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Wirtschaft: Mobile Telefonie: Eine Angst, die ausstrahlt

Es ist ein wenig paradox: In immer mehr Städten und Gemeinden wehren sich Menschen gegen den Bau neuer Mobilfunkantennen. Sie fürchten sich vor möglichen Gesundheitsgefahren durch die elektromagnetischen Felder.

Es ist ein wenig paradox: In immer mehr Städten und Gemeinden wehren sich Menschen gegen den Bau neuer Mobilfunkantennen. Sie fürchten sich vor möglichen Gesundheitsgefahren durch die elektromagnetischen Felder. Andererseits haben die meisten von ihnen längst selbst ein Handy. Etwa 65 Millionen Menschen in Deutschland telefonieren mobil. Über die Tatsache, dass natürlich auch das Handy selbst elektromagnetische Felder erzeugt, machen sich viele Nutzer also offenbar weniger Gedanken. Kritiker warnen jedoch davor, dass der häufige Handy-Gebrauch auf Dauer gesundheitsgefährdend sein kann - besonders für Kinder und Jugendliche.

Obwohl bislang die Schädlichkeit von Handy-Strahlung wissenschaftlich nicht nachgewiesen worden ist, fordert Bundesgesundheitsminister Jürgen Trittin die Hersteller von Mobiltelefonen jetzt auf, sich an der Entwicklung eines Qualitätssiegels für besonders strahlungsarme Geräte zu beteiligen. Trittin denkt dabei an eine Art Öko-Label wie den "Blauen Engel". Dieses Siegel soll ein Anreiz für die Hersteller sein, sich bei der Entwicklung künftiger Handy-Generationen verstärkt um das Thema Vorsorge zu kümmern.

Trittin macht dabei eine Gratwanderung. Denn bereits im vergangenen Jahr hatte die Strahlenschutzkommisssion (SSK) erklärt, dass es keine wissenschaftlichen Belege dafür gibt, dass bei den derzeit geltenden Grenzwerten Gesundheitsgefahren vom Mobilfunk ausgehen. Allerdings - und hier setzt Trittin an - hat auch die SSK darauf hingewiesen, mit ihren Erkenntnissen noch am Anfang zu stehen. Es gebe weiteren Forschungsbedarf. Aus Gründen der Vorsorge setzt Trittin daher auf das Öko-Label.

Doch die Hersteller wehren sich. Ihr Argument: Das Öko-Siegel erhöhe nur die Verunsicherung der Verbraucher. Es lege die wissenschaftlich unhaltbare Vermutung nahe, dass Geräte mit geringeren Strahlungswerten gesünder seien als andere, die ebenfalls unterhalb der Grenzwerte arbeiten. Entweder die geltenden Grenzwerte schützen die Verbraucher oder nicht. Wenn nicht, müssten die Grenzwerte gesenkt werden.

Zurzeit geht die Weltgesundheitsorganisation WHO zum Beispiel der Frage nach, ob die Handynutzung zu Gehirntumoren führen kann. Die Verbraucher-Initiative und andere Organisationen weisen darauf hin, dass unter Laborbedingungen bereits Wirkungen auf den menschlichen Organismus auch bei geringer Strahlenbelastung festgestellt wurden. So sei etwa eine Beeinträchtigung des Ionentransports durch Zellmembranen, die Beeinflussung des Schlafs, eine Veränderung der Gehirnstromaktivität sowie eine Beeinträchtigung der Blut/Hirn-Schranke beobachtet worden. Diese Befunde konnten jedoch von anderen Forschergruppen nicht immer bestätigt werden.

Während also die Wissenschaftler unter sich und der Umweltminister mit den Herstellern streitet, kann sich der Verbraucher auf einen pragmatischen Ansatz zurückziehen und sich beim Kauf eines Handys einfach für das Gerät mit den niedrigeren Strahlungswerten entscheiden. Seit Oktober vergangenen Jahres weisen die Hersteller in den Bedienungsanleitungen den SAR-Wert aus. SAR, die spezifische Absorptionsrate, gibt an, wie viel Strahlung bei der Nutzung eines Handys tatsächlich vom Körper aufgenommen wird (siehe Kasten unten rechts).

Der SAR-Wert gibt allerdings nur Auskunft über die maximale Belastung. Die tatsächliche Strahlungsleistung ist jedoch abhängig vom Gebrauch. Der Nutzer kann also auch selbst beeinflussen, wie viel Strahlung er sich aussetzen will (siehe Kasten unten links). Je nach den Empfangsbedingungen kann ein Handy mit niedrigem SAR-Wert auch stärker abstrahlen als ein leistungsstärkeres Gerät. Wer sich näher an einer Mobilfunkantenne befindet, hat also eine geringere Strahlenbelastung am Ohr. Die Sendeleistung schwankt zudem auch während des Gesprächs. Beim Aufbau der Verbindung legt das Handy mit maximaler Leistung los. Schließlich ist die Sendeleistung auch abhängig vom Mobilfunknetz. Die E-Netze senden mit maximal einem Watt, ein D-Netze mit maximal zwei Watt.

Wenn es aber einfach nur darum ginge, die Strahlenbelastung um jeden Preis zu senken, hätten die Hersteller vielleicht kein Problem damit. Aber ein Mobiltelefon mit niedrigerem SAR-Wert hat eben eine geringere Leistung - was in Gebieten mit schlechter Mobilfunkversorgung bedeuten kann: kein Empfang. Viele der neueren Mobiltelefone haben daher eine höhere Strahlung als ihre Vorgängermodelle. Auch die Ansprüche an das Design stehen der Gesundheitsvorsorge manchmal im Wege. Die Kunden fragen nach immer kleineren Geräten. Leider gilt aber die Faustformel: Je kleiner das Gerät, desto größer ist in der Regel der SAR-Wert. Die Hersteller versuchen zwar, durch pfiffige Antennenkonstruktionen und technische Tricks die Strahlenbelastung trotzdem gering zu halten, aber die Physik setzt ihnen Grenzen.

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