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Wirtschaft: Mindestlöhne vernichten Jobs

Statt mehr Geld werden viele Geringqualifizierte die Kündigung bekommen

Von Hilmar Schneider Die Probleme des deutschen Arbeitsmarktes kommen in erster Linie von einem Sozialstaat, der in gut gemeinter Absicht dafür gesorgt hat, dass sich einfach bezahlte Arbeit für viele nicht mehr lohnt. Wer beispielsweise als allein lebender Arbeitsloser im Monat durchschnittlich 650 Euro an Grundsicherung erhält, wird sich durchaus nachvollziehbar schwer damit tun, einen Job anzunehmen, der das verfügbare Einkommen beispielsweise nur um 100 Euro erhöht. Das zeigt nicht zuletzt der Widerstand vieler Betroffener gegen die so genannten Ein-Euro-Jobs.

Grob gerechnet liegt die Schwelle, ab der sich die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit für einen Transferempfänger lohnt, netto beim Zweifachen des Grundsicherungsanspruchs. Implizit haben wir also längst einen Mindestlohn, und er erreicht locker den europäischen Spitzenwert der gesetzlichen Mindestlöhne, der im von Finanztransfers reich gesegneten Luxemburg bei knapp 1500 Euro brutto im Monat liegt. Ihn zu überschreiten, ist für Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung gar nicht so leicht. Nicht umsonst macht diese Gruppe die Hälfte der Arbeitslosen aus. Am ehesten lohnt sich da noch Schwarzarbeit. Es müsste folglich alles dafür getan werden, den impliziten Mindestlohn drastisch zu senken, damit Menschen mit einfachen Fähigkeiten auch wieder eher bereit sind, einfache Tätigkeiten zu einfachen Löhnen anzunehmen.

Die Hartz-Reform war ein erster Schritt in diese Richtung, wenn auch in der Umsetzung noch vieles im Argen liegt. Wenn aber jetzt ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird, der nach den Vorstellungen seiner Befürworter auf dem Niveau des heutigen impliziten Mindestlohns liegen sollte, ist nichts gewonnen. Im Gegenteil: Der implizite Mindestlohn wirkt nur auf Transferbezieher, der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle. Hausfrauen, Rentner und Studenten beispielsweise, die bislang im Rahmen eines 400-Euro-Jobs bereit waren, für einen geringen Stundenlohn zu arbeiten, hätten nun Anspruch auf den Mindestlohn. Zu befürchten ist, dass viele von ihnen statt mehr Geld die Kündigung erhalten würden.

Der Autor ist Direktor für Arbeitsmarktpolitik am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn.

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