zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Mit Fieber ins Büro – das muss nicht sein

Wer krank ist, braucht nicht zu arbeiten. Aber für die Krankmeldung gibt es genaue Regeln. Bei Verstößen drohen Abmahnungen

Von Susanne Herr und

Matthias von Arnim

Es ist wieder so weit. Der goldene Herbst ist gekommen und mit ihm seine treuen Begleiter Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Was also tun, wenn die Temperatur steigt, der Hals kratzt und im Kopf ein Vorschlaghammer dröhnt? Sich hustend und schniefend zur Arbeit quälen, um dort Mitarbeiter und Kunden mit seinen Bazillen zu beglücken? Oder sich lieber ein paar Tage ins Bett legen?

Die Statistik zeigt, dass Arbeitnehmer immer häufiger die erste Alternative wählen: Der durchschnittliche Krankenstand, also der Anteil der arbeitsunfähigen kranken Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenkassen, ist in den vergangenen Jahren beständig geschrumpft. 1999 lag er bei 4,27 Prozent, 2000 bei 4,22 und 2001 bei 4,19 Prozent. Bis zum August dieses Jahres war die Zahl gar auf 4,12 Prozent gefallen – wobei die erkältungsintensiven Monate freilich erst noch kommen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) glaubt, dass zum einen die schlechte Lage am Arbeitsmarkt für die geringeren Fehlzeiten verantwortlich ist. Zum anderen gebe es aber in den Betrieben auch verstärkt vorbeugende Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Wenn diese Maßnahmen aber versagen und die Angst vor der Arbeitslosigkeit hinter schweren Gliedern und Hustenreiz zurücksteht, dann stellt sich dem Arbeitnehmer die Frage: Wie melde ich mich richtig krank? Denn wer nicht weiß, welche Pflichten im Krankheitsfall auf ihn zukommen, riskiert eine Abmahnung seines Arbeitgebers.

Die erste ist in Paragraph fünf des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG) geregelt: „Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen.“ Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. „Wer morgens aufwacht und merkt, dass er nicht arbeiten kann, muss sofort überlegen, ab wann er jemanden in seinem Betrieb erreicht“, sagt Anja Mengel, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Linklaters Oppenhoff & Rädler. „Wenn jemand aber erst mittags aus einem Fiebertraum aufwacht und dann sofort anruft, handelt er ebenfalls ohne schuldhaftes Zögern.“ Ansprechpartner für den Kranken ist, wenn kein anderer Mitarbeiter ausdrücklich autorisiert ist, der Vorgesetzte. Denn dieser muss sich ja zum Beispiel bei Fließbandarbeit sofort um Ersatz kümmern.

Nach drei Tagen zum Arzt

Weitere Verpflichtungen hat der Arbeitnehmer bei einer kurzen Erkrankung bis zu drei Tagen keine. Wenn aber die Beschwerden partout nicht abklingen, muss man als Nächstes zum Arzt gehen. Das Gesetz sagt: „Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen.“ Wer sich also an einem Freitag krank meldet, der muss schon am Montag zum Arzt und am selben Tag das Attest vorlegen. Denn das Gesetz spricht von „Kalendertagen“. In der Praxis allerdings werden solche Fälle vom Arbeitgeber meist großzügig gehandhabt. Aber Vorsicht: „Der Nachweis kann vom Arbeitgeber auch zu einem früheren Zeitpunkt verlangt werden“, sagt Gabriele Rähse von der AOK Berlin. Entsprechendes könne in Einzel- oder Tarifverträgen geregelt werden.

Verschlimmert sich die Krankheit dann auch noch so, dass sie den Arbeitnehmer länger als in der Befreiung vorgesehen ans Bett fesselt, muss er sich ein zweites Attest besorgen: „Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen“ (EntgFG). „Wann genau dieses Attest abgegeben werden muss, ist im Gesetz nicht geregelt“, sagt Mengel. Die Expertin rät jedoch dazu, für einen nahtlosen Übergang von einem Attest ins nächste zu sorgen oder den Arbeitgeber zumindest mündlich vor Ablauf des ersten Attests zu informieren.

Wer sich an diese Bestimmungen nicht hält, verletzt Nebenpflichten in seinem Arbeitsverhältnis. „Bei einer verspäteten Information kann der Arbeitgeber eine Abmahnung aussprechen“, warnt Mengel. „Wenn dasselbe wieder passiert, darf er dem Arbeitnehmer unter Umständen sogar kündigen.“ Es komme dabei aber auch auf den Einzelfall an: Wer unentschuldigt fehlt und dadurch den Betrieb lahm legt, muss sich vermutlich auf mehr Ärger einstellen als jemand, der sein Attest einen Tag zu spät abgibt.

Weniger Sorgen als um die korrekte Abmeldung muss sich der Arbeitnehmer um seinen Lohn machen: Grundsätzlich zahlt in den ersten sechs Wochen seiner Krankheit der Arbeitgeber sein Gehalt zu 100 Prozent weiter. „Danach erhalten versicherungspflichtig Beschäftigte Krankengeld von ihrer Krankenkasse“, erklärt Rähse. Das beträgt 70 Prozent des Bruttogehalts, höchstens aber 90 Prozent des Nettogehalts abzüglich der Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung. In dieser Phase haben die Krankenkassen dann die Möglichkeit, ihren medizinischen Dienst einzuschalten. Dieser überprüft zum einen, ob Rehabilitationsmaßnahmen eingeleitet werden müssen. Zum anderen sollen dadurch aber auch Blaumacher enttarnt werden.

Fehltage für Eltern

Berufstätige Eltern können auch dann zu Hause bleiben, wenn ihre Kinder krank sind. Jeder Elternteil darf pro Kind und Jahr zehn Tage zu Hause zu bleiben, wenn keine anderen Pflegepersonen im Haushalt leben. Für das zweite Kind verdoppelt sich der Anspruch für beide Eltern auf insgesamt 40 Tage. Nach oben ist die Zahl der freien Tage jedoch auf 50 begrenzt. Alleinerziehende bekommen 20 Tage pro Jahr und Kind frei, müssen sich aber ebenfalls an die Obergrenze von 50 Tagen halten.

Der Arbeitgeber muss auch in diesem Fall unverzüglich informiert werden sowie eine Betreuungsbescheinigung des Arztes erhalten. Er kann die Zahlung des Geldes nur verweigern, wenn der Anspruch im Arbeits- oder Tarifvertrag explizit ausgeschlossen ist. Nicht jeder, der an Werktagen nicht zur Arbeit geht, ist also ein Simulant. Ohnehin scheint zumindest der „blaue Montag“ in Deutschland in der Realität kaum zu existieren: Erkenntnissen des Deutschen Gewerkschaftsbunds zufolge ist der Tag mit den meisten Krankmeldungen nämlich der Dienstag.

Nicht immer haben Arbeitnehmer nur mit vorübergehenden Erkrankungen zu kämpfen. Sollten Beschäftigte dauerhaft gehandicapt sein und eine Behinderung (siehe unten) vorliegen, wirkt sich das auch in ihrem Arbeitsverhältnis aus. Schwerbehinderte Menschen erhalten zum Beispiel einen Zusatzurlaub von einer Arbeitswoche und können sich von Mehrarbeit freistellen lassen. Allerdings wissen oft weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer von diesen Regelungen. Oder die Betroffenen kennen zwar ihre Rechte, nutzen sie aber aus Angst um ihren Arbeitsplatz nicht, berichtet Michael Pinter, Referent im Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK).

Dabei könnten schon Arbeitnehmer mit einem festgestellten Minderungsgrad von mindestens 30 beim Arbeitsamt einen Antrag stellen, der sie arbeitsrechtlich Schwerbehinderten gleichstellt. Damit genießen sie praktisch Kündigungsschutz.

Wenn der Arbeitgeber einem schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen kündigen will, muss er vorher die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Und das stimmt Entlassungen nur in Ausnahmefällen zu. Zum Beispiel, wenn ein Arbeitgeber während des Einstellungsgesprächs ausdrücklich nach einer Behinderung gefragt hat und der Arbeitnehmer die Frage verneint hat, obwohl eine Behinderung zu diesem Zeitpunkt bereits festgestellt war. Das gilt dann als arglistige Täuschung. Der Kündigungsschutz entfällt.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false