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Luftbuchungen. Über Scheinfirmen sollen die Angeklagten mit Emissionsrechten gehandelt und Steuerboni kassiert haben.

© dpa

Millionenbetrug mit Klima-Zertifikaten: Das stinkt zum Himmel

In Frankfurt am Main wird derzeit einer der größten Wirtschaftsprozesse der Nachkriegsgeschichte verhandelt. Sechs Männer sollen den Staat beim Handel mit Klima-Zertifikaten um 250 Millionen Euro betrogen haben.

Zwei Staatsanwälte, sechs Angeklagte und gleich ein Dutzend Verteidiger. Es war nicht leicht, für alle einen Platz zu finden im Saal I des Frankfurter Landgerichts, wo derzeit einer der größten Wirtschaftsprozesse der Nachkriegsgeschichte verhandelt wird: Mit einem komplizierten Firmengeflecht sollen die sechs Männer – zwei Deutsche, ein Franzose und drei Briten – durch den Handel mit Emissionszertifikaten zwischen Sommer 2009 und Frühjahr 2010 mehr als 250 Millionen Euro an Steuern hinterzogen haben.

An den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft hat das Gericht offenbar wenig Zweifel: Schon vor Beginn der Hauptverhandlung vor der zweiten großen Wirtschaftsstrafkammer hatte der Vorsitzende Richter Martin Bach in einem eher ungewöhnlichen Schritt den Verteidigern einen Strafrahmen angeboten – zwischen drei und neun Jahren. Am Montag erneuerte er diesen Vorschlag.

Doch eine schnelle Einigung ist vorerst nicht in Sicht. Zunächst einmal stellten die Verteidiger der zwischen 28 und 65 Jahre alten Angeklagten einen Befangenheitsantrag gegen Bach und einen zweiten Richter. Zudem verlangten sie die Aussetzung der Hauptverhandlung, weil ihnen kein Einblick in wichtige in Großbritannien beschlagnahmte Unterlagen gewährt worden sei und sie so in ihrer Arbeit behindert worden seien.

Trotzdem ließ Bach Oberstaatsanwalt Thomas Gonder die Anklage verlesen. Danach scheint klar, dass die Angeklagten den Fiskus massiv beim Handel mit Emissionszertifikaten, mit denen der Klimaschutz in Unternehmen vorangetrieben werden soll, übers Ohr gehauen haben. Sie seien Mitglieder einer Bande gewesen und hätten eigens zum Zwecke des Steuerbetrugs auf Basis eines „gemeinsamen Tatplanes“, so Gonder, diverse Firmen gegründet, meist mit Sitz in Frankfurt. Über Firmen wie „New Energy Markets“, „Carbonex“, „Lösungen 360“ oder „Vektor Energie“ sollen die Angeklagten ein sogenanntes Umsatzsteuerkarussell aufgezogen haben. Dazu wurden offenbar CO2-Emissionszertifikate im Ausland gekauft, mehrfach in Deutschland weitergegeben und schließlich wieder im Ausland verkauft. In ihren Umsatzsteuererklärungen sollen diese Geschäfte verschleiert und Vorsteuerbeträge in insgesamt dreifacher Millionenhöhe geltend gemacht worden sein, die nach Angaben von Staatsanwalt Gonder nie angefallen sind. Auch hohe Steuerrückerstattungen soll es gegeben haben.

Die beiden Deutschen – ein 62-jähriger Diplom-Ingenieur und sein 35-jähriger Sohn, ein Informatiker – sollen zusammen rund 83 Millionen Euro an Steuern hinterzogen haben. Der mit 28 Jahren jüngste Angeklagte soll gar 105 Millionen Euro am deutschen Fiskus vorbeigeschleust haben. Er legte am Montag auch ein Geständnis ab: „Die gegen mich erhobenen Anschuldigungen sind wahr“, sagte der Bank- und Marketingfachmann nach der Anklageverlesung. Auf die anderen Angeklagten entfallen Beträge von 58 Millionen und zwei Mal gut zehn Millionen Euro. Laut Gesetz kann schwerer Umsatzsteuer-Betrug mit Strafen von bis zu zehn Jahren belegt werden.

Rund 300 Zeugen sind für den vorerst bis März 2012 angesetzten Prozess geladen. Damit allerdings könnte das Verfahren längst nicht abgeschlossen sein. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft wird derzeit noch gegen weitere gut 160 Personen ermittelt, 45 000 Aktenseiten wurden bislang gesichert. Der Schaden für den deutschen Fiskus könnte insgesamt sogar bei 850 Millionen Euro liegen. Hintermänner werden auch in der Schweiz und in Dubai vermutet.

Unter den Personen, gegen die weiter ermittelt wird, sind auch sieben Mitarbeiter der Deutschen Bank. Deren Geschäftsräume in Frankfurt und London waren vor rund eineinhalb Jahren ebenfalls durchsucht und zahlreiche Aktien beschlagnahmt worden. Über die Deutsche Bank wurden offenbar viele der Geschäfte abgewickelt. Ob die Bank allerdings von der betrügerischen Absicht der Beschuldigten wusste, ist unklar. Die Deutsche Bank geht, wie ein Sprecher des Instituts sagte, weiter davon aus, dass die sieben Mitarbeiter unschuldig sind. Sie stehen nach wie vor in Diensten der Deutschen Bank. Richter Bach ließ am Montag durchblicken, dass das Institut für den Schaden, der dem Fiskus durch die Betrügereien entstanden ist, mit haftbar gemacht werden könnte, wenn ihre Mitarbeiter doch angeklagt und möglicherweise verurteilt werden.

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