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Wirtschaft: Morphosys vermietet Antikörper an Pharmakonzerne

Von einer guten Bibliothek erwartet man vor allem eins: einen großen Bestand an Büchern. Das Biotechnologie-Unternehmen Morphosys aus Martinsried bei München hat zwar auch eine Bibliothek, sammelt statt Büchern aber menschliche Antikörper, die es selbst synthetisch herstellt.

Von einer guten Bibliothek erwartet man vor allem eins: einen großen Bestand an Büchern. Das Biotechnologie-Unternehmen Morphosys aus Martinsried bei München hat zwar auch eine Bibliothek, sammelt statt Büchern aber menschliche Antikörper, die es selbst synthetisch herstellt. Diese Antikörper - zehn Milliarden Stück sind zurzeit im Bestand - dienen als Basis für neue Medikamente und sind darum für Pharmaunternehmen von großem Interesse. Morphosys stellt ihnen die Bibliothek gegen Lizenzgebühren zur Verfügung. Wenn es dem Partner gelingt, aus dem Antikörper ein Medikament zu entwickeln, kassiert Morphosys außerdem Meilensteinzahlungen und Tantiemen.

Doch der Gründer und Vorstandsvorsitzende, Simon Moroney, will mehr: Auf der Hauptversammlung bekräftigte er am Dienstag das Ziel, in Kooperation mit Pharmaunternehmen künftig auch selbst Medikamente entwickeln zu wollen. "Unsere Technologie als Quelle innovativer Medikamente und der explodierende Markt für Antikörper-Präparate sind zu einladend, um die Chance ungenutzt verstreichen zu lassen", sagte Moroney. Da es sehr teuer und riskoreich ist, Medikamente auf den Markt zu bringen, will Morphosys die Medikamente nur bis zur Phase II der klinischen Forschung entwickeln, den Rest aber den Pharmapartnern überlassen. Eine Kapitalerhöhung soll das Geld für nötige Investitionen sicherstellen.

Moroney hat noch ein ehrgeiziges Ziel: Bis zum Jahresende will er den Umsatz des Unternehmens gegenüber dem Vorjahr (10,8 Millionen Mark) verdoppeln. Das Ziel soll durch Kooperationen mit "drei bis fünf" Pharmaunternehmen erreicht werden. Zwei sind schon an Bord: Am Dienstag wurde die Zusammenarbeit mit der israelischen Biotech-Firma Prochon bekanntgegeben, ein Vertrag mit dem US-Biotech-Unternehmen Millennium ist bereits unter Dach und Fach. Erst in zwei Jahren wird Morphosys, das seit März 1999 am Neuen Markt notiert ist, nach eigener Einschätzung die Gewinnzone erreichen - zehn Jahre nach der Gründung.

Wie sehr die Hoffnung auf neue Medikamente die Fantasie der Anleger belebt, zeigte sich Mitte Februar: Die Entwicklung eines neuen Wirkstoffs gegen Krebs ließ den Kurs der Aktie, der Ende Dezember 1999 noch bei rund 28 Euro dümpelte, zunächst auf 172 Euro, kurz darauf sogar auf 380 Euro klettern. Morphosys hatte in Zusammenarbeit mit dem Biotech-Unternehmen GPC eine Serie von Antikörpern entwickelt, die bestimmte Krebszellen zerstören können.

Die Zukunft von Morphosys hängt nach Ansicht vieler Analysten davon ab, wie der schwelende Patentstreit mit dem Haupt-Konkurrenten Cambridge Antibody Technology (CAT) ausgeht. Beide Unternehmen bieten Antikörper-Bibliotheken an. CAT hat das so genannte Winter-II-Verfahren entwickelt und 1989 zum Patent angemeldet. Sechs Jahre später stellte Morphosys den Antrag auf Patentierung seiner Hucal-(Human Combinatorial Antibody Technology)Bibliothek. Im Oktober 1999 gab es zwar eine erste Gerichtsentscheidung zugunsten der Münchner, doch der Streit ist noch nicht endgültig beigelegt. "Wenn der Patentstreit zu ungunsten von Morphosys entschieden wird, steht das Unternehmen ohne Patente da", sagt DG-Bank-Analyst Markus Manns. Darüberhinaus könnten auf Morphosys Lizenz- und Regresszahlungen zukommen. Die Aktie, die am Dienstag bei 218,50 Euro notierte, hält er für zu hoch bewertet. Ganz anderer Meinung ist sein Kollege Thomas Schießle vom Bankhaus Delbrück: "Wir sehen die Aktie bei 270 Euro", sagt Schießle. Vor dem Hintergrund zu erhoffender Gewinne rät er zum Kauf. Morphosys habe inzwischen eine eigene Bibliothek mit eigenem Inhalt entwickelt. Selbst, wenn Morphosys den Patentstreit verliere, sei die Existenz des Unternehmens daher nicht bedroht.

Der offene Patentstreit war der Grund, warum Morphosys weniger Kooperationsverträge mit großen Pharmaunternehmen vorweisen kann als die drei Konkurrenten - neben CAT sind das Abgenix und Medarex. Die bislang wichtigste Partnerschaft hatten die Münchner im Dezember 1999 mit Bayer abgeschlossen.Aus der Tagesspiegel-Reihe "Biotechnologie - Deutschland im Wandel"

Weitere Informationen unter www.morphosys.de

pet

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