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Mietstreit: Ist Karstadt gerettet?

Karstadt-Investor Nicolas Berggruen und die Valovis-Bank haben eine Einigung im Mietstreit erzielt. Ist die Warenhauskette damit gerettet?

Die unendliche Geschichte um die insolvente Warenhauskette Karstadt bekommt ein neues Kapitel. Der bereits als Retter gefeierte Investor Nicolas Berggruen einigt sich mit der kleinen Valovis-Bank aus dem Kreis der Immobilienbesitzer auf niedrigere Mieten für die Karstadt-Filialen, wie Berggruen und Valovis am Dienstagmorgen verkündeten. Doch die großen Banken aus dem Vermieter-Konsortium, Goldman Sachs und die Deutsche Bank, spielen nicht mit – zumindest noch nicht. Mehr als einen Monat, nachdem Berggruen den Kaufvertrag für Karstadt unterschrieben hat, und nach mehr als einem Jahr in der Insolvenz, ist damit die endgültige Rettung der Warenhäuser immer noch nicht in Sicht. Unklar bleibt somit auch die Zukunft von rund 25 000 Arbeitsplätzen bei Karstadt und 30 000 weiteren bei Zulieferern. Dass diese Arbeitsplätze immer noch gefährdet sind, betonte am Dienstag auch die Gewerkschaft Verdi.

Wer hat sich geeinigt?

Bei den Gesprächen zwischen dem gesamten Vermieter-Konsortium Highstreet und Berggruen hatte sich herausgestellt, dass vor allem die Valovis-Bank einer Einigung im Weg steht. Das Finanzinstitut, das früher selbst zur ehemaligen Karstadt-Mutter Arcandor gehörte und immer noch in Sichtweite der Karstadt-Zentrale in Essen-Bredeney sitzt, hatte Highstreet im Jahr 2006 für den Kauf von 36 Karstadt-Häusern einen Kredit über 850 Millionen Euro gewährt, dessen Rückzahlung man nun gefährdet sah

Deshalb verhandelte Berggruen in den vergangenen Tagen direkt mit Valovis, die von dem ehemaligen Wirtschaftsfunktionär Hanns-Eberhard Schleyer vertreten wird. Die Gespräche fanden am Sonntag und am Montag in einem Hotel in Aachen statt und wurden zum finalen Showdown im Karstadt-Poker stilisiert. Aus Kreisen von Goldman Sachs und Deutscher Bank, die bei Highstreet hauptsächlich das Sagen haben, wurde signalisiert, einem Kompromiss mit Valovis binnen 24 Stunden ebenfalls zuzustimmen. Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Margret Mönig-Raane schalteten sich in Aachen ein. In der Nacht zu Dienstag schließlich einigte man sich.

Wie sieht die Einigung aus?

Valovis hat den von Berggruen geforderten Mietsenkungen zugestimmt. Demnach sollen die Mieten von 36 der insgesamt 120 Karstadt-Filialen, darunter auch das Berliner KaDeWe, von jährlich 141 auf zunächst 112 Millionen Euro sinken, um dann bis 2017 auf 129 Millionen Euro zu steigen. Die neuen Mieten sollen nun auch in den Grundbüchern der Immobilien festgeschrieben werden. Damit hätten sie auch im Fall eines Weiterverkaufs von Karstadt Bestand. Gegen diesen Punkt hatte sich Valovis lange gewehrt. Denn, so Schleyer, bei einer Abwertung der Sicherheiten für den Kredit, hätte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gegen Valovis ermittelt.

Dass die Bank nun zustimmt, hat einen einfachen Grund. Denn Valovis will sich aus dem Geschäft mit den Karstadt-Mieten zurückziehen – und das möglichst schnell. „Es fehlt nun nur noch an einer Regelung zu einer zügigen, vorzeitigen Ablösung des spätestens 2014 auslaufenden Darlehens der Valovis-Bank durch das Highstreet-Konsortium“, heißt es in einer Mitteilung von Berggruen und Valovis. Damit müsste Highstreet schnell einen neuen Kreditgeber für die 850 Millionen Euro finden oder die Summe selbst aufbringen.

Wie reagiert Highstreet?

Das Vermieter-Konsortium reagierte verärgert auf den erzielten Kompromiss. „Es wurde einmal mehr eine Einigung verkündet, die keine ist“, sagte Highstreet-Sprecher Richard Speich, „Berggruen hat uns den Schwarzen Peter zugeschoben“. Keiner der Aachener Verhandlungspartner hätte Highstreet über den Stand der Gespräche unterrichtet. Ob Highstreet die 850 Millionen Euro selbst oder mit externer Hilfe zahlen will, ließ Speich offen.

Wer ist Highstreet?

Hinter diesem Namen verbirgt sich die Summe der Investoren, an die Ex-Karstadt-Chef Thomas Middelhoff zwischen 2006 und 2008 86 Warenhäuser für insgesamt 4,5 Milliarden Euro verkaufte, die er anschließend zurückmietete. Highstreet ist dabei nur der Name, die Geschäftsadresse führt zu einem Briefkasten in Amsterdam ohne einen einzigen Mitarbeiter. Eine knappe Mehrheit an Highstreet hält die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs, angeführt von ihrem Deutschlandchef Alexander Dibelius. Die anderen Gesellschafter sind die Immobilientöchter der Deutschen Bank und der italienischen Unternehmen Pirelli, Generali und Borletti. Für den Deal mit Middelhoff nahm Highstreet Kredite auf, bei Valovis, aber auch bei diversen Fonds, deren Gläubiger nun auch mitentscheiden.

Wie geht es jetzt weiter?

Die erzielte Einigung gilt nur unter Vorbehalt. Zwar hat sich Berggruen auch mit Highstreet im Kern auf die künftigen Mieten verständigt – insgesamt sollen die Vermieter auf mehr als 400 Millionen Euro verzichten – doch dass nun zusätzlich 850 Millionen Euro fällig werden, sorgt für Unmut. „Die bisherigen Einbußen von Highstreet sind wesentlich höher als die von Herrn Berggruen“, sagte der Sprecher des Vermieter-Konsortiums.

Berggruen räumt in der veröffentlichten Erklärung zwar ein, dass es für die vorzeitige Ablösung des Kredits zu einem „sachgerechten Risikoausgleich“ zwischen Highstreet als Eigentümer der Immobilien und dem potenziellen Mieter Karstadt kommen soll. Wie viel er selbst dazu beiträgt, bleibt jedoch offen. An der Kreditsumme beteiligt er sich nicht, sagt Berggruens Sprecher, Wolfgang Weber-Thedy. „Seine Kreditgeschäfte muss Highstreet selbst managen.“

Beide Parteien gehen davon aus, dass sie für die finale Einigung einen zeitlichen Aufschub bekommen. Ursprünglich sollte das Amtsgericht Essen am 16. Juli, also Ende dieser Woche, endgültig über die Causa Karstadt entscheiden. Bereits in der vergangenen Woche hatte Berggruen um eine Verlängerung bis Ende des Monats ersucht. Highstreet hat die wohl entscheidende Sitzung der Gläubiger, auf der über die Verhandlungsergebnisse entschieden wird, für den 28. Juli angesetzt.

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