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Wirtschaft: Möglicher WTO-Beitritt beschert den Wolfsburgern ungewohnte Konkurrenz

Von solchen Zahlen können Autohersteller in anderen Ländern nur träumen: Jeder zweite Neuwagen in China stammt vom Volkswagen-Konzern. 315 000 VW und Audis liefen im vergangenen Jahr in den beiden Produktionsstandorten Schanghai und Changchun vom Band - ein stattlicher Marktanteil von 54 Prozent.

Von solchen Zahlen können Autohersteller in anderen Ländern nur träumen: Jeder zweite Neuwagen in China stammt vom Volkswagen-Konzern. 315 000 VW und Audis liefen im vergangenen Jahr in den beiden Produktionsstandorten Schanghai und Changchun vom Band - ein stattlicher Marktanteil von 54 Prozent. Doch die Stimmung in dem deutschen Vorzeigeunternehmen ist gedrückt: Die Erträge sind gering. Und mit Chinas geplantem Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO droht den Wolfsburgern ungewohnte Konkurrenz.

Volkswagen in China - das war lange Jahre eine Erfolgsgeschichte. Schon 1985 starteten die Deutschen ihr erstes Joint Venture in Schanghai. Das VW-Modell "Santana", in Europa ein Flop, wurde zum Traum für Millionen von Chinesen. 1991 kam ein zweites Joint Venture im nördlichen Changchun (Provinz Jilin) dazu, wo heute der Jetta und der Audi A6 produziert werden. Das mutige Investment schien sich zu lohnen. Als andere Autokonzerne nach China drängen wollten, war VW längst da. Die ruhigen Zeiten sind jedoch vorbei. "Der Wettbewerb auf dem chinesischen Automarkt wird sich eindeutig verschärfen", sagt Eugen von Keller, Asienchef der Unternehmensberatung Roland Berger. In den Verhandlungen zu Chinas WTO-Beitritt, die nächste Woche mit der Europäischen Union (EU) in die entscheidende Runde gehen, hat Peking zugestanden, die Einfuhrzölle für Importautos von derzeit 100 Prozent bis zum Jahr 2006 auf 25 Prozent zu senken. VW und den anderen Produzenten im Land, die lange Jahre nur ihre ausrangierten Produktionsanlagen nach China verschifften, müssen plötzlich umdenken. "Die Chinesen werden nicht mehr bereit sein, veraltete Modelle zu kaufen", sagt von Keller. Bislang müssen Chinesen beim Autokauf tief in die Tasche greifen. Dank hoher Schutzzölle können VW und andere Hersteller ihre lokal produzierten Pkw weit über Weltmarktpreisen anbieten: Ein in Changchun gefertigter Audi A6 beispielsweise kostet umgerechnet 106 000 Mark (440 000 Renminbi) - rund ein Drittel mehr als in Deutschland, rechnet Roland Berger in einer Studie vor. Dabei ist die Qualität der in China produzierten Autos eher mies. Laut Joint-Venture-Verträgen muss VW die Zulieferteile zum großen Teil bei einheimischen Staatsbetrieben fertigen lassen. Das Ergebnis: Die Wagen sind häufiger in der Werkstatt.

Konkurrenz droht in Zukunft vor allem aus Japan. Während ein Importauto aus Europa mindestens zwei Monate bis nach China braucht, können Toyota & Co ihre Kleinwagen innerhalb von drei Tagen nach China verschiffen. Die massiven Zollsenkungen in Folge des WTO-Beitritts werden den Anteil der Importautos (bisher drei Prozent) vervielfachen. Die künstlich hochgehaltenen Autopreise, rechnet Roland Berger vor, werden bis 2003 um 30 bis 40 Prozent sinken.

Erkannt hat man die Gefahr auch bei VW. Bis zum Jahr 2005 sollen drei Milliarden Mark in neue Modelle und ein Händlernetz investiert werden. Im Frühjahr beginnt in Schanghai die Produktion des neuen Passat, ab dem kommenden Jahr soll in Changchun der Bora und ab 2002 in Schanghai ein neues Familienauto hergestellt werden. Doch den deutschen Managern in den Joint Ventures sind die Hände weitgehend gebunden. Veraltete Produktionstechniken, geringe Stückzahlen und ein hoher Qualitätsausschuss bei den chinesischen Zulieferern macht die Produktion rund 30 Prozent teurer als in Europa. "Die Gewinnspanne ist schon heute nicht besonders hoch", sagt ein VW-Verantwortlicher.

Um sich für den Wettbewerb zu rüsten hat VW den Druck auf seine Joint-Venture-Partner erhöht. Man führe "intensive Gespräche" über den Aufbau eines Händlernetzes in Schanghai, sagt VW-Sprecher Michael Wilkes. Bisher liegt die Verantwortung dafür bei den chinesischen Partnern, die die Autos nach alter planwirtschaftlicher Tradition unters Volk bringen. Die Farben für das VW-Logo bei den Händlern sind mal schwarz-weiß und mal grün-gelb. Service und Kundendienst haben den Charme eines sibirischen Staatsbetriebes. "Unser Ziel ist es, die Joint Venture so stark zu machen, dass sie es schaffen", sagt Wilkes. Dabei sollen auch die alten Verträge neu verhandelt werden. Die Gespräche mit den chinesischen Partnern stimmen den VW-Mann immerhin optimistisch: "Aufgewacht sind sie ganz bestimmt", meint Wilkes.

Harald Maas

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