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Mittelstand: Signale aus Fernost

China liegt im Zentrum der deutschen Wirtschaftsinteressen. Viele Mittelständler sind auf Geschäfte mit dem Reich der Mitte angewiesen. Nun fürchten einige den Boykott.

Düsseldorf - Paul Rheinländer macht sich Sorgen. Die Bochumer Firma Eickhoff, der er als Geschäftsführer vorsteht, liefert Maschinen nach China, zum Beispiel Walzenlader oder Hydraulikfräsen für den Bergbau. Bisher mit Erfolg: Im Jahr 2007 verzeichnete Eickhoff 265 Millionen Euro Umsatz, davon 40 Millionen in China. Seit den 70er Jahren sind die Bochumer in Asien aktiv. „Jetzt ist es das erste Mal, dass wir eine negative politische Auswirkung spüren“, sagt Rheinländer.

Das Reich der Mitte liegt im Zentrum der deutschen Wirtschaftsinteressen. Rund 3000 deutsche Unternehmen sind nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) derzeit in China tätig, das Volumen der Exporte stieg im vergangenen Jahr auf knapp 30 Milliarden Euro – mehr als dreimal so viel wie im Jahr 2000. Nur die USA und Japan exportierten noch mehr nach China. Seit nun die Bundesregierung in der Diskussion um Tibet und im Vorfeld der Olympischen Spiele den politischen Druck auf China erhöht hat, sorgt sich die deutsche Wirtschaft um die guten Kontakte zu ihren Handelspartnern. BASF-Chef Jürgen Hambrecht, zugleich Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (Apa), mahnte in der vergangenen Woche deshalb mehr Respekt gegenüber den Chinesen an.

Auch Mittelständler Rheinländer zeigt sich besorgt über die aktuellen Proteste: „Wir spüren deutlich die veränderte Situation in China.“ In den vergangenen Wochen habe man bei Vergabegesprächen vor Ort mehrfach den Hinweis erhalten, dass man vielleicht zum letzten Mal verhandele – explizit mit Verweis auf die Politik. Rheinländer mahnt zur Vorsicht im Umgang mit den Asiaten. „An der Entwicklung in China hängen deutsche Arbeitsplätze.“ Laut DIHK sind das im Moment rund 200 000.

Doch längst nicht alle Unternehmen sehen die Lage so dramatisch. So bemerkt der Windkraftanlagenbauer Nordex keine Auswirkungen auf seine Geschäfte. „Wir spüren keine Zeichen von Verstimmungen bei den Chinesen“, sagt Firmensprecher Ralf Peters. Dabei beliefern die Hamburger vor allem die staatlichen chinesischen Energiekonzerne, die oft von politischen Funktionären geleitet werden. „Eigentlich wären wir in einer sehr anfälligen Branche“, betont Peters. China ist für Nordex der größte Wachstumsmarkt. 2007 eröffnete das Unternehmen dort eine neue Rotorblattfertigung. Für 2008 sind neue Investitionen in Höhe von 50 Millionen Euro geplant.

Tobias Apfel von dem Maschinenbauer Müller Weingarten verweist auf die langfristige Planung: „Unsere Projekte haben eine Vorlaufzeit von ein oder zwei Jahren und eine ebenso lange Abwicklung. Da ist man unabhängiger von kurzfristigen Entwicklungen.“

Kurzfristig dürften die deutschen Unternehmen die politischen Spannungen vor allem bei der Visavergabe bemerken. Es bereite den deutschen Unternehmen in jüngster Zeit immer mehr Probleme, chinesische Visa für ihre Mitarbeiter zu bekommen – „besonders für mehrfache Einreisen“, sagt DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Auch Peter Ormond, beim Lkw-Zulieferer Jost für den Export zuständig, hat solche Erfahrungen gemacht. In der vergangenen Woche benötigte er zwei Visa für Finanzexperten seiner Firma, nur eines wurde bewilligt, und das auch nur für drei Monate, also bis kurz vor der Eröffnung der Olympischen Spiele am 8. August. Sonst seien Visa für sechs Monate oder ein Jahr üblich, sagt Ormond. „Die Chinesen vermuten wohl in jedem einen möglichen Störer.“ Langfristig erwartet er allerdings keine Auswirkungen. „Ich gehe davon aus, dass es sich nach den Olympischen Spielen wieder normalisiert.“

Paul Rheinländer ist da skeptischer. „Ich würde das sehr ernst nehmen. Die Chinesen sind empfindlich“, mahnt der Eickhoff-Chef. Von der Bundesregierung erhofft er sich ein vorsichtigeres Vorgehen in der Tibetfrage. „Man nimmt den Chinesen nicht einfach das Gesicht. Die Weisheit unserer Kanzlerin sollte so weit reichen“, sagt Rheinländer. Gerade jetzt hofft der Unternehmer auf politische Unterstützung. Die Exportwirtschaft leide schon genug unter dem starken Euro.

Für einen Boykottaufruf Chinas gegen deutsche Unternehmen, wie am vergangenen Mittwoch gegen die französische Supermarktkette Carrefour, sieht DIHK- Geschäftsführer Wansleben keine Anzeichen. Er verweist darauf, dass auf beiden Seiten das Interesse an einem Ausgleich groß sein müsste. „Die Erfahrung zeigt, dass Wirtschaftsboykotte nicht viel bringen, weil andere Länder einspringen. Allerdings bekommt China aus Deutschland auch wichtige Waren geliefert, die nicht so ohne Weiteres ausgetauscht werden können, wenn man etwa an den Maschinenbau denkt.“

Den Deutschen kommt wohl auch zugute, dass der olympische Fackellauf nicht durch ihr Land führt. Schließlich waren die Proteste beim Fakellauf in Paris ein Grund für die Reaktion gegenüber Carrefour.

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