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Wirtschaft: Mit Unternehmensanleihen ins Jahr 2000 - im November und Dezember ist es Zeit zuzugreifen, dann schließen die Fondsmanager die Bücher

Wenn die Profis in den Winterschlaf gehen, kommt die Stunde der privaten Anleger. Einige Wochen vor jeder Jahreswende schließen Fondsmanager ihre Bücher.

Wenn die Profis in den Winterschlaf gehen, kommt die Stunde der privaten Anleger. Einige Wochen vor jeder Jahreswende schließen Fondsmanager ihre Bücher. Sie rechnen ab, ziehen Bilanz und gehen über Silvester kaum neue Engagements ein. Ihre Nachfrage nach Anleihen sinkt. Unternehmen, die sich dennoch Kapital am Markt holen wollen, müssen besonders gute Konditionen bieten, um ihre Emission erfolgreich zu platzieren. Ein Grund für private Anleger, jetzt zuzugreifen. Vor allem, da die Jahrtausendwende naht und der "Winterschlaf" diesmal besonders lange und tief ausfallen wird. "Von November bis Januar ist der Markt tot", bringt Claudia Hopstein es auf den Punkt. Sie ist Leiterin des Credit Research bei HSBC Trinkaus & Burkhardt. Wer sich von der Müdigkeit nicht anstecken lässt, hat gute Anlagechancen. Denn im Januar und Februar müssen die institutionellen Investoren wie Fonds, Versicherungen, Pensionskassen und Banken ihr geparktes Vermögen wieder anlegen und werden auch Unternehmensanleihen kaufen. "Wer im November und Dezember gute Kaufchancen nutzt, profitiert vom Nachfrageschub zu Beginn des nächsten Jahres", sagt Jens Hofmann, bei Goldman Sachs verantwortlich für Anleihemärkte.

Und Kaufchancen gibt es so viele wie wohl nie zuvor. Denn der Markt für Unternehmensanleihen ist stark gewachsen. Immer mehr Firmen, darunter eine steigende Zahl von Mittelständlern, nehmen direkt am Kapitalmarkt Geld auf, statt sich über Bankkredite zu finanzieren. In Deutschland erreichte das Volumen der Neuemissionen in den ersten neun Monaten dieses Jahres mehr als 20 Milliarden Euro - verglichen mit 8,2 Milliarden Euro im gesamten Vorjahr, sagt Hofmann (siehe Grafik).

Die Renditeaufschläge (Spreads), die Unternehmen gegenüber Staatsanleihen mit gleicher Laufzeit, aber höherer Bonität zahlen müssen, sind inzwischen von ihrem Jahreshoch im Sommer wieder zurückgekommen. Trotzdem sind sie noch relativ hoch. "Aber im Januar und Februar werden sie wahrscheinlich wieder sinken, weil dann die institutionellen Anleger wieder als Nachfrager an den Markt kommen", vermutet Chris Gahr von der Hypo-Vereinsbank. Deshalb könnte sich jetzt ein Einstieg lohnen. Auch Xueming Song von der DWS, der Investmenttochter der Deutschen Bank, hält die aktuellen Spreads für attraktiv. Er zieht außerdem die Europäische Zentralbank ins Kalkül: Zwar sei es wahrscheinlich, dass sie spätestens im nächsten Jahr die Zinsen erhöhen werde - und damit auch die Unternehmen unter Druck setzt, den Anlegern ebenfalls höhere Zinsen zu bieten. Doch habe sich die Erwartung einer Zinserhöhung schon so breit am Markt durchgesetzt, dass sie zum Teil bereits in Kursen und Spreads enthalten sei. Wenn die Zentralbank dann tatsächlich die Zinsen erhöht, werde der Markt kaum noch reagieren, glaubt Song.

Er weist auf den steuerlichen Aspekt der Zinsen hin: Weil ab 1. Januar 2000 der Sparer-Freibetrag für die Kapitalertragsteuer halbiert wird, könne es für den Anleger günstiger sein, bei gleicher Rendite die Unternehmensanleihen mit den niedrigsten Zinskupons zu kaufen. Denn je höher der Kupon, umso schneller ist der Freistellungsbetrag aufgezehrt. Doch Spread und Kupon sind nur eine Seite der Medaille. Wer in Unternehmensanleihen investieren will, muss die Münze umdrehen und sich außer den Zahlen auch qualitative Kriterien ansehen. Oliver Reisinger von der Hypo-Vereinsbank: "Wichtig ist, dass die emissionsbegleitenden Banken auch dafür stehen, dass der Handel der Anleihe flüssig läuft." Eine konstante Nachfrage sollte garantiert sein. Daher empfiehlt er, sich auf Anleihen zu konzentrieren, die an der Börse notiert sind. Er setzt vor allem auf die großen Namen, bei denen die Anleger sofort wissen, welche Unternehmensgeschichte dahinter steht. Ein Beispiel: "Nestlé wird von den Schweizern aufgefressen." Auch die Vodafone-Airtouch-Anleihe werde wohl gut laufen, unter anderem, "weil viele den Namen täglich auf ihrem Handy-Display sehen". Ganz anders sieht hingegen Christian Kolb, bei HSBC Trinkaus & Burkhardt verantwortlich für die Emission von Unternehmensanleihen, die Bedeutung des Unternehmensnamens. Große Namen könnten es sich auf Grund ihres hohen Bekanntheitsgrades leisten, ihre Anleihen zu relativ schlechten Konditionen zu platzieren. Stattdessen sollten Anleger lieber auf weniger bekannte Unternehmen setzen. "Es kommen immer mehr große Mittelständler an den Markt, die zum Teil erstmalig eine Anleihe begeben." Darunter seien einige "grundsolide Firmen mit guter Bonität", die aber vielen Anlegern kaum oder gar nicht bekannt seien. Deshalb müssten sie die Investoren mit einem höheren Zinsaufschlag locken. Unter dem Strich bedeute das für den Anleger: gute Qualität zum günstigen Preis.

Als "generelle Richtlinie" empfiehlt Kolb Anleihen mit einem Rating von A bis BBB. "Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist hier am besten." Unternehmen mit einem schlechteren Rating bieten zwar einen höheren Spread. Doch man sollte sich nicht blauäugig vom Spread blenden lassen und das Risiko aus den Augen verlieren, so Kolb. Denn dass nicht alle Unternehmen Zinsen und Tilgung zuverlässig zahlen, zeigt erneut der Fall des koreanischen Daewoo-Konzerns. Ob und wann die Anleger ihr Geld bekommen, ist nach dem Niedergang des Konzerns noch immer unklar. Auch der Name Fokker weckt schlechte Erinnerungen. Die niederländische Flugzeugfirma geriet 1992 in Schwierigkeiten und konnte ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen. Wer sich an Unternehmen mit relativ schlechter Bonität heranwagt - weil sie deshalb höhere Renditen zahlen, werden sie auch "High Yield"-Anleihen genannt -, sollte sich vor dem Kauf gut informieren und anschließend auf dem Laufenden bleiben. HSBC-Managerin Hopstein nennt als Informationsquellen den Research-Bericht der emissionsbegleitenden Banken und den Zulassungsprospekt, in dem alle denkbaren Risiken aufgeführt werden müssen.

Andrea Martens

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