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Mülltrennung ist in Deutschland ein Dauerthema.

© Jens Wolf/dpa

Mülltrennung: Alles für die Tonne

Mülltrennung ist sinnvoll, aber kompliziert. Die Regierung plant nun eine Vereinfachung. Vorbild ist Berlin.

Mit Müll kann man viel Geld verdienen, er ist ein wichtiger Rohstoff. Ob Papier, Aluminium oder Plastik – vieles lässt sich wiederverwerten. Das ist besonders für Länder wichtig, die wenig Bodenschätze haben, so wie Deutschland. Deutschland gilt als Wegbereiter der Mülltrennung und des Recyclings. Die Industrie deckt rund 14 Prozent ihres Rohstoffbedarfs aus wiederverwerteten Materialien.

Aus alten Zeitungen wird beispielsweise Toilettenpapier, Glas wird eingeschmolzen und zu neuen Flaschen verarbeitet. Plastik wird oft „energetisch verwertet“ – das ist Branchenjargon und bedeutet schlichtweg verbrennen. Plastikabfall mit einem hohen Brennwert landet meist in einem Zementwerk, ersetzt dort Kohle oder Öl und schont so Ressourcen. Plastik wird aber auch recycelt – als Granulat, das eingeschmolzen und in neue Formen gegossen werden kann: Parkbank, Palette oder Einkaufskorb. Nicht aussortiertes Plastik oder solches mit niedrigem Brennwert wird mit Restmüll in Verbrennungsanlagen verfeuert und versorgt so Haushalte mit Fernwärme.

Seit 1991 wird getrennt

Die Deutschen und ihr Müll – das hat Tradition. Seit 1991 trennen wir unseren Abfall. Damals wurde der „Grüne Punkt“ gegründet – die Firma dahinter heißt „Duales System Deutschland“. Das Prinzip: Hersteller und Händler zahlen eine Lizenzgebühr für ihre Verpackungen aus Metall oder Plastik und geben die Kosten für die Gebühr über den Preis an die Verbraucher weiter.

Die Gebühren erhält die Firma, die sich um Abholung, Sortierung und Recycling der Verpackungen in den gelben Säcken kümmert. Das Unternehmen Duales System Deutschland hatte bis 2001 ein Monopol, dann entschied das Bundeskartellamt, andere Wettbewerber zuzulassen. Mittlerweile tummeln sich zehn Firmen im Markt. Dabei ist der originale Grüne Punkt Marktführer mit einem Marktanteil von rund 50 Prozent. Im Jahr 2010 erwarb die britische Private-Equity-Gesellschaft Solidus Partners die Firma.

Man könnte meinen, mittlerweile hätten wir uns ans Mülltrennen gewöhnt: Tetrapaks gehören in den gelben Sack, obwohl sie nach Papier aussehen, Batterien in die Sammelbehälter im Supermarkt, kaputte Spiegel in den Restmüll statt in den Glascontainer. So ist es aber nicht. Viele Menschen werfen ihren Müll nach wie vor in die falsche Tonne. In der Sprache der Branche heißt das „Fehlwurf“. Es gibt sogar „intelligente“ Fehlwürfe – das sind die, die eigentlich Sinn ergeben.

Beispiel: Das alte Quietsche-Entchen aus der Badewanne: Viele denken hier, klar, in den gelben Sack damit, ist ja Plastik. Doch in den meisten Gegenden Deutschlands stimmt das nicht. Dort gehören in den gelben Sack nur Verpackungen. Das Entchen muss also in den Restmüll und wird am Ende in der Verbrennungsanlage verheizt, statt als Plastikgranulat eine Reinkarnation zu erfahren.

Gelb oder Orange?

In Berlin ist das anders, genauso wie in Köln oder Hamburg. Hier gibt es statt des gelben Sacks eine Wertstofftonne. In die dürfen nicht nur Verpackungen, sondern auch alle Abfälle aus Kunststoff, Metall und Verbundmaterialien, vom Tetrapak über den Joghurtbecher bis zum Kochtopf. Auch die Plastikente findet dort ein neues, vorübergehendes Zuhause.

Nach Angaben des Bundesumweltministerium profitieren bereits rund 12 Millionen Bürger von dieser vereinfachten Mülltrennung, in Berlin seit 2013. Was die Sache an der Spree verkompliziert: In einigen Stadtteilen ist die Tonne gelb, in anderen orange – denn hier wurden kurzerhand einfach die alten Tonnen der beiden Entsorgungsunternehmen Alba und BSR zur gemeinsamen Wertstofftonne umgerüstet. Die meisten Wertstofftonnen holt Alba ab, eine Minderheit die Berliner Stadtreinigung BSR.

Ein Aufkleber auf der Tonne informiert darüber, was hinein darf: Kleiderbügel, Plastik ja, Textilien, Elektrokleingeräte, Holz und Datenträger nein – diese Stoffe können aber auf den 15 Recyclinghöfen Berlins abgegeben werden. Für BSR-Sprecher Sebastian Harnisch ist die Berliner Wertstofftonne ein Erfolgsmodell. Er sagt: „Seit Einführung der Tonne konnten jährlich rund vier Kilogramm zusätzliche Wertstoffe pro Einwohner gesammelt werden.“

Schluss mit Missverständnissen bei der Mülltrennung

Deshalb will die Bundesregierung die Wertstofftonne jetzt auch flächendeckend einführen. Nach jahrelanger Diskussion hat sich die Regierungskoalition kürzlich auf Eckpunkte für ein neues Wertstoffgesetz geeinigt. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will nach der Sommerpause einen Gesetzentwurf für die neue Regelung vorlegen.

„Wenn jetzt nicht mehr nur noch der Joghurtbecher, sondern auch das Quietscheentchen recycelt werden kann, ist das gut für die Umwelt und macht nach Jahrzehnten endlich Schluss mit Missverständnissen beim Mülltrennen“, sagt ihr Parlamentarischer Staatssekretär Florian Pronold (SPD). Doch auch wenn die Wertstofftonne das private Müllmanagement erleichtert, Probleme gibt es immer wieder. Hausmüll, der in der Wertstofftonne landet, Verpackungen in der Bio-Tonne. Flaschen im Altpapier. Das ist eklig und sorgt für Stress mit den Nachbarn.

Wird wirklich recycled?

Fast alle Verbraucher trennen Müll, doch nur ein gutes Drittel davon ist nach eigener Auskunft dabei sorgfältig, hat eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV) ergeben. Unkenntnis ist einer der Gründe, warum Müll in der falschen Tonne landet.

Doch das größte Recycling-Hindernis sind Zweifel an der Sinnhaftigkeit: 39 Prozent der Befragten glauben nicht, dass getrennt gesammelte Abfälle tatsächlich wiederverwertet werden. Etwa beim Altglas: Die Container werden nämlich in ein Fahrzeug entleert. Dabei könnte man denken, dass alles wieder zusammengeworfen wird. Dies ist aber nicht der Fall: Im Inneren des Fahrzeugs befinden sich nämlich getrennte Kammern.

Das Misstrauen ist groß. „Auf dem Müllmarkt herrscht eine zu große Intransparenz, wer da wie viel verdient, wo welcher Müll landet, und was mit ihm geschieht. Das muss transparent gemacht werden“, fordert Hyewon Seo vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Richtig ist, dass in den Müllverbrennungsanlagen tatsächlich Müll verbrannt wird, der recycelbar wäre – und auch solcher, der aus dem Ausland angekauft wird. „In den achtziger Jahren wurden viele Müllverbrennungsanlagen gebaut, die refinanziert werden müssen“, erklärt Seo. „Weil der Restmüll immer weniger wird, die Anlagen aber ausgelastet werden müssen, wird Müll importiert.“

Ist es dann aber überhaupt sinnvoll, wenn Verbraucher ihren Müll sortieren? Ja, sagt Seo. Denn Deutschland habe wenig Rohstoffe und brauche daher die sogenannten Sekundärrohstoffe aus dem Recycling. Und auch wenn moderne Sortieranlagen schon viel leisten können – es reicht nicht. „Wir können nicht einfach alles zusammenschmeißen und darauf hoffen, dass die Maschinen das Sortieren übernehmen. Das schaffen selbst die besten Sortieranlagen nicht“, sagt Seo.

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