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Missglückte Experimente mit Qualität und Konzepten plagen den Modekonzern Esprit.

© Reuters

Modekette: Ein Zara-Mann soll Esprit retten

Bei Esprit gibt es viel zu tun. Das Wachstum stockt, neue Ladenkonzepte floppten. Nun soll ein Spanier für Ordnung sorgen - und wird von der Börse mit Vorschusslorbeeren bedacht.

Nach einer Qualifikation haben die Esprit-Aufseher Raymond Or und Paul Cheng im Auswahlgespräch für den neuen Chef der Modemarke diesmal besonders nachdrücklich gefragt: die Bereitschaft, oft zwischen den beiden Firmenzentralen in Nordrhein-Westfalen und Hongkong hin- und herzufliegen. Ihr Favorit, der spanische Mode-Manager José Manuel Martínez, nimmt das in Kauf. Mitte September wird er neuer Chef der kriselnden Weltmarke.

Sein Vorgänger, der Niederländer Ronald van der Vis, hatte im Juni seinen Abschied angekündigt. Seine Frau in Amsterdam habe die Pendelei nicht mehr mitgetragen, sagte der Familienvater. Seinen Abschied erleichtert haben dürften die Probleme bei Esprit. Das Wachstum geriet ins Stocken, weil die Qualität nicht mehr stimmte. Van der Vis wollte die Marken neu beleben, indem er unprofitable Läden schloss und unprofessionelle Einzelhändler aussortierte. Die Läden in den USA machte er dicht, in Europa experimentierte er mit neuen Ladenkonzepten. Das kostete Umsatz und Marge. 2011 stand nicht viel mehr als eine Schwarze Null in der Bilanz. Auch dem Aktienkurs hat das nicht gutgetan.

Martínez muss die Aufgabe, die Marke Esprit wiederzubeleben, jetzt zu Ende führen. Zugleich muss er bei Mitarbeitern und Investoren um Vertrauen werben. Als van der Vis bei einem Board-Meeting in Hongkong seinen Abschied ankündigte, schmiss wenige Stunden später nämlich auch der bisherige Chairman Hans-Joachim Körber hin. Der ehemalige Metro-Chef habe sich gegen die Chinesen nicht mehr durchsetzen können, hieß es anschließend aus seinem Umfeld. Auf verlorenem Posten wolle der Handelsmanager nicht kämpfen.

Anders als van der Vis, der von einer Optiker-Kette gekommen war, kennt sich Martínez perfekt mit dem Mode-Geschäft aus. Beim spanischen Konzern Inditex, der mit Marken wie Zara bei Wachstum und Gewinn Benchmarks setzt, baute er unter anderem die Beschaffung um und leitete das Geschäft in Skandinavien. Zuvor beriet er die Branche bei McKinsey. „Er ist erst 42 Jahre alt. Man muss energiegeladen sein in der Mode-Branche“, lobt Cheng seinen neuen Manager. Bislang ist Martínez jedoch nur Insidern bekannt – selbst ein Foto war nicht aufzutreiben.

Martínez soll in seinem Ratinger Büro einige Freiheit bekommen. Anders als noch vor zwei Monaten hieß es gestern, der Spanier könne die Strategie seines Vorgängers durchaus nachjustieren. Die große Linie bleibe aber klar: Esprit will in Europa wieder an alte Erfolge anknüpfen und in Asien aggressiv expandieren.

Den Anlegern gefiel gestern jedenfalls, dass Esprit nach einigen Wochen Unsicherheit einen Nachfolger gefunden hat. Die in Hongkong notierte Aktie legte zeitweise um 38 Prozent zu. „Der Neue weiß, wie ein Modehändler tickt“, zitierte die Agentur Bloomberg einen Händler.

Sein Wissen soll er in den kommenden Wochen mit dem Management austauschen. Eine wichtige Rolle dürfte dabei Chef-Designerin Melody Harris-Jensbach spielen, die erst Anfang 2012 zu Esprit zurückgekehrt ist. Auch ob van der Vis noch einige Monate bei Esprit bleibt, um die Stabübergabe zu begleiten, soll Martínez bald entscheiden. (HB)

Christoph Kapalschinski

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