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Starthilfe: Anfang Mai diskutieren Manager, Wissenschaftler und Politiker im Kanzleramt, wie man E-Autos schneller auf die Straße bringt.

© Illustration: Reinheckel

Mobilität: Elektroautos: Zündende Ideen

Der Wettbewerb um das batteriebetriebene Auto verwirrt – Konzerne und Politik verlieren den Überblick. Wie bereiten sich Hersteller und Politik auf die Zukunft vor?

Glaubt man Dieter Zetsche, Norbert Reithofer und Martin Winterkorn, dann wird es eng für sie auf dem Siegertreppchen. Alle drei Automanager beanspruchen für sich, dass ihre Ingenieure die besten Antworten auf die Fragen des mobilen Elektrozeitalters gefunden haben. „Daimler will und wird ein Vorreiter der Elektromobilität sein“, verspricht Daimler-Chef Zetsche. „Wie kein Zweiter“ habe VW das Zeug, dem Elektroauto zum Durchbruch zu verhelfen, sagt VW-Chef Winterkorn. Auch BMW-Chef Reithofer ist sich sicher: „Nachhaltiges Handeln ist die Rendite der Zukunft – BMW ist hier klarer Vorreiter.“

In einer verwirrenden Vielfalt präsentieren die Hersteller Investitionsvorhaben, Zeitpläne, Kooperationspartner und sogar erste Elektroautos im Testbetrieb. Doch das staunende Publikum verliert den Überblick. 1000 unterschiedliche Lösungen, wie man Autos elektrisch antreiben könnte, provozieren 1000 neue Fragen. Selbst Profis blicken nicht mehr durch: „Wo will Daimler eigentlich hin?“, fragte auf der Hauptversammlung diese Woche ein Fondsmanager der Deutschen Bank. Ähnliche Fragen müssen sich VW und BMW gefallen lassen.

Obwohl kein bezahlbares E-Auto und wenige Hybridfahrzeuge aus deutscher Produktion auf dem Markt sind, behaupten Daimler, BMW und VW, die Konkurrenz aus Asien, Frankreich oder den USA künftig hinter sich zu lassen. Die neueste Argumentation: Wir brauchen zwar länger – dafür werden unsere batteriebetriebenen Fahrzeuge die besten der Welt sein.

Es geht um den Megamarkt der Zukunft und um eine Revolution mit Ansage. Zahlreiche Studien sagen plausibel voraus, dass Elektroantriebe den Verbrennungsmotor verdrängen werden, so wie einst die Dampfmaschine ausrangiert wurde. „Spätestens in zehn Jahren ist das E-Auto ein Massenprodukt“, prognostiziert das Beratungsunternehmen Bain. McKinsey schätzt, dass in Metropolen wie New York, Schanghai oder Paris schon 2015 bis zu 16 Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge von Elektromotoren angetrieben werden.

Doch je bunter und differenzierter die Autohersteller das Thema Elektromobilität angehen, desto lauter werden die Warnungen aus der Branche: Die deutschen Perfektionisten seien dabei, sich zu verzetteln, heißt es. „Wir sind begeisterte Forscher und Entwickler, aber preiswert für den Markt zu produzieren, damit tun wir uns schwer“, sagt ein großer Autozulieferer, der damit nicht zitiert werden möchte. „Die Chinesen bringen ein Elektroauto einfach auf den Markt, auch wenn es dann mal stehen bleibt.“

Das selbstbewusste Auftreten chinesischer Batterie- und Speicherzellenanbieter, die vor kurzem niemand kannte und die nun plötzlich Autos bauen, macht die Konzerne und ihre Zulieferer nachdenklich: Passt deutsche Ingenieurskunst noch zum Tempo, mit dem der Elektrohype um den Globus rast? „Deutschland wird bei der Elektromobilität nur dann führend in der Welt sein, wenn die Produkte und Komponenten auch in Deutschland produziert werden“, sagt Hartmut Rauen, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Maschinenbauverbandes VDMA. „Mobilität ist eine der Säulen unseres Wohlstands. Wenn wir hier verlieren, haben wir ein großes Problem.“

Die Sorge, die deutsche Schlüsselbranche mit mehr als 700 000 Arbeitsplätzen könnte sich selbst im Weg stehen und den Anschluss ans Elektrozeitalter verlieren, hat auch die Politik alarmiert. Für den 3. Mai lädt Angela Merkel (CDU) deshalb 400 Manager, Wissenschaftler, Verbandsvertreter und Politiker zu einem großen Autogipfel ins Kanzleramt ein, um eine „Nationale Plattform Elektromobilität“ aus der Taufe zu heben. Die Erwartungen sind groß, schon seit Wochen laufen sich die Beteiligten warm. Denn es soll um Geld und Einfluss gehen.

Die im Konjunkturpaket II vorgesehenen 500 Millionen Euro zur Förderung der Elektromobilität sind Ende 2010 aufgebraucht. Bis zum Ablauf der Legislaturperiode sollen dem Vernehmen nach weitere zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Doch auch beim Thema Förderung geht manchem vor lauter deutscher Gründlichkeit der Überblick verloren. 150 Einzelprojekte, 17 Modellregionen, zahlreiche Flottenversuche, fünf beteiligte Ministerien und etliche Arbeitsgruppen: Die unkoordinierte Förderung sei kontraproduktiv, bemängelt die unabhängige Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), die die Bundesregierung berät. Nicht nur die Autobranche leiste sich einen „unproduktiven Wettbewerb“, auch bei der öffentlichen Förderung sei eine Konzentration der Maßnahmen „dringend nötig“. Fazit der EFI: „Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland haben zu lange auf die falschen Konzepte gesetzt.“

Am runden Tisch im Kanzleramt soll versucht werden, das Dickicht zu lichten. Wohin die geplante Nationale Plattform – ein Netzwerk mit prominenten Managern an der Spitze – das Fördergeld fließen lässt, wird noch heftig diskutiert. „Die wichtigste Aufgabe der Nationalen Plattform muss sein, Forschungsmittel und -instrumente möglichst effizient zu verteilen und einzusetzen“, fordert Hartmut Rauen vom VDMA. Je preiswerter Elektroautos würden, desto eher setzten sie sich am Markt durch. „Hier liefert der deutsche Maschinenbau die Schlüsseltechnologie: Effiziente Produktionstechnologie.“

Elektroautos über eine Prämie für Käufer anzuschieben, lehnt die Regierung vorerst ab. Damit würden auch zunächst nur ausländische Marken subventioniert, weil es deutsche E-Autos frühestens 2012 zu kaufen gibt. Doch immer neue Förderprogramme anderer Autonationen (siehe Kasten) setzen die Deutschen unter Druck. Befürworter einer Kaufprämie argumentieren, das Telefonnetz oder die Solar- und Windindustrie hätten ohne staatliche Starthilfe auch niemals eine solche Bedeutung erlangt. „Wenn Deutschland nicht zukünftig die Elektroautos aus China kaufen möchte“, warnt Autoexperte Gregor Matthies vom Beratungsunternehmen Bain, „dann muss jetzt Gas gegeben werden, um aufzuholen.“

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