zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Möbel-Marktführer droht das Aus

11 000 Schieder-Beschäftigte bangen um Arbeitsplätze – das Unternehmen hofft auf neue Kredite

Düsseldorf - Dem größten europäischen Möbelhersteller Schieder mit 11 000 Beschäftigten droht nach der Verhaftung von vier Spitzenmanagern das Aus. „Das Unternehmen ist überschuldet“, sagte Interim-Geschäftsführer Ulrich Wlecke am Dienstag. Rettung ist nur in Sicht, falls die Banken der Holding trotz des jetzt aufgedeckten Bilanzskandals eine langfristige Finanzierung zusichern. „Mit System“ hätten Mitglieder des alten Managements bei dem westfälischen Möbelhersteller Verluste verschleiert, Kreditbetrug verübt und insgesamt „erheblichen Missbrauch“ getrieben, bescheinigte Ulrich Wlecke den Tatverdächtigen.

Hinweise, dass die Manager in die eigene Tasche gewirtschaftet hätten, gebe es aber nicht, so die Bielefelder Staatsanwaltschaft. Bei einer Verurteilung drohen den Beschuldigten Haftstrafen zwischen fünf und zehn Jahren.

Die vier Manager, unter ihnen Unternehmensgründer Rolf Demuth, sollen in den Geschäftsjahren 2004/2005 und 2005/2006 die Bilanzen geschönt und so Kredite von 283 Millionen Euro erschlichen haben. Insgesamt lastet nun ein Schuldenberg von rund 350 Millionen Euro auf der Firma, die zuletzt etwa 880 Millionen Euro Umsatz pro Jahr erzielte.

Erste Gespräche mit den Gläubigern seien „sehr konstruktiv“ verlaufen, sagte Wlecke. Er hofft, dass die Banken, unter ihnen die Deutsche Bank und Goldman Sachs, dem Restrukturierungskonzept des neuen Managements bis Mitte Juni zustimmen.

Im April war Schieder bereits ganz knapp an einer Insolvenz vorbeigeschlittert. Quasi in letzter Minute hatte das Banken-Konsortium einem Überbrückungskredit in Höhe von 70 Millionen Euro zugestimmt. Im Gegenzug hatten die Banken indirekt bereits über das Beratungsunternehmen Alix Partners die Macht bei Schieder übernommen.

Schieder leidet darunter, dass sich der Schwerpunkt der Möbelindustrie nach Osten verschoben hat. Zwar produziert das Unternehmen seit fast 20 Jahren in Polen, doch dort sind die Löhne zuletzt stark gestiegen. Die Konkurrenz baut Möbel in Asien. In Deutschland, wo Schieder noch etwa 1000 Leute beschäftigt, sind noch gut 100 000 Menschen in der Möbelindustrie tätig. Vor sechs Jahren waren es mehr als 150 000.

Die Arbeitnehmer befürchten Einschnitte. „Sicher wird es künftig weniger Standorte geben“, sagte Wlecke.

Betroffen sind auch die 60 Beschäftigten des Schieder-Werkes in Storkow bei Berlin. „Die Leute sind nervös“, sagte der örtliche IG-Metall-Sekretär Siegfried Wied dem Tagesspiegel. In dem Werk, das nach der Wende angesiedelt wurde, bauen die Mitarbeiter Polstersofas und -sessel. Betriebsrat und Gewerkschaft befürchten, dass der Polsterbereich im Rahmen einer Sanierung als Erstes geschlossen würde.

Am heutigen Mittwoch wollen die Beschäftigten einen offenen Brief an den Brandenburger Landtag übergeben. „Wir erwarten, dass die Politik die Sanierungsgespräche begleitet“, sagte Wied. Notfalls müsse das Land Mittel bereitstellen, um das Unternehmen zu retten. mit HB

Ingo Reich, Nils Sorge

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false