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Wirtschaft: Mondpreise im Himmelsgarten

Spekulanten treiben die Immobilienpreise in China auf unrealistische Höhen

Hangzhou - Chen Li stieg vor zwei Jahren ein. Die Hausfrau nahm einen Kredit auf und kaufte sechs Wohnungen im „Himmelskanal Garten“, einer Luxusanlage in der Küstenstadt Hangzhou. „Der Markt boomt“, sagt Frau Chen und deutet auf ein Plastikmodell der Wohnanlage. Seit Anfang des Jahres seien die Preise um 20 Prozent gestiegen.

Nach zwei Jahrzehnten Wirtschaftsreformen boomt in China der Immobilienmarkt. Im ersten Quartal 2004 wurden in Peking fünf Millionen Quadratmeter neue Wohn- und Büroflächen verkauft. Immer häufiger sind die Wohnungen jedoch Spekulationsobjekte. In den Küstenstädten sind die Preise mittlerweile so hoch, dass die Regierung vor einer Immobilienblase warnt.

Hangzhou, eine Industriemetropole bei Shanghai, ist ein Beispiel für den Bauboom. In der Yanan Lu, einer Geschäftsstraße der Sechs-Millionen-Einwohner-Stadt, sind Dutzende neuer Hotels, Kaufhäuser und Bürotürme entstanden. In den besten Lagen kostet eine Wohnung bereits mehrere Hunderttausend Euro. Das „Yunhua“, eine Luxusanlage mit 125 Einheiten, war schon vor der Fertigstellung ausverkauft. 80 Prozent der Apartments stehen jedoch leer. „Viele Leute kaufen Immobilien als Investment“, sagt Zhao Hangsheng, Wirtschaftsexperte der Zhejiang Universität in Hangzhou.

Frau Chen kaufte sich 2002 im „Himmelskanal Garten“ ein. 5200 Yuan bezahlte sie pro Quadratmeter, rund 520 Euro. Heute beträgt der Preis 8200 Yuan – eine Wertsteigerung von 50 Prozent in nur zwei Jahren. Lange will Frau Chen jedoch nicht mehr warten. Jeden Vormittag steht die schlanke Frau in dem Verkaufsraum des „Himmelskanal Garten“, um Interessenten ihre Wohnungen anzubieten.

Mehr als 1000 Milliarden Euro pumpten Chinesen und ausländische Investoren im vergangenen Jahr in den Immobiliensektor – ein Zuwachs von 37 Prozent gegenüber 2002. Die Folge ist ein rasanter Anstieg der Preise – in Shanghai im ersten Quartal allein um 28,3 Prozent. In manchen Städten gebe es bereits Kaufgemeinschaften, bei denen mehrere Familien ihr Geld zum Immobilienkauf zusammenlegen, berichten die Staatszeitungen.

Für Pekings Regierung ist der boomende Wohnungsmarkt ein weiteres Risiko in einer ohnehin überhitzen Wirtschaft. „Wenn die Immobilienblase platzt, werden viele Spekulanten mit ihren Krediten in Verzug kommen“, warnt Chang Xiuze vom Forschungsinstitut der Staatlichen Entwicklungs- und Reformkommission. In den vergangenen Jahren bekamen Chinesen fast ohne Absicherung Wohnungskredite von den Staatsbanken. Wenn die Immobilienpreise einbrechen, sitzen die Banken auf einem Berg fauler Kredite. 1,6 Milliarden Dollar an Krediten gelten schon heute als nicht wieder einbringbar, schreibt die staatliche „Beijing Review“.

Seit Anfang des Jahres bemüht sich die Regierung in Peking, den Markt abzukühlen. So wurden zum Beispiel die Richtlinien für Staatsbanken zur Vergabe von Wohnungskrediten verschärft. Ab der vierten Wohnung bekämen private Investoren in Wenzhou keine Kredite mehr, berichtet die Zeitung „China Daily“. In Shanghai dürfen Wohnungen neuerdings erst nach der Fertigstellung weiterverkauft werden. In Bankkreisen heißt es, dass Peking in den kommenden Wochen zudem die Leitzinsen erhöhen könnte. Doch die Nachfrage ist bisher ungebrochen. „Da gibt es noch viele Chancen zu investieren“, sagt Frau Chen.

Harald Maass

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