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Wirtschaft: Modernes Raubrittertum am Pranger

MOSKAU/BONN (wei/mzi/law/HB).Eines Tages im vergangenen Herbst fehlten auf dem Konto der Moskauer Bosch-Niederlassung eine Mill.

MOSKAU/BONN (wei/mzi/law/HB).Eines Tages im vergangenen Herbst fehlten auf dem Konto der Moskauer Bosch-Niederlassung eine Mill.DM.Abgebucht hatte die Summe das Finanzamt.Die Behörde war der Meinung, daß Bosch die Einfuhrumsatzsteuer nicht richtig abgeführt hatte.Wenn es darum geht, bei ausländischen Investoren Steuern einzuziehen oder Strafen zu verhängen, reicht den russischen Ämtern oft ein fehlender Stempel.Manche Geschäftsleute in der russischen Hauptstadt reden von modernen "Raubrittern", die in der Moskauer Bürokratie ihr Unwesen treiben.

Am heutigen Montag wird dieses Geschäftsgebaren Gegenstand der deutsch-russischen Regierungsgespräche sein.Eine hochrangige russische Delegation mit Präsident Boris Jelzin an der Spitze wird in Bonn zur ersten Regierungskonferenz erwartet.Bei dem Treffen geht es vor allem um die Demonstration enger deutsch-russischer Zusammenarbeit.Einmal jährlich wollen künftig Ministerdelegationen beider Staaten bilaterale Themen erörtern.Allerdings hat die Bundesregierung schon im Vorfeld signalisiert, daß sie Rußland nicht mit einem neuen bilateralen Kredit in der gegenwärtigen Finanzkrise aushelfen will.

Vor allem die deutschen Mittelständler legen Wert darauf, daß die Willkür der russichen Steuerbehörden zur Sprache kommt.Was der Geschäftsführer des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, Peter Danylow, "Abschöpfungsmechanismen" nennt, erweist sich immer mehr als kapitales Hindernis für den Ausbau der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen.Die deutschen Direktinvestitionen in Rußland sind im letzten Jahr rückläufig gewesen.Sie beliefen sich Ende 1997 auf 101 Mill.DM, 21 Mill.DM weniger als vor Jahresfrist.Deutsche Unternehmen lieferten Waren im Wert von 16,4 Mrd.DM nach Rußland.Mit diesem Zuwachs um 43 Prozent avancierte das Land nach Polen zum wichtigsten Absatzmarkt in Osteuropa.Die Importe stiegen auf 17,1 Mrd.DM, sind aber nach wie vor von der Lieferung von Rohstoffen dominiert.Zum Vergleich: Der Warenaustausch zwischen Deutschland und Polen erdoppelte sich im gleichen Zeitraum nahezu und erreichte im letzten Jahr 35 Mrd.DM.

Die Ursachen für die enttäuschende Entwicklung wird Helmut Kohl seinem Freund Boris Jelzin heute erneut vortragen: komplizierte Zollvorschriften, hohe Steuerbelastung und vor allem die Unberechenbarkeit der Verwaltung.Handfesten Charakter haben deutsche Anfragen, die eine Erleichterung der Visabestimmungen herbeiführen sollen.Während russische Bürger deutsche Visa ausgestellt bekommen, die für alle Mitgliedsländer des Schengener Abkommens Gültigkeit besitzen, begrenzt Moskau die Bewegungsfreiheit deutscher Geschäftsleute zumeist auf eine Handvoll Orte.Die deutsche Wirtschaft wünscht sich außerdem, daß Moskau endlich die bereits 1997 Jahr erzielte Vereinbarung zur Abgeltung der Altforderungen deutscher Unternehmen (Nettovolumen: 800 Mill.DM) umsetzt.Ein weiteres praktisches Probleme sei nach wie vor die schwierige Zertifizierung bzw.Produktzulassung auf dem russischen Markt.

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