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Wirtschaft: Möbel für Faulenzer

Die Deutschen lieben das Entspannen auf dem Balkon und im Garten – und geben dafür immer mehr Geld aus

Eigentlich sind die Deutschen ja als äußerst fleißig bekannt. Doch je schlechter die Zeiten, desto eher neigen sie offenbar dazu, solche Tugenden abzulegen. „Faulenzen und Nichtstun stehen derzeit hoch im Kurs“, hat Horst W. Opaschowski, Leiter des Hamburger BAT-Freizeitforschungsinstituts, im Rahmen seiner jährlichen Befragungen zum Freizeitverhalten der Bevölkerung beobachtet. Je knapper die Kassen, desto mehr besinnen sich die Leute auf „Freizeit, die nichts kostet“, sagt Opaschowski. Und während man im Winter vor dem Kamin lümmelt, werden im Frühling die Gartenliegen aufgebaut. „Immerhin 43 Prozent der Befragten begeistern sich für die Betätigung im Garten“, sagt der Freizeitforscher. Wobei mit Betätigung nicht zwangsläufig Unkrautjäten und Rasenmähen gemeint sein müssen. Auch wer sich faul in der Hängematte räkelt, zählt dazu.

Der Gartenmöbelbranche kommt dieser Trend sehr gelegen. Um erkleckliche sieben Prozent seien die Umsätze seit 2000 jährlich gewachsen, meldet der Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM). Diese Steigerungsrate erstaunt umso mehr, da „die Entwicklung total antizyklisch zur Möbelbranche ist“, sagt VDM-Sprecherin Ursula Geismann. Insgesamt betrug das Marktvolumen von Gartenmöbeln im vergangenen Jahr eine Milliarde Euro. Rechnet man Sonnenschirme, Polster und Auflagen hinzu, sind es sogar 1,2 Milliarden Euro. Und der Betrag fiele nochmals höher aus, würden Accessoires wie Leuchten, Windräder oder Gartenzwerge eingerechnet. „Jeder Bundesbürger hat im letzten Jahr 15 Euro für Gartenmöbel ausgegeben“, sagt Geismann. „1995 waren es gerademal 7,50 Euro.“

Kunststoff ist out

Dass sich die Umsatzzahlen so rapide nach oben bewegt haben und sich wohl auch weiterhin positiv entwickeln werden, hängt nicht nur mit der wieder entdeckten Lust aufs Sonnenbad im heimischen Garten zusammen. Auch die Ansprüche der Verbraucher sind gestiegen. Während sie früher auf einfachen Plastikstühlen saßen, nehmen sie heute lieber auf komfortablen „Relaxliegen“ Platz – vorzugsweise ergonomisch geformt und mehrfach verstellbar. „Bequemlichkeit ist Trumpf“, sagt Obi-Sprecherin Johanna Meesen. „Die Stuhlauflagen werden immer dicker, an die Liegen sind Kopfstützen angeschraubt, die Stoffe sind imprägniert, und die Sonnenschirme können mittlerweile mit einem leicht handhabbaren Kurbelantrieb verstellt werden.“

Bei der Wahl der Materialien sind die Kunden ebenfalls anspruchsvoller geworden. „Kunststoff nimmt ab“, beobachtet Frank Michel, Geschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Heimwerker-, Bau- und Gartenfachmärkte. „Stattdessen verkaufen die Händler immer mehr Möbel aus Alu oder Echtholz.“ Ganz vorn auf der Beliebtheitsskala rangieren dabei Teak und andere exotische Hölzer wie Eukalyptus. „Das liegt daran, dass die Deutschen viel reisen“, glaubt Geismann vom VDM. Wer einmal auf Bali gewesen sei, stelle sich keinen Plastikstuhl mehr auf den Balkon. Vielmehr möchte er sich das Gefühl der Tropen nach Hause holen. Das Fernweh erklärt auch den aktuellen Boom von Hängematten und -stühlen. Dass auch die gute alte Hollywoodschaukel wieder Einzug in die Gärten gehalten hat, erklärt sich Geismann dagegen mit der schwachen Konjunktur. In schlechten Zeiten sehnten sich die Menschen nach Altbewährtem zurück.

Das gilt aber nicht für die Wahl des Ladens, in dem man sich eindeckt. Der Fachhandel verliert bereits seit Jahren Marktanteile. Profiteure dieser Entwicklung sind vor allem die Baumärkte. So macht zum Beispiel Obi ein Drittel seines Umatzes mit Gartenartikeln, Tendenz steigend. Auch auf den Sonderflächen der Discounter stapeln sich die Produkte immer höher. „Polarisierung“ nennt der Möbelindustrieverband VDM den Trend der Deutschen, „entweder billigen Ramsch oder edel zu kaufen“.

Inwiefern die heimische Industrie von den Gartenfreuden profitiert, lässt sich nur schwer sagen. Es gibt wenig namhafte Hersteller, viele kleine Anbieter tummeln sich auf dem Markt. Zudem kommt nur gut die Hälfte aller in Deutschland verkauften Gartenmöbel aus hiesiger Produktion. Der Rest wird aus dem Ausland importiert – vor allem aus Asien und Osteuropa.

Sabine Hölper

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