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Wirtschaft: Mit Blaulicht über die Datenautobahn

Die Telekom stellt ihr Netz auf Internettechnik um – das soll die Kosten um ein Drittel senken

1750 zentrale Vermittlungsstellen gibt es in Deutschland. Das sind die Knotenpunkte im Telefonnetz der Telekom. Vermittlungsstellen können schon mal so groß sein wie ein Einfamilienhaus. Drinnen stehen in klimatisierten Räumen hunderte Rechner. Ein Drittel von diesen Vermittlungsstellen könnten bald überflüssig sein und mit ihnen die Arbeit vieler Mitarbeiter. Bereits der frühere Telekom-Chef Ricke hatte angekündigt, dass die Kosten von heute sieben Milliarden Euro im Jahr auf etwa fünf Milliarden in 2012 sinken werden. Spätestens dann soll das neue Netz fertig sein.

Wie fast alle anderen europäischen Netzbetreiber stellt die Telekom ihr gesamtes Netz auf Internettechnik um. Netze der neuen Generation oder „Next Generation Networks“ heißen sie im Fachjargon. Heute betreibt die Telekom noch zwei verschiedene Infrastrukturen. Zum einen das klassische Sprachnetz. Jedes Mal wenn ein Kunde eine Nummer wählt und der Angerufene das Gespräch abnimmt, wird eine Leitung zur Verfügung gestellt. Daneben betreibt die Telekom ein Datennetz, das heute schon auf Basis des Internetprotokolls (IP) läuft. Hier werden für die Kommunikation keine Leitungen blockiert. Vielmehr werden die Informationen in kleine Datenpakete zerlegt, die mit einer Adresse versehen auf ihren Weg durch das Netz vom Absender zum Adressaten geschickt werden. Die Systemsteuerung findet immer die schnellste gerade verfügbare Route.

Künftig sollen Sprache und Daten nur noch über ein Netz laufen, das deutlich effizienter ist, als die herkömmlichen Netze. Die Transportleitungen dafür sind überwiegend schon gelegt. Nun werden flächendeckend Rechner angeschlossen, die aus allen ankommenden Signalen Datenpakete machen. Das auf der Basis des Internetprotokolls arbeitende Netz arbeitet weitgehend selbstständig. Es erfordert auch kaum Wartungsarbeiten. Das könnte mehr als 30 000 Arbeitsplätze bei der T-Com überflüssig machen, schätzen Experten. Es müssen keine Techniker mehr hinausfahren, um Anschlüsse physisch umzuschalten. Künftig wird das Netz per Software gesteuert.

Für den Netzbetreiber entstehen neben den geringeren Betriebskosten des Netzes weitere Vorteile: Weil das Netzwerk nicht zwischen herkömmlichem Telefonieren, Fernsehen, mobilem Telefonieren und Internet unterscheidet, sondern nur adressierte Datenpakete erkennt, lassen sich auch immer neue Angebotsvariationen und Dienste ohne großen Aufwand programmieren. Das Netz muss nicht mehr wie bisher jedes Mal aufwendig mit Informationen gefüttert werden.

Dass es für ein Gespräch keine feststehende Leitung mehr gibt, kann theoretisch dazu führen, dass es bei hohem „Verkehrsaufkommen“ im Netz mitten im Telefonat oder beim Versenden einer großen Datei auf der Datenbahn eng wird. Bei vielen derzeit schon verfügbaren Internet-Telefonangeboten werden die einzelnen Datenpakete dann abgespeckt, und die Verbindung verliert an Qualität. Ziel ist es, der Sprache im Netz künftig Vorrang zu gewähren, so dass die Telefonate bei Stau mit Blaulicht an anderen Dateien vorbeirauschen können. Alle Daten, die nicht in Echtzeit transportiert werden müssen, müssen warten.

Ein Beispiel für neue Anwendungen ist „Click-to-Dial“: Ein Klick auf einen Link im Internet stellt eine direkte Sprechverbindung zum Kundendienst eines Unternehmens her. Auch Funktionen wie beim Walkie-Talkie sind möglich: Der Kunde kann mit einzelnen oder mehreren Gesprächspartnern ständig verbunden bleiben, ohne dass dabei Verbindungskosten anfallen. Bezahlt wird nur, wenn gesprochen wird.

Nils-Viktor Sorge

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