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Wirtschaft: „Mit dem Sparpaket wird die Versorgung noch schlechter“

Ekkehard Bahlo vom Patientenverband über seit Jahren sinkende Qualität der Behandlung und die Fehler im System

Herr Bahlo, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt will kräftig sparen – bei den Medikamenten, den Arzt und Krankenhauskosten, die Heil- und Hilfsmittel sind auch in der Diskussion. Was bedeutet das für die Patienten?

Die Qualität der Versorgung wird sich weiter verschlechtern. Unser System arbeitet kostenorientiert – und dabei fällt die Qualität hinten runter. Krankenkassen halten nach billigeren Lösungen Ausschau, nicht etwa nach den effektiveren.

Was heißt das konkret?

Schon in den letzten Jahren wurden viele Standardbehandlungen aus Kostengründen gestrichen – wie etwa Physiotherapien oder Massagen. Einer Umfrage der Gmünder Ersatzkasse zufolge hat fast über ein Viertel der Befragten bestimmte Verordnungen nicht mehr bekommen. Bewegen Sie sich selber, hieß es da, machen Sie selber Übungen.

Bei Hilfsmitteln sind die Kosten seit 1976 um das Zwanzigfache angestiegen. Zu Recht?

Das ist keine zwanzigfache Preiserhöhung, sondern die Folge des technischen Fortschritts, den wir als Solidargemeinschaft versuchen müssen zu bezahlen, um beispielsweise Behinderten eine neue Lebensqualität zu geben.

Dann hat sich also die Qualität hier deutlich verbessert?

Das ist relativ. Wenn ich heute Krücken brauche, dann entscheidet letzten Endes die Kasse – und sucht die billigste Variante aus, auch wenn die heutzutage natürlich viel teurer und besser ist als vor ein paar Jahren. Jetzt wird noch rigoroser nach billigen Produkten gesucht werden, und das heißt: schlechtere Qualität, als möglich wäre.

Aber es muss doch gespart werden – allein schon, damit die Patienten nicht die explodierenden Beitragssätze zahlen müssen.

Mit Sparen alleine kommen wir nicht weiter. Wir müssen endlich das System verändern. Zum Beispiel die Integration der stationären und der ambulanten Versorgung. Bei der Gesundheitsreform 2000 war das geplant, wurde aber wieder fallen gelassen. Hätten wir das richtig umgesetzt, wären wir heute ein großes Stück weiter.

Wieso?

Ein niedergelassener Arzt könnte einen Patienten oft günstiger behandeln – aber aus Budgetgründen hat er kein Interesse daran und schickt ihn ins teurere Krankenhaus. Das ist auch für den Patienten unangenehmer.

Wo muss der Reformansatz liegen?

Es gibt einfach viel zu wenig Anreize für die Leistungserbringer wie Ärzte und Krankenhäuser, Qualität zu liefern und gleichzeitig wirtschaftlich zu arbeiten. Es fehlt ein Element, was den einzelnen Beteiligten stärkere Verantwortlichkeit abverlangt. Ein Arzt könnte doch ein besseres Einkommen haben, wenn er seinen Patienten besonders gut oder schnell behandelt.

Wie soll man das denn messen?

Dafür müssen Systeme entwickelt werden. Fakt ist: Die Krankenbehandlung wird über den Prozess honoriert, viele Ärzte behandeln ihre Patienten zu lange, weil ihnen das Geld bringt, obwohl sie in kurzer Zeit wirksam behandelt werden könnten. Die Patienten müssen in den Mittelpunkt, aktiv in die Beurteilung der ärztlichen Leistung einbezogen werden. Dann würde auch weniger Geld verschwendet werden.

Das Gespräch führte Flora Wisdorff.

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