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Azubis können sich ihre Ausbildungsbetriebe aussuchen.

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Mit Spaß und Spannung: Wie Firmen um Azubis werben

Jahr für Jahr gibt es weniger Schulabgänger und mehr unbesetzte Lehrstellen. Immer ausgefallener werden die Mittel der Unternehmen, um den Nachwuchs für sich zu begeistern.

Von Maris Hubschmid

Der demografische Wandel hat die Wirtschaft eingeholt: Zum Ausbildungsbeginn 2011 haben in Berlin rund 42 500 junge Menschen einen Ausbildungsplatz gesucht. Das sind 15 000 weniger als noch 2008 – und das trotz Aussetzung der Wehrpflicht und Doppelabiturjahrgängen in zwei Bundesländern. „Wir rechnen damit, dass in Berlin in diesem Jahr 1500 Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben werden“, heißt es bei der Industrie- und Handelskammer (IHK). Mehr und mehr sehen sich die Unternehmen deshalb in der Situation, für sich werben zu müssen, wenn sie qualifizierte Nachwuchskräfte gewinnen möchten. Die Machtverhältnisse kehren sich um.

„Wir entwickeln uns von einer Rationalisierungs- zu einer Rekrutierungsorganisation“, sagt Deutsche-Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber. Doch am härtesten trifft es die kleinen und mittelständischen Firmen. Allein im Berliner Handwerk gibt es noch 347 offene Ausbildungsstellen. „Die obligatorische Anzeige in der Schülerzeitung reicht nicht mehr. Betriebe mieten Stände auf Messen und denken sich Veranstaltungen aus“, sagt Katharina Schumann, Leiterin der Bildungsberatung bei der IHK. Es gibt Sommercamps und großzügig gesponserte „Inhouse-Events“, zu denen häufig auch prominente Gäste als Lockvögel eingeladen werden. Siemens macht Public-Viewings – denn selbst bei den Unternehmen, die weit über die Branche hinaus bekannt sind, gibt es Engpässe: „Wir hätten gern mehr Bewerbungen für die technischen Bereiche“, sagt ein Siemenssprecher.

Ausgebaut haben viele Betriebe ihre Aktivitäten im Internet. Es gibt inzwischen fast kein Unternehmen mehr ohne eigene Website. Auch die sozialen Netzwerke sind als Werbekanäle erkannt worden. „Wir müssen uns da tummeln, wo die jungen Leute sind“, sagt ein Personalreferent von der Bayer Pharma in Berlin. Die Deutsche Post spricht Jugendliche via Twitter an, der Energieversorger Gasag hat einen eigenen Facebook-Auftritt. Und in Youtube-Videos schwärmen wahlweise Telekom-Azubis oder angehende Fallschirmjäger der Bundeswehr davon, wie toll ihr Job ist. Beim einen ist es der freie Fall, der ihn in Hochstimmung versetzt – beim anderen die „Faszination Glasfaserkabel“.

Wer Angst hat, dass all das nicht reicht, der erhöht die Ausbildungsvergütung. Oder weitet seine Bewerbungsfrist aus: Etliche Betriebe laden noch Nachzügler ein – und suchen bereits wieder für 2012.

Die Stadt Cottbus behilft sich anders. Sie bietet jungen Polen seit Mai einen kostenlosen Sprachkurs an, wenn sie gleichzeitig in deutschen Betrieben hospitieren. Wer nach vier Wochen die Sprachprüfung besteht, bekommt eine Lehrstelle als Friseur oder Automechaniker. Immerhin: Sieben haben es schon geschafft.

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Duzfreunde werden

Zunehmend bemühen sich Firmen um eine zielgruppengerechte Ansprache. Deshalb binden sie auch junge Leute, die bereits bei ihnen in der Ausbildung sind, in die Rekrutierungsarbeit ein. So haben Siemens-Azubis ihren eigenen, grellbunten Internetauftritt, der optisch an ein Spiel einer Gamekonsole erinnert. Alles ist interaktiv, hüpft und blinkt. „Du fragst dich, was du nach der Schule machen sollst? Frag uns!“, rufen die Auszubildenden die Nutzer auf der Startseite auf und preisen ihren Beruf an.

„Auch wir gehen bei der Rekrutierung neue Wege“, sagt Helmar Koch, Leiter der Personal-Werbung bei der Bundeswehr. Um eine authentischen Darstellung bemüht, lässt sie einen 20-jährigen Freiwilligendienst-Leistenden einen Online-Blog schreiben: „Wir haben heute unsere Waffenkarte erhalten und dann erstmals das Gewehr G36 ausgehändigt bekommen. Es war schon ein interessantes Gefühl, eine solche Waffe in den Händen zu halten“, postet der Abiturient.

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Fotos: dpa, ddp, p-a/gms, Reuters, Screenshot
Fotos: dpa, ddp, p-a/gms, Reuters, Screenshot

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Die Arbeit abnehmen

Für diejenigen, denen die Stellensuche zu mühsam ist, haben diverse Betriebe unter dem Dach der IHK Berlin ein Event geschaffen: Das Speeddating. Es funktioniert wie bei der Partnersuche – an einer Seite des Tisches sitzen die Vertreter von Unternehmen, die Auszubildende brauchen. Gegenüber sitzen Jugendliche, die sich für ein Praktikum oder eine Ausbildung interessieren. Fünf Minuten Zeit haben beide Seiten, sich über Vorstellungen und Möglichkeiten auszutauschen. Dann wird gewechselt. Für die Schüler bedeutet das minimalen Aufwand. Sie müssen kein Anschreiben formulieren und an keinem zeitraubenden Vorstellungsgespräch teilnehmen. Die Firmen können so auch Schulabgänger auf sich aufmerksam machen, die sie bisher nicht als Arbeitgeber in Erwägung gezogen hatten.

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Erstklässler mit Schultüte.
Erstklässler mit Schultüte.

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Für Ferienspaß sorgen

Viele Arbeitgeber bieten in den Frühjahrs- oder Sommerferien ein umfangreiches Freizeitprogramm an. So lockt etwa die Deutsche Bahn gleich mit mehreren Veranstaltungen für verschiedene Zielgruppen. Das Gleisbaucamp verspricht eine Art Abenteuerurlaub mit viel Action und einen anschließenden Ausbildungsplatz im technischen Bereich für den, der sich bewährt. Die DB Summer School bringt Schüler mit Studenten eines renommierten Technologie-Instituts in Boston zusammen. Tagsüber soll das Verständnis der Teilnehmer für technische Zusammenhänge gefördert werden, abends gibt es buntes Programm. Daimler öffnet nachts die Tore seiner Werke, damit junge Leute in ungewohntem Ambiente das Unternehmen kennenlernen können. Dazu gibt es Essen und Getränke.

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Die Welt zu Füßen legen

Für viele Jugendliche ist die Aussicht auf einen Auslandsaufenthalt im Rahmen der Ausbildung ein Bewerbungsanreiz. „Bei Berufsbildungsmessen heben Unternehmen deshalb zunehmend ihre Internationalität hervor“, beobachtet ein Veranstalter. „Bei einigen Arbeitgebern ist der Besuch eines ausländischen Unternehmensstandorts mittlerweile fest im Ausbildungsplan verankert“, heißt es beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Daimler zum Beispiel ermöglicht seinen Azubis, in China und in Singapur Station zu machen.

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An die Schulen gehen

„Fachkräftesicherung fängt im Klassenzimmer an“, sagt Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg. Und das Werben geht in den untersten Jahrgängen los: Am Ausgang Luftballons verteilen sei die eine Variante, erzählt eine Grundschuldirektorin. Autobauer Daimler stellt eigene Unterrichtsmaterialien her und will Kinder mit dem Konzept Genius begeistern. „Unsere Ingenieure kommen in die Klassen und zeigen, wie eine Brennstoffzelle funktioniert“, sagt eine Sprecherin. Siemens und die BVG haben ähnliche Kooperationen. Bayer Pharma organisiert Klassenausflüge in seine Forschungslabore. Ganz anders wirbt ein Fleischermeister aus Weißensee um seine Lehrlinge in spe: Er besucht Schüler, um mit ihnen Frikadellen zu braten.

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