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Wirtschaft: Mit Wut im Bauch

Zu Beginn des kommenden Jahres soll die Arbeitslosenhilfe abgeschafft werden – wie betroffene Arbeitslose darüber denken

Berlin – Heiko G. wartet im Flur der Arbeitsagentur in BerlinMitte. Wartet darauf, dass sein Name aufgerufen wird und dass es diesmal vielleicht klappt, mit einer neuen Stelle. Einige Straßen weiter, im Bundesrat am Leipziger Platz, wird gerade über Heiko G.s Zukunft entschieden, darüber, wie sein Leben ab dem 1. Januar 2005 weitergehen wird. Dann sollen 173700 Arbeitslosenhilfe- Empfänger in Berlin zum ersten Mal das neue Arbeitslosengeld II bekommen. Einer von ihnen ist Heiko G., 43 Jahre alt.

Er ist wütend. Und er hat Angst, weil er nicht weiß, wie das gehen soll, von 345 Euro im Monat zu leben. „25 Jahre habe ich ordentlich in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt, und nun soll ich nur 345 Euro monatlich dafür bekommen? Das ist doch ungerecht“, sagt er. Heikos Wut ist offenbar noch stärker als seine Angst. 800 Euro Arbeitslosenhilfe bekomme er im Moment jeden Monat, sagt Heiko G. Davon müsse er Miete, Strom, Essen und Kleidung bezahlen. „Was man eben so braucht.“

Heiko G. hat 25 Jahre als Kfz-Mechaniker gearbeitet. Dann ist er entlassen worden, weil er lange krank war und sein Chef sich einen jüngeren, gesünderen Mechaniker gesucht hat. Das war vor vier Jahren, seitdem sucht Heiko Arbeit – und findet keine. Schwer vermittelbar nennt man einen Fall wie Heiko G.

Solchen Fällen soll künftig durch Hartz IV geholfen werden: Durch eine bessere und intensivere Vermittlungsarbeit sollen sie in die Arbeitswelt zurückgeführt werden. Das aber hat Heiko offenbar noch niemand gesagt, wie den meisten hier in der Arbeitsagentur in Berlin- Mitte. „Uns informiert ja keiner richtig“, sagt er. Das Einzige, was Heiko ganz sicher weiß, weil er es fast jeden Tag in der Zeitung liest, ist, dass er bald mit weniger Geld auskommen muss und „dass ich dann ein Sozialhilfeempfänger bin“. Er sagt Sozialhilfeempfänger und nicht Arbeitslosengeld-II-Empfänger. Weil er sich herabgestuft fühlt zu einem Bürger zweiter Klasse, wie er sagt.

Gerda J. ist 43 Jahre alt, genau wie Heiko. Auch sie ist seit Jahren ohne Arbeit. Das ganze Gerede um „dieses Arbeitslosengeld II“ schert sie wenig. „Tja, da kann man halt nichts machen, muss man mit leben“, sagt sie. Gerda J. hat mal auf dem Bau gearbeitet, als Mädchen für alles, weil sie nichts Richtiges gelernt hat, wie sie sagt. Auf dem Bau, da würde sie wieder arbeiten, aber etwas anderes kommt für sie nicht in Frage. „Wenn die mir vom Arbeitsamt was vermitteln, was mir nicht passt, dann mach ich das nicht“, sagt sie.

Zur Zeit bekommt Gerda 575 Euro Arbeitslosenhilfe. Damit kommt sie ganz gut zurecht, Miete zahlt sie keine, meistens wohnt sie bei einer Freundin, sonst lebt sie auf der Straße. Dass das Arbeitslosengeld II auch bedeuten wird, dass sie alles offen legen muss – nicht nur ihr Vermögen, sondern auch das, was ihre Kinder, ihr Mann oder ihr Lebenspartner besitzen –, ist ihr egal. „Ich habe ja eh nichts“, sagt sie.

Für die studierte Biologin Mailies aber ist genau das ein Problem. „Man ist denen ausgeliefert“, sagt die 35-Jährige. Von fremden Menschen kontrolliert zu werden, das ist ihr unangenehm. Man fühle sich bevormundet wie ein Kind. „Ich habe ja nichts zu verbergen“, sagt sie. Aber alles vorlegen, jeden einzelnen Kontoauszug, das sei psychischer Stress.

Einer, der das ganze Prozedere schon gewohnt ist, ist Mario. Er ist Anfang 30, war mal selbstständig und lebt nun seit ein paar Jahren von der Sozialhilfe. Er findet es nur gerecht, dass jetzt auch die Langzeitarbeitslosen weniger Geld bekommen sollen. „Dass die und wir jetzt sozusagen auf einer Stufe stehen, ist voll o.k.“, sagt Mario. Irgendwie fühle er sich nicht mehr so abgestempelt.

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