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Wirtschaft: MLP sucht einen neuen Chef

Vorstandsvorsitzender Termühlen will sich ins Privatleben zurückziehen – Aktie reagiert mit Kurssprung

Berlin (dr). Der Vorstandsvorsitzende des Finanzdienstleisters MLP, Bernhard Termühlen, hat überraschend seinen Rücktritt zum Jahresende angekündigt. Nach fast 20 Jahren bei MLP – davon 15 Jahre als Vorstand – wolle der 48jährige Termühlen mehr Zeit für private Interessen gewinnen, teilte das Unternehmen am Mittwoch in Heidelberg mit. Ein Nachfolger steht noch nicht fest. Der Kurs der MLP-Aktie zog bis zum Börsenschluss um 9,58 Prozent auf 14,99 Euro an.

Termühlen erklärte: „Wir bei MLP haben die schwere Unternehmenskrise im Jahr 2002 erfolgreich gemeistert.“ Die Weichen für einen nachhaltigen und profitablen Wachstumskurs seien gestellt. Dieser Kraftakt mit all seinen Begleiterscheinungen sei an ihm allerdings nicht spurlos vorüber gegangen.

Bernhard Termühlen personifizierte in der Vergangenheit MLP und stand deshalb auch immer wieder in der Kritik. Schon mehrfach forderten nicht nur Aktionäre seinen Rücktritt. Auch als Mensch war er nicht immer unumstritten. Der verbissene Arbeiter übertreibe manchmal und ziehe zu viel an sich, hieß es aus seiner Umgebung. Mitunter überschätze er sich auch, könne mit Kritik nur schlecht umgehen und suche die Fehler dann bei anderen. Termühlen reagierte und teilte seine Macht. Anfang 2003 holte er, wie lange gefordert, einen Finanzvorstand zu MLP: Uwe Schroeder-Wildberg.

Die Liste der Skandale und Skandälchen um MLP ist lang. Sie reicht von Lauschangriffen auf den Vorstand (in Termühlens Büro wurde eine Wanze entdeckt) über den Verdacht des Insiderhandels, bis zu einer Geldstrafe über 100000 Pfund in Großbritannien wegen falscher Beratung. Für den größten Wirbel sorgten allerdings die Bilanzierungspraktiken der Heidelberger. MPL hatte im Rückversicherungsgeschäft in ungewöhnlich hohem Maße künftige Erträge aus Versicherungsverträgen praktisch umgehend vereinnahmt. Zukünftige Provisionseinnahmen wurden verkauft, und gleich als Erträge verbucht. Die Branche nennt das Factoring. Diese Bilanzierungspraxis, die sogar die Staatsanwaltschaft Mannheim auf den Plan gerufen hatte, schaffte MPL schließlich im laufenden Jahr ab. Termühlen räumt ein, dass die Kritik an dieser Art Rechnung „teils zu Recht erfolgt sei“. Das Ergebnis waren Sonderaufwendungen in Millionenhöhe. Im Jahr 2002 verbuchte MLP einen Verlust von 47,6 Millionen Euro, nachdem im Vorjahr noch einem Gewinn von 151 Millionen Euro erzielt wurde. Erstmals seit dem Börsengang von 1988 zahlte MLP keine Dividende aus.

Die Anleger straften daraufhin das Unternehmen ab. Die MLP-Aktie stürzte binnen Jahresfrist von 71 Euro auf nur noch knapp zwölf Euro. Im August musste MLP den Deutschen Aktienindex Dax wegen der geringen Marktkapitalisierung verlassen. Zuvor hatten bereits die Aktionäre reagiert. Auf der Hauptversammlung im Juni verweigerten die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre und Union Investment dem Vorstand die Entlastung.

Aufsichtsratschef Manfred Lautenschläger sucht nun nach eigener Aussage einen „Wundermann“. Er legt sich nicht fest ob er eine interne oder externe Lösung bevorzugt. Auf den Neuen wartet viel Arbeit.

Unter Termühlens Regie war das Unternehmen zu einem der führenden europäischen Finanzdienstleister – spezialisiert auf Akademiker – angewachsen. Angeblich zählt rund ein Drittel aller Humanmediziner zu seinen Kunden. Unter Termühlens Regie nahmen die Gesamterlöse von 53 Millionen Euro auf 1,1 Milliarden Euro zu. Die Zahl der Berater stieg von 140 auf knapp 300. In diesem Jahr soll ein Jahresgewinn von 65 Millionen Euro ausgewiesen werden, die Zahl der Kunden um rund 70000 auf 575000 steigen.

Ob Termühlen ganz von MLP loslässt, bleibt abzuwarten. Der Vorstandschef hält 14,5 Prozent der Aktien. Er ist damit neben Lautenschläger (33,5 Prozent) einer der Großaktionäre. Sein Privatleben hat Termühlen abgeschottet. Auf einem großen Anwesen in Norddeutschland leben seine Frau und seine drei „Vorzeigekinder“, wie er sie selber nennt. Termühlen reitet gerne und liest angeblich in rasender Geschwindigkeit.

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