zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Milliarden Dollar im Wüstensand

Der Wiederaufbau des Irak kostet den US-Steuerzahler mehr als erwartet. Nun suchen die Amerikaner Geldquellen

Von Neil King Jr. und

Chip Cummins

Dass der Wiederaufbau des Irak sehr viel gefährlicher ist als die Regierung Bush vor wenigen Monaten gedacht hat, ist inzwischen allen Amerikanern schmerzlich bewusst geworden. Dass er aber auch weit kostspieliger wird als geahnt, ist noch nicht in das allgemeine Bewusstsein amerikanischer Steuerzahler vorgedrungen. Dabei werden sie den Großteil der Kosten schultern müssen.

Die Regierung Bush weigert sich bislang, die Kosten zu beziffern. Sie warte, bis in Bagdad der genaue Finanzbedarf ermittelt sei, heißt es. Doch aus Kreisen ist zu hören, dass die Wiederaufbaukosten im kommenden Jahr die 10 Milliarden Dollar-Grenze leicht überschreiten könnten - exkluxive der bisher schon investierten 3,2 Milliarden Dollar. Darüber hinaus rechnet die Regierung Bush mit Gesamt-Ausgaben von bis zu 50 Milliarden Dollar für die Stationierung zehntausender US-Soldaten.

Dies ergibt ein völlig anderes Bild, als von der Bush-Regierung vor dem Irak-Krieg gezeichnet worden war. Damals hatte die offizielle Parole gelautet: Der Irak würde im Gegensatz zu Afghanistan mit seinen reichen Ölvorkommen weitgehend selbst für den Wiederaufbau aufkommen. „Wir haben es mit einem Land zu tun, das seinen Wiederaufbau wirklich selbst finanzieren kann und zwar relativ bald", hatte der US-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz dem US-Kongress eine Woche nach dem Kriegsbeginn gesagt. Die Ölreserven „könnten innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre zwischen 50 Milliarden Dollar und 100 Milliarden Dollar einbringen". Diese Schätzung war allerdings von sehr optimistischen Annahmen aus und liegt der heutigen Realität völlig fern. In Wahrheit dürfte der Irak sich glücklich schätzen, wenn das Land im kommenden Jahr auch nur 10 Milliarden Dollar durch Ölexporte verdient.

Es gibt verschiedene Gründe, warum der Irak-Krieg für die Amerikaner immer teurer wird. Erste Schätzungen für die Kosten der Besetzung und des Wiederaufbaus waren einfach zu niedrig. Die Regierung Bush hatte unterschätzt, wie viel im Irak nach den verschiedenen Kriegen und den Sanktionen darnieder lag. Den Amerikanern war auch nicht klar gewesen, wie teuer sie Plünderungen und Sabotageakte und die dadurch notwendigen höheren Sicherheitsvorkehrungen zu stehen kommen würden.

Gleichzeitig werden die irakischen Öleinnahmen sehr viel niedriger ausfallen . Schuld ist der beklagenswerte Zustand der irakischen Ölförderanlagen. Als die amerikanischen und britischen Soldaten in den Irak eindrangen, fanden sie die Ölfelder zwar in einem relativen guten Zustand vor. Die Truppen waren aber nicht stark genug, um umfangreiche Plünderungen zu verhindern. Alles wurde beiseite geschafft - angefangen von Werkzeugen bis zu gewaltigen Pumpen. Das war für die Förderanlagen das Ende. Dabei hatten viele Teile der Anlagen ihr besten Tage schon längst gesehen. Zudem werden die Förderungs- und Exportkapazitäten des Irak durch Sabotageakte auf Pipelines weiter stark dezimiert.

Andere Einnahmequellen wie irakische Vermögen, die die Amerikaner in diesem Jahr angezapft haben, werden bis Ende Dezember zum größten Teil aufgebraucht sein. Der Irak braucht also Geld von außen. Das Land ist auf mehr als 16 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau und anderes angewiesen, und das ohne die Kosten für die militärische Besatzung. Als potenzielle Geldgeber kommen die USA, Europa, Japan, die Golfländer und internationale Finanzinstitutionen in Frage. Doch zum Unglück der USA gibt es bisher wenig Hoffnung auf die Hilfe anderer Länder. Das ist nicht zuletzt den anhaltenden Spannungen zwischen den USA und vielen Verbündeten zu verdanken.

Die Abgeordneten des US-Kongresses rechnen damit, dass die Regierung Bush sie in wenigen Wochen um eine gewaltige, außerplanmäßige Summe für den Irak bitten wird: Für die Versorgung der US-Truppen im Irak, für die Instandsetzung des irakischen Stromnetzes, die Versorgung mit sauberem Wasser, Hilfe für die staatlichen Unternehmen. Selbst republikanische Kongressabgeordnete verlangen von Bush, genaue Kostenschätzungen und Pläne vorzulegen: „Die Menschen müssen wissen, wie viel es kosten wird", sagt der republikanische Senator John McCain aus Arizona, ein eiserner Befürworter des Krieges. „Warum das wichtig ist? Weil meine Wähler Steuern zahlen."

Nicht nur in der US-Hauptstadt, auch im amerikanischen Hinterland macht man sich Sorgen über die hohen Kosten des Irak-Einsatzes. Es ist nicht nur ein politisches Problem. Der Wiederaufbau des Iraks wird durch die unstabile Situation verschlechtert, die notwendige Reparaturen verzögert. Das wiederum trägt zu einer schlechten Sicherheitslage bei und schafft damit eine Art Teufelskreis: Ohne mehr Geld für eine gut funktionierende Strom- und Wasserversorgung und ohne mehr Jobs für Iraker, werden diese eher murren und für Annäherungsversuche anti-amerikanischer Kräfte offen sein und eher Gewalt gegenüber den amerikanischen Besatzern ausüben.

In vielerlei Hinsicht wird das Bitten der Bush-Regierung für mehr Geld das formale Eingeständnis sein, dass die USA über einen langen Zeitraum viel Geld in den Irak investieren müssen. Es wird erwartet, dass der Irak im kommenden Jahr 20 Milliarden bis 30 Milliarden Dollar braucht - je nachdem, wie stark die USA und andere Lände den Wiederaufbau vorantreiben. Doch die Ölexporte könnten 2004 höchstens sieben Milliarden Dollar einbringen, heißt es in politischen Kreisen in Bagdad.

Vertreter der Bush-Regierung hoffen darauf, mit diplomatischen Anstrengungen die Madrider Geber-Konferenz noch zu retten - und damit die US-Steuerzahler zu entlasten. Geht man von früheren Erfahrungen aus, werden Länder wie Deutschland und Frankreich nicht die Milliarden Dollar bewilligen, die der Irak im kommenden Jahr braucht.

Neil King Jr., Chip Cummins

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false