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Heimattreue. Trotz vieler Alternativen hat sich Siemens doch für München entschieden.

© ddp

Wirtschaft: München schlägt Berlin

Siemens siedelt die neue Infrastruktursparte am Konzernsitz an. Der Senat bedauert die Entscheidung

München - Die Entscheidung ist gefallen: München wird Sitz der neuen Siemens-Sparte für Infrastruktur und Städte. Erst vor fünf Wochen hatte Siemens die Gründung einer vierten Konzernsparte bekanntgegeben. Nun teilte der Konzern mit, dass der neue Sektor in der Unternehmenszentrale in München angesiedelt wird. Als mögliche Standorte hatten sich auch Berlin und London Hoffnungen gemacht. „Der Sektor kann in München auf Ressourcen der Zentrale zurückgreifen“, begründete ein Sprecher des Unternehmens die Entscheidung.

In der neuen Sparte sollen Aktivitäten für den Aufbau und die Erneuerung städtischer Infrastruktur zusammengefasst und weiterentwickelt werden. Dabei geht es auch um grüne Technologie, etwa die energetische Sanierung von großen Gebäudekomplexen, Verkehr mit Elektrobussen und -autos oder die Erneuerung von Stromnetzen. „Wir schaffen konsequent die Grundlagen, um an den schnell wachsenden Märkten von Städten und Infrastrukturen zu partizipieren“, sagte Siemens-Vorstandschef Peter Löscher.

„Die Entscheidung, den Standort nach München zu legen, spricht überhaupt nicht gegen Berlin“, sagte der Sprecher. „Berlin hat weiterhin eine sehr hohe Bedeutung für Siemens, es ist unser weltweit größter Produktionsstandort.“ Auch habe Siemens selbst „keinen Wettbewerb der Städte ausgerufen und keine Erwartungshaltung geschürt“. In Berlin beschäftigt der Konzern mehr als 12 000 Mitarbeiter.

Am 1. Oktober nimmt der neue Sektor seine Arbeit auf. Erst Ende 2007 war der Konzern neu organisiert worden in die bisher drei Sparten Industrie, Energie und Gesundheit. Einige Teile aus diesen Bereichen wandern in die neue Einheit. Chef wird Roland Busch, der Siemens-Strategiechef ist und schon jetzt die Sparte aufbaut. Deren Organisation soll laut Siemens „schlank und effizient“ sein. Wie viele Mitarbeiter der Bereich haben wird, steht noch nicht fest. Mit der neuen Sparte möchte Siemens weltweit sowohl mit rasch wachsenden Metropolen in Schwellenländern ins Geschäft kommen als auch mit Städten in Industriestaaten. Der Markt für Infrastrukturinvestitionen liegt laut Siemens bei rund 300 Milliarden Euro jährlich, ein Drittel davon wird von der öffentlichen Hand bestimmt.

Die Zusammenarbeit von Siemens und der Stadt München in der Entwicklung und Modernisierung von Infrastruktur kann durchaus als eine Art Modell- oder Laborprojekt angesehen werden. Auch deshalb, sagte der Sprecher, sei die Wahl auf Bayerns Landeshauptstadt gefallen. „Wir machen schon viele zukunftsweisende Projekte mit der Stadt, etwa neue U-Bahnen, Studien über mögliche CO2-Reduktionen und Versuche zu Elektromobilität.“ Auch errichtet Siemens gemeinsam mit den Stadtwerken München einen großen Offshore-Windpark vor der walisischen Küste. Ein weiterer Grund liegt in der Konzernzentrale am Wittelsbacherplatz selbst. Diese soll nach ökologischen Maßstäben neu gebaut werden. Bisher sind die 1200 Mitarbeiter in 15 Gebäuden aus den 1950er- und 1960er-Jahren untergebracht. Die Flure sind verwinkelt, die Büros klein. Wer neu komme, so wird gespottet, brauche erst einmal ein Navigationssystem, um sich zurechtzufinden. Der Architektenwettbewerb wurde dieses Jahr gestartet. 2015, so die Planungen, könnte die neue Zentrale fertig sein.

Lothar Adler, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Siemens AG, begrüßte die Entscheidung. „Die Wahl des Standorts München ist auch als Bekenntnis zum Standort Deutschland insgesamt zu bewerten“, sagte Adler dem Tagesspiegel. Peter Löscher habe betont, dass mit dem neuen Sektor und dem erneuten Umbau des Unternehmens eine Wachstumsinitiative verbunden sei. „Wir nehmen ihn da beim Wort und erwarten, dass in Deutschland weiter Beschäftigung aufgebaut wird“, sagte Adler.

Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) bedauerte dagegen die Wahl Münchens. Berlin hätte „ausgezeichnete Standortbedingungen geboten“, sagte Wolf. Allerdings sei dem Senat von Beginn an bewusst gewesen, „dass unternehmensinterne Entscheidungsprozesse nur bedingt durch Aktivitäten von Politik und Wirtschaftsförderung zu beeinflussen sind“. Dass der neue Sektor am Unternehmenssitz in München bleibe sei „eine gute Nachricht für den Wirtschaftsstandort Deutschland“. Wolf sagte weiter, er baue darauf, dass die Zentrale in München die Entwicklung der Berliner Siemens-Standorte weiter unterstütze.

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