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Schön, aber teuer: Altbauwohnungen in angesagten Stadtvierteln.

© Doris Spiekermann-Klaas

Mieterbund-Präsident Rips: "Gute Wohnungen nur noch für Reiche"

Der Mieterbund-Präsident Franz-Georg Rips spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über steigende Mieten und warnt davor, die Kosten des Atomausstiegs einseitig auf die Mieter abzuwälzen.

Herr Rips, die Bundesregierung will Hausbesitzer und Vermieter jedes Jahr mit 1,5 Milliarden Euro bei der energetischen Sanierung ihrer Immobilien unterstützen. Wird das die Mieten weiter in die Höhe treiben, weil die Vermieter die Kosten für die Wärmedämmung auf die Mieter umlegen?

Das wird so kommen. Aber ich möchte eines vorweg ganz deutlich sagen: Wir sind für den schnellen Atomausstieg, und wir brauchen Kompensationen durch erneuerbare Energien. Das wird zu höheren Strom- und Heizungspreisen führen, keine Frage. Man muss den höheren Aufwand aber gerecht verteilen, und zwar sowohl, was die Energiepreise angeht, als auch die Kosten für die Wärmedämmung der Häuser, also die energetische Sanierung. Ich finde: Ein Drittel müssen die Vermieter tragen, weil ihre Objekte durch die Sanierung höherwertiger und attraktiver werden, ein Drittel der Staat, weil die Reduzierung von CO2 im öffentlichen Interesse liegt, und ein Drittel die Mieter. Die Energiewende ist nötig, aber wir müssen die Kosten gerecht verteilen.

Derzeit können Vermieter elf Prozent der Sanierungskosten auf die Mieter umlegen – und zwar zeitlich unbegrenzt.

Das halte ich für völlig überzogen. Wir sollten diese einseitige Umlage abschaffen und stattdessen die Drittelung der Kosten einführen. Die Mieter in energetisch sanierten Wohnungen könnten dann beispielsweise über eine Zulage, die ein Drittel der Energieinvestitionen beträgt, beteiligt werden.

Wer profitiert von der aktuellen Rechtslage? Die Vermieter, weil sie ihre Sanierungskosten doppelt und dreifach zurückbekommen, oder die Mieter, weil sie dauerhaft Heizkosten sparen?

Natürlich hat auch der Mieter Vorteile, aber wir wissen aus allen wissenschaftlichen Untersuchungen, dass elf Prozent der Investitionskosten deutlich höher sind als die einsparbaren Heizkosten. Im Augenblick profitiert eindeutig der Vermieter – zumindest, wenn er die elf Prozent umlegen kann. Das kann er in vielen Gegenden nicht. In angespannten Märkten, also dort, wo Wohnungen jetzt schon knapp sind, kann er die Umlage aber dazu nutzen, unliebsame Mieter zu vertreiben.

"Die Regierung macht Politik für Vermieter und Eigentümer", sagt der oberste Mieterschützer.
"Die Regierung macht Politik für Vermieter und Eigentümer", sagt der oberste Mieterschützer.

© dpa

Wie angespannt ist der Wohnungsmarkt? Wie viele Wohnungen fehlen?

Es gibt wissenschaftliche Erhebungen, die allerdings zu unterschiedlichen Zahlen kommen. Die Analysen schwanken zwischen 180 000 und 400 000 im Jahr. So viele Wohnungen müssten jedes Jahr neu gebaut werden, damit der Wohnungsmarkt ausgeglichen ist und die Mieten bezahlbar bleiben. Die Wohnungen müssten aber auch dort gebaut werden, wo man sie wirklich braucht.

Wo ist das?

In den Ballungsräumen, dazu gehören auch die begehrten Wohnlagen Berlins, und in allen Universitätsstädten fehlen Wohnungen.

Was passiert mit den Mieten, wenn die Wohnungen knapp bleiben oder noch knapper werden?

Die Mieten werden immer weiter steigen. Das haben wir ja in München, Hamburg und Frankfurt am Main schon erlebt. Es ist immer weniger gebaut worden, die Mieten sind immer weiter gestiegen, und es ist zu einer Entmischung der Bevölkerung gekommen. Die guten Wohnungen in den guten Lagen können sich nur noch reiche Leute leisten.

Die Bundesregierung möchte bis zum Jahr 2050 80 Prozent der Gebäude sanieren. Was kostet das?

Das kann man schlecht sagen. Aber es heißt natürlich im Umkehrschluss, dass sich für 80 Prozent der Mieter die Mieten erhöhen. Deshalb brauchen wir ein neues System.

Aber die Bundesregierung will davon nichts wissen, stattdessen will Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Mietern in den ersten drei Monaten der Sanierungsarbeiten die Möglichkeit nehmen, die Miete zu mindern.

Das ist völlig unnötig, weil es bei der Frage der Mietminderung derzeit in der Praxis kaum Konflikte gibt. Das Vorhaben zeigt aber deutlich, dass die schwarz-gelbe Regierung reine Klientelpolitik betreibt. Sie macht Politik für die Vermieter und Eigentümer. Alle Fachleute raten von der geplanten Reform ab. Wir brauchen ein System, das von allen akzeptiert und umgesetzt wird. Die Bundesregierung setzt ja bei der energetischen Sanierung nur auf Freiwilligkeit und Vernunft – und zwar der Vermieter. Die Mieter haben gar keine Mitbestimmungsmöglichkeiten, außer sich eine neue Wohnung zu suchen.

Was wollen Sie dagegen tun?

Der Kampf ist noch längst nicht zu Ende. Der Mieterbund hat in der Vergangenheit vieles erreicht und wird das auch in Zukunft tun. Wir haben drei Millionen Mitglieder, und wir sind eine starke gesellschaftliche Kraft. Wir werden unseren Sachverstand und unsere Macht einbringen, um auf allen Ebenen für eine vernünftige Mietrechtsänderung zu streiten.

Das Interview führte Heike Jahberg

Franz-Georg Rips (62) ist oberster Fürsprecher der Mieter. Seit vier Jahren ist der Jurist Präsident des Deutschen Mieterbundes und kämpft für bezahlbare Mieten und ein mieterfreundliches Recht. Mit drei Millionen Mitgliedern gehört der Mieterbund zu den wichtigsten Organisationen des Landes. Mitte Juni treffen sich die Delegierten der 322 örtlichen Mietervereine in Berlin zum Deutschen Mietertag, Thema: Folgen und Kosten der Energiewende. Doch Rips ist nicht nur oberster Mieterlobbyist. Seit zwei Jahren ist das SPD-Mitglied Bürgermeister der Stadt Erftstadt. Zudem ist Rips auch in der Verbraucherszene verankert. Der gebürtige Sauerländer ist Verwaltungsratsvorsitzender des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (VZBV).

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