greifenden Ehrgeiz. Der so hibbelige Software-Unternehmer macht dem fragenden Reporter dessen Job nicht gerade leicht. So war das 1984, beim ersten Interview des „Handelsblatts“ mit Bill Gates im Hotel „Vier Jahreszeiten“ in München.

Fast ein Vierteljahrhundert später fällt in Las Vegas der wohl letzte Vorhang für den Unternehmer Bill Gates. 15 Jahre lang hatte der Mitgründer von Microsoft, der größten Softwarefirma der Welt, Jahr für Jahr im Rampenlicht gestanden und die Eröffnungsrede bei der Consumer Electronics Show (CES) gehalten, der größten Konsumelektronik-Messe der Welt, die in diesem Jahr vom 7. bis 10. Januar in Las Vegas stattfindet.

Nun macht er Platz für einen Nachfolger. Im Laufe des Jahres will Gates bei Microsoft seine letzten aktiven Posten räumen. Den Vorstandsvorsitz hat er schon 2000 an Steve Ballmer abgegeben. Ab Sommer will sich der reichste Mann des Planeten nur noch um seine Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung kümmern. Diese Tage in der Wüstenstadt Las Vegas schmecken nach Neuanfang – für die CES, für Microsoft und für Bill Gates.

Die Messe war für Bill Gates stets das, was die Macworld in San Francisco für seinen großen Widersacher Steve Jobs auch heute noch ist: großes Kino vor tausenden Zuhörern. Aber während sich Apple-Chef Jobs kommende Woche auf dem Höhepunkt seiner Popularität als „iGott“ von jubelnden Jüngern huldigen lässt, verlässt Bill Gates, 52, die Bühne mit einer gemischten Bilanz.

Auf der einen Seite schuf er eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Microsoft war – und ist – eines der formenden Unternehmen des Informationszeitalters. Das „Time Magazine“ wählte Bill Gates zu einer der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Sein Reichtum ist legendär – allein seine Microsoft-Aktien sind über 40 Milliarden Dollar wert. Ein Spitzenplatz auf der Forbes-Liste der reichsten Weltbürger ist Bill Gates lebenslang sicher.

Zugleich gab sich Gates stets bodenständiger als mancher Konkurrent. Während die US-Technologiebranche ins kalifornische Silicon Valley pilgerte, blieb Microsoft in Gates’ Geburtsstadt Seattle. Geschadet hat ihm solches Außenseitertum nicht. Aber mit der wachsenden Macht von Microsoft formte sich in der Computerbranche auch ein Feindbild – bestärkt durch die Persönlichkeit des Gründers und Chefs: verschlossen und eher still, aber auch konfrontationsfreudig, dazu besessen vom eigenen Erfolg bis zur Skrupellosigkeit.

Auf großen Bühnen hatte es Bill Gates nicht immer leicht. Jeder Patzer auf der CES – mal stürzte ein Programm ab, mal blieb Gates bei einer Präsentation stecken – wurde hämisch bejubelt und breitgetreten. Unvergessen ist etwa die CES 2005, als Gates nach einer restlos verpatzten Vorführung des „Windows Media Center“ vom US-Late-Night-Talker Conan O’Brian auf offener Bühne regelrecht gedemütigt wurde.

Dass es so leicht zu sein schien, sich über Bill Gates lustig zu machen, hatte wohl mit seinem ewig jungenhaften, fast streberhaft wirkenden Äußeren zu tun. William Henry Gates III, so sein voller Name, wurde oft belächelt. Aber viel öfter wurde er unterschätzt. Mit enormer Zielstrebigkeit kämpfte Microsoft unter seiner Führung in über 30 Jahren zahlreiche Konkurrenten nieder. Nach dem überragenden Früherfolg mit dem Betriebssystem „Dos“ folgten zwar schwere Jahre, als die ersten Windows-Versionen floppten und Gates von Messe zu Messe tingelte. Er habe in den ersten Jahren nie Urlaub gemacht und nie einen Arbeitstag versäumt, sagt Gates heute. Mit „Windows 95“ schaffte er Mitte der neunziger Jahre endlich den Durchbruch.

Der Rest ist Geschichte. Heute laufen Microsoft-Betriebssysteme auf 90 Prozent aller PCs der Welt, immer mehr Programme von der Textverarbeitung bis zum Webbrowser kamen hinzu. Erst Interventionen von Kartellbehörden weltweit konnten Gates’ Siegeszug bremsen – und lassen Konkurrenten Luft holen.

Die CES in Las Vegas nutzte der Familienvater Gates – so wie der Junggeselle Jobs seine Macworld – immer wieder für Produktankündigungen, beispielsweise 2001 für den Einstieg in das Videospiele-Geschäft mit der Konsole Xbox. Manchmal ließ Gates auf der Messe auch Selbstkritik anklingen: „Ich habe direkt gesehen, wo man mit dem Internet hinkommen kann, nachdem alle anderen schon da waren“, witzelte er im Jahr 2003. Und hier beginnt auch der schwierige Teil seines Abschieds von Microsoft. Noch läuft der alte Windows- und Office- Motor rund und ruckelt nur hin und wieder ein wenig. Satte 51 Milliarden Dollar hat der Konzern 2007 umgesetzt. Nettogewinn: 14 Milliarden Dollar. Das allein ist mehr als der Umsatz von Google.

Doch die Probleme sind unübersehbar. Das neue „Windows Vista“ leidet unter Startschwierigkeiten. Geschäftskunden zögern, das Betriebssystem zu übernehmen. Seit fünf Jahren beackert Microsoft mit „Windows Mobile“ den Markt für Smartphones. Und dann definiert das iPhone von Apple an einem einzigen Tag die ganze Branche neu. Auch Google wird bald ein Mobiltelefon herausbringen.

Auch die Defizite im Internet sind trotz zusätzlicher Milliardeninvestitionen nicht aufgeholt. Yahoo führt bei E-Mails, Vorstandschef Jerry Yang wird in Las Vegas nur einen Tag nach Gates die Bühne betreten. Google hat bei den Suchdiensten und im Anzeigenmarkt die Nase vorne. Apple verkauft so viele Computer wie nie zuvor. Mit „Zune“ konnte Microsoft dem iPod nie gefährlich werden.

Für Microsoft muss in Zukunft jemand anders antworten als Bill Gates. Leichter wird es nicht werden. Nächste Woche meldet sich ja schon wieder Steve Jobs auf der Apple-Hausmesse Macworld zu Wort. (HB)

R. Kulzer, A. Postinett

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