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Wirtschaft: Mit Gott und guten Worten

Wenn Konzerne Kosten senken und Leute entlassen, geben sie ihren Programmen vielsagende Namen

Tui nennt es Top, Schering Focus, Karstadt-Quelle spricht von Challenge und die Post sagt Star dazu. Volkswagen glaubt an For-Motion, Opel an Olympia und der Energiekonzern Eon ist on top.

Sage mir, wie du dein Sparprogramm nennst, und ich sage dir, wer du bist. Diesem Leitsatz scheinen immer mehr Großunternehmen zu folgen, wenn sie ihre Kosten-, Effizienz- oder Restrukturierungsprogramme mit klingenden Namen versehen. Statt von Stellenabbau und Kostendruck reden zu müssen, nehmen die Konzernstrategen gerne Anleihen aus der Welt der Markenprodukte und des Corporate Branding – der Namensgebung für Unternehmen. Mit einem schicken Label, wie die Marketingexperten das Etikett nennen, spart es sich angenehmer. Das hoffen zumindest die Wortschöpfer.

„Unter dem Deckmantel klingender Titel werden häufig schmerzhafte Einschnitte kaschiert“, sagt Manfred Gotta, Erfinder bekannter Markennamen (Smart, Twingo). Ein Titel werde aber auch für die komplizierten Sparprogramme gebraucht, um die vielfältigen Maßnahmen überhaupt griffig kommunizieren zu können – nach innen und nach außen. „Die Fantasie bleibt dabei leider häufig auf der Strecke“, bedauert Gotta.

Im Zweifel greift man zu simplen Lösungen – wie etwa die Post mit ihrem Programm Star. „Das Wort Wertsteigerungsprogramm war ein bisschen zu lang“, erklärt ein Sprecher. Statt dessen erfand man Star. Um es für Mitarbeiter und Kunden noch einfacher zu machen, gab man Star zusätzlich ein Logo mit auf den Weg. Marketingexperten sprechen hier von einer „konsistenten Erlebniskette“. Will sagen: Am Ziel der Wertsteigerung kommt bei der Post keiner vorbei. Der Öffentlichkeit oder dem Finanzmarkt werde damit zugleich „demonstriert, dass man das Projekt mit aller Kraft anpackt“, sagt Hans-Ulrich Cyriax Mitglied der Geschäftsführung des Hamburger Büros des Beratungsunternehmens Henrion Ludlow Schmidt. Der Berater warnt aber vor überzogenen Erwartungen. „Der Versuch, Mitarbeiter zu motivieren und ein schwieriges Thema wie einen Stellenabbau positiv aufzuladen, kann nach hinten losgehen.“ Wenn etwa vor lauter Originalität bei der Namensgebung die Inhalte verwischen, stehe am Ende nicht Identifikation, sondern „eine Art Feindbild-Branding“.

Um dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen, verlassen sich viele Unternehmen bei der Namensfindung nicht auf ihre eigene Kreativität. Professionelle „Naming Consultants“ wie das 1981 in Paris gegründete Agenturnetzwerk Nomen, das viel Erfahrung im Corporate Branding gesammelt hat (Arcor, Genion, Vivendi) geben Unterstützung. „Komplexität reduzieren, Emotionen wecken, Aufmerksamkeit steigern“, fasst Sybille Kirchner, Geschäftsführerin der deutschen Nomen-Niederlassung die Aufgabenstellung zusammen. Dabei greift die Expertin bei der Wortschöpfung auf Erkenntnisse aus der Linguistik zurück: „Lateinisch oder griechisch Klingendes suggeriert Seriosität, enthält der Name dunkle Vokale wie ,o’ und ,u’ wird Größe angedeutet, kommen helle Vokale wie ,i’ vor, wird etwas Kleines bezeichnet.“ Romanisch-mediterran anmutende Namen versinnbildlichten Genuss und Geschmack, englische dagegen stünden für Schnelligkeit. Entscheidend sei, dass der gewählte Titel die richtige Zielgruppe erreiche. Oder er muss universell verständlich sein. „Götter werden gerne genommen“, weiß Berater Cyriax. So nannte die Deutsche Bank ein internes Programm Zeus, und Opel versuchte, den Konzern unter dem Label Olympia zu sanieren.

Anglizismen kommen bei deutschen Unternehmen immer seltener an. Bei der Lufthansa etwa sagt man einfach, was man will: „Aktionsplan“ heißt das Sparprogramm, das bis 2005 die Kosten um 1,2 Milliarden Euro drücken soll. „Wir halten es schlicht“, begründet eine Sprecherin die karge Wortwahl. Für das Personal sind die Konsequenzen so freudlos wie der Name des Sparprogramms. „Mehr Arbeit für das gleiche Geld“ fordert Lufthansachef Wolfgang Mayrhuber. Beim Energiekonzern Eon gibt man sich da feierlicher. „On top“, das im Frühjahr 2003 gestartete Programm, mit dem bis 2006 eine Milliarde Euro gespart werden soll, zeige auch im Namen, „dass wir immer effizienter zusammenarbeiten, voneinander lernen und damit immer besser werden“, glaubt eine Sprecherin. mit fo, fw, hop, msh

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