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Wirtschaft: Miserabler Selbstvermarkter mit Biss

Der 59-jährige Gunter Thielen wird neuer Vorstandschef von Bertelsmann

Berlin/Düsseldorf (uwe/bef/pos/HB). Gunter Thielen, der als Nachfolger für Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff nominiert ist, ist im Gegensatz zu seinem Vorgänger ein Medienmann des alten Schlages. Der nahezu unbekannte 59-Jährige hat im Schatten des smarten Middelhoff Karriere gemacht: Im vergangenen Oktober wurde er nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit Chef der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft und der Bertelsmann Stiftung. Damit folgte er dem Firmenpatriarchen Reinhard Mohn – und wurde einer der mächtigsten Männer bei Bertelsmann überhaupt. Denn in beiden Ämtern kontrollierte er Thomas Middelhoff und die Bertelsmann AG.

Thielen, der mit Middelhoff und dessen Vertrauten nichts gemein hatte, ist bereits seit 1980 bei Bertelsmann. Der Saarländer, der Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften studiert hat, war zunächst für die Druckereien und die Industriebetriebe des Unternehmen, der späteren Arvato, zuständig. 1985 übernahm er im Vorstand die Verantwortung für die damaligen Druck- und Industriebetriebe.

Das „Manager Magazin“ attestierte ihm im Mai anerkennend, dass er der Beweis dafür sei, dass „die tollsten Karrieren immer noch von den blassesten Typen“ gemacht werden. „Der miserabelste Selbstvermarkter aus dem Bertelsmann-Vorstand wurde zu einem der wichtigsten deutschen Medienmanager“, schrieb das Magazin. Der als Sanierungsexperte geltende Manager wurde von Middelhoff in den Ausschuss berufen, der den Börsengang von Bertelsmann vorbereiten sollte.

Mit der Entscheidung, Thielen an die Spitze zu berufen, setzt der Konzern in stürmischen Zeiten auf Bodenständigkeit, Erfahrung und Beharrlichkeit. Gunter Thielen verfolgt seine Strategien im Hintergrund ohne viel Aufhebens, aber nicht ohne Druck – und vor allem nicht ohne wirtschaftlichen Erfolg. Als Chef der eigenständigen Industrie- und Drucktochter Arvato hat Thielen stets hohe Gewinne innerhalb des Konzerns abgeliefert. Er gilt als „alter Kämpfer“, der mit seiner Kraft als Integrationsfigur das Unternehmen wieder zusammenschweißen kann.

Altersgrenze aufgehoben

Das ist dem Konzern offenbar so viel wert, dass er sogar seine traditionelle Altersgrenze für Vorstandschefs aufhebt. Eigentlich müssen die Chefs mit 60 die Konzernspitze verlassen. Thielen feiert am kommenden Sonntag seinen 60. Geburtstag. Trotzdem ist er alles andere als ein Übergangskandidat.

Von der bisherigen unternehmerischen Leistung Thielens im Konzern ist vor allem der legendäre Bertelsmann-Gründer Reinhard Mohn überzeugt. Mohn hat Thielen immer gefördert und machte ihn im Oktober vorigen Jahres zu seinem Nachfolger an der Spitze der Institutionen, die bei Bertelsmann die Mehrheit des Kapitals halten und die Stimmrechte kontrollieren.

Der Machtwechsel gelang ohne viel Aufsehen – so wie es Mohns und Thielens Art ist. Thielen genießt nicht nur das volle Vertrauen des 80-jährigen Mohn, sondern auch das von dessen deutlich jüngerer Ehefrau Liz, die bei Bertelsmann im Hintergrund eine immer wichtigere Rolle einnimmt.

Der künftige Vorstandsvorsitzenden setzt sich langfristige Ziele, bricht als Manager keine Entscheidung übers Knie und ist stolz darauf, dass er bislang nie Mitarbeiter entlassen musste. „Was mich als Manager am meisten ärgert, ist zu spätes Handeln“, hat er einmal gesagt.

Dass er ein Vollblutunternehmer ist, hat Thielen nicht nur im Druck- und Industriegeschäft gezeigt. Als Anteilseigner wirft er auch ein Auge auf das Management der Hans Höll Fleischwarenfabrik im Saarland, außerdem ist er an der Firma Altatec beteiligt, einem Spezialisten für Zahnimplantate. Mit Rückendeckung Mohns setzte er als Chef bei der Bertelsmann-Stiftung mehr unternehmerisches Denken durch: Die Stiftungsarbeit soll von projektbezogenen Teams gestemmt werden, die sich an Budgetvorgaben halten und an Zielen messen lassen müssen.

Als Stärke des künftigen Bertelsmann-Chefs gelten Verlässlichkeit und Offenheit – damit sammelte er auch Pluspunkte bei den Arbeitnehmern. Im gesamten Unternehmen gibt es keinen, der etwas Schlechtes über ihn berichten würde. Thielen ist im aufgewühlten Bertelsmann-Konzern die letzte verbliebene große Integrationsfigur.

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